Andreas Hapkemeyer, Glücksversprechen

hapkemeyer, glücksversprechenManche Bücher muss man durch einen klugen Titel so aufstellen, dass die Texte sofort in die richtige Richtung gehen. „Glücksversprechen“ könnte etwa eine Reise ins Helle, Warme, Harmonische sein, wenn sich der Leser das unter Glück vorstellt.

Andreas Hapkemeyer scannt seit seiner frühesten Jugend Texte, Landschaften, Bilder und soziale Strukturen, um daraus nach einer künstlerischen Transformation neue Gebilde, Projekte oder Ideen zu gestalten. In der Sammlung Glücksversprechungen sind Zeichnungen, graphische Elemente und Textfragmente zu einem plakativen Katalog zusammengestellt, der zuerst einmal staunen lässt und dann neugierig macht, was dahintersteckt.

Als Leser blättert man sich am besten in Magazingeschwindigkeit und Warteposition durch das Buch, links sind Zweizeiler, Satzfetzen und Fragmente als blass gestaltete Bleistiftschrift ausgelegt, rechts sind in Bierdeckelgröße Bleistiftzeichnungen montiert, die durch die Umrahmung oft als fertig gedeutet werden können. Wenn man aber genauer hinschaut, sieht man die Reduktion als das eigentliche Thema der Skizzen.

Hinten im Klappentext gibt es dann eine Erklärung für das Glücksversprechen.

Alle Blätter, auch die Texte, sind Zeichnungen. Sie sind in einem Kopierverfahren hergestellt. Nicht nur die Texte, auch die Bilder sind Zitate. Kopie und Zitate spielen die Rolle des Originals, der Arrangeur spielt die Rolle des Autors. Die Sätze und Bilder entstammen literarischen und medialen Vorlagen.

Durch dieses Covern von Material wir das Verhältnis Autor, Urheber, Rezipient gestört und neu aufgemischt. Das Material sprengt zudem alle zeitlichen und politischen Grenzen, indem sie etwa die Romantik in die Gegenwart einflicht oder die Migration über die Nationalgrenzen stülpt und überfließen lässt.

Das konkrete Doppelbild fußt beispielsweise auf einem Text, der wie eine Bildunterschrift aus einer Fluchtszene in Ostpreußen 1945 wirkt, gleichzeitig aber dem Bild eines liegenden Gesichtes ohne Untergrund alle möglichen Glücksversprechungen einflößt. Ähnlich ergeht es Versprechen, die von einer Szene konterkariert werden, wo anonyme Figuren einen gezeichneten Grenzzaun überwinden.

Die Zitate stammen unter anderem von Ingeborg Bachmann, Caspar David Friedrich, Eduard Mörike oder Giuseppe Ungaretti. Als Bleistiftzeichnung lassen sie an etwas Mobiles, Flüchtiges denken, durch die Gegenüberstellung mit einem ikonenhaften Bild erwecken sie die Schlagkraft von Inschriften. Die Zeichnungen wiederum sind fix formuliert wie Ausmalbücher, andererseits fragmentarisch komponiert, so dass man sich passende Flächen und Schraffuren hinzudenken muss.

So, wie jeder Leser die Zeitung mit persönlichen Macken und Vorurteilen liest und aus den Geschichten eine für ihn glaubwürdige Story browst, so entsteht aus diesem Zeichen-Strip für jeden Leser eine persönliche Geschichte, wenn er die Glücksversprechungen mit seinen eigenen Erfahrungen abgleicht. Im Zusammenspiel von Text und Bild kann man jeweils zusehen, wie Lügen zerfallen und zu einer glaubwürdigen Blase verkommen. Für sich genommen passen alle Bilder, aber hintereinander gelesen entsteht im Gap zwischen den Bildern erst die wahre Geschichte.

Andreas Hapkemeyers „Glücksversprechen“ ist ein Buch über das graphische Covern von Vorlagen und eine elegante Meta-Geschichte zu Medien, die wir wie eine Zeitung halten, obwohl sie eigentlich ein Stück Galerie sind.
 
Andreas Hapkemeyer, Glücksversprechen. Zeichnungen Zitate
Klagenfurt: Ritter Verlag 2017, 64 Seiten, 14,00 €, ISBN 978-3-85415-559-1


Weiterführende Links:
Ritter Verlag: Andreas Hapkemeyer, Glücksversprechen
Wikipedia: Andreas Hapkemeyer

 

Helmuth Schönauer, 01-12-2017

Bibliographie

AutorIn

Andreas Hapkemeyer

Buchtitel

Glücksversprechen. Zeichnungen Zitate

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Ritter Verlag

Illustration

Andreas Hapkemeyer

Seitenzahl

64

Preis in EUR

14,00

ISBN

978-3-85415-559-1

Kurzbiographie AutorIn

Andreas Hapkemeyer, geb. 1955 in Osnabrück, lebt in Bozen.