Maria Thaler, Märzschnee

Buch-Cover"Hs Aufgabe war es zu sterben. Meine war, mit seinem Tod weiterzuleben." Das Motto dieser Erzählung Märzschnee funkelt ziemlich brutal vom Buchumschlag. Und innen ist der Trost phasenweise sehr verhalten.

Wovon man nicht reden kann, darüber muss man schreiben, zitiert die Autorin einen Spruch und bemüht sich, durch Schreiben halbwegs klar zu kommen in der Trauerarbeit.

Die Erzählung beginnt jäh und heftig, wie eben Botschaften einer schlimmen Erkrankung auf eine unversehrte Familie treffen. H. erkrankt an Darmkrebs, Stationen zwischen Hoffnung, Durchhalten und Wortlosigkeit sind die Folge. Dann stirbt H. und die Erzählerin beginnt das Trauerjahr aufzuschreiben.

Die einzelnen Monate glitzern als Kindheitserinnerung auf, in der Kindheit steckt viel Schönheit und Optimismus, diese Kräfte von früher gilt es für jetzt zu mobilisieren. Im März liegt dann auch jener Märzschnee, der der Erzählung den Titel gibt. Die Erzählerin mag ihn nicht so recht, weil er nicht weiß, ob er in den Winter oder in den Sommer will, eigentlich ist dieser Schnee lau und brüchig und hat dann nichts anderes im Sinn, als in der ersten milden Nacht zu verschwinden.

Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der der Körper in erster Linie Instrument des Überlebens war, Werkzeug der Arbeit auf dem Bergbauernhof. (61)

Hin und hergerissen zwischen ihrem Beruf als Psychotherapeutin, persönlich Betroffener und Autorin mit fiktionalem Sinn versucht Maria Thaler scheinbar unvereinbare Teile irgendwie zusammenzubekommen.

Da soll einmal das Persönliche mit dem allgemeingültigen Lauf von Biographien verbunden werden, was nur teilweise gelingt, denn die individuelle Naherfahrung greift der Fiktionalisierung immer wieder mit wunden Fingern in die Speichen.

Da entsteht der Glaube, dass eine abgerundete Kindheit mit kurzen Schmerzen in einer naturnahen heilen Welt auch für den Abend des Lebens etwas bringen könnte, was nur teilweise gelingt, denn eine veränderte Welt verändert auch die erinnerte Kindheit.

Da gibt es die Hoffnung, dass mit erfundenen fiktionalen Realitätsebenen die schmerzhafte Realität der Erzählerin gemildert werden könnte, was nur teilweise gelingt, denn Fiktion funktioniert nur, wenn man gnadenlos an sie glaubt.

In der edition raetia gibt es einen ähnlichen Erzählfall, wo Renate Scrinzi den Tod ihrer Mutter in der Erzählung Vita minimala vollkommen fiktionalisiert und dadurch für die Leser glaubwürdig und authentisch macht, ein gelungener Versuch, persönliche Erlebnisse in Literatur zu verwandeln. Maria Thaler hingegen bleibt so heftig auf ihrer eigenen Erzählcouch picken, dass man als Leser nie weiß, soll man jetzt weiterlesen oder die Autorin ferntherapieren, - für eine klare und glaubwürdige Erzählung ist ihr Erzählstandpunkt einfach zu ungenau.

Maria Thaler, Märzschnee. Stationen eines Abschieds. Erzählung.
Bozen: edition raetia 2007. 165 Seiten. 9,50. EUR. ISBN 978-88-7283-278-3.

 

Weiterführende Links:
Edition-Raetia: Maria Thaler, Märzschnee

 

Helmuth Schönauer, 11-10-2007

Bibliographie

AutorIn

Maria Thaler

Buchtitel

Märzschnee. Stationen eines Abschieds

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

edition raetia

Seitenzahl

165

Preis in EUR

9,50

ISBN

978-88-7283-278-3

Kurzbiographie AutorIn

Maria Thaler, geb. 1954 in St. Pankratz/Ulten, lebt in Bozen.