Stefan Lindl, Nackt

lindl_nackt.jpgStefan Lindl stellt in seinem Essay die Grundverfahren "Entdecken", "Belassen" und "Konkretisieren" vor.

Franziskus entledigt sich allen Schnickschnacks und trägt folgerichtig nur mehr die notwendigste Ausrüstung am Leibe, gerade dass die Vögel auf der Schulter Platz haben - ein Musterbeispiel für Entdecken des Wesentlichen. Auch das Reservat ist nichts anderes als eine Versammlung von Individuen, die auf ein wesentliches Kernmerkmal zurückgestuft sind. In einem seriösen Reservat leben Menschen in einer gemeinsamen nackten Wesenseigenschaft.

Belassen ist oft die größte gestalterische Eigenschaft. Konfuzius gilt generell als der große Belasser, weil er zu allem etwas zu sagen hat und genau nirgendwo eingreift. Besonders deutlich wird das Problem des Belassens bei Ausgrabungen. Was darf man belassen, um es dennoch zu sehen? Was muß entblößt werden, damit man es sieht?

Als Gegenentwurf zum Belassen gilt der frühe Le Corbusier, der die Stadtviertel jeweils schleifen wollte, um darauf das Eigennützige zu bauen. Ein gelungenes Belassen hingegen ist die Glaspyramide des Louvre, worin das bisher Bestehende geradezu verdeutlicht wird.

Am Schluss geht es um das nackte Gestalten oder das Gestalten des Nackten.

Ziemlich handfertig geht es dabei etwa in der Gastronomie zu. Nichts ist für einen Koch nämlich so schwierig, wie den nackten Käse ohne Eingriff aufzutischen. Guter Käse besteht aus bloßer Nacktheit, der Koch ist dabei bloßer Betrachter.

Stefan Lindl läßt seine Gedanken zum Gestalten des Nackten frei und ungezwungen durch den Essay gleiten, schließlich ist es ein kompliziertes Unterfangen, das Nackte mit Worten einzukleiden.

"Nackt" ist der erste Teil einer Trilogie über das Gestalten. Bei etwas Geduld hätte man vermutlich alle drei Teile in einem einzigen Band untergebracht, aber es geht eben auch um die Lust am Nackten, um die ?Skopophilie?. Und da ist ein einzelner Band eben viel nackter als ein Dreier-Band.

Stefan Lindl: Nackt. Gestalten des Gestaltens 1.
Wien: Passagen Verlag 2005. 109 Seiten. EUR 13,90. ISBN 3-85165-697-0.

 

Helmuth Schönauer, 23-10-2005

Bibliographie

AutorIn

Stefan Lindl

Buchtitel

Nackt

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Passagen Verlag

Seitenzahl

109

Preis in EUR

EUR 13,90

ISBN

3-85165-697-0

Kurzbiographie AutorIn

Stefan Lindl, geb. 1969, lebt als Autor und Kunsttheoretiker in München.

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