Ludwig Brantner, Einmal talwärts und zurück

Buch-CoverIm Land der Aufstiegshilfen ist es ein geradezu sensationell ironischer Titel, wenn jemand "einmal talwärts und zurück" bucht.

Ludwig Brantner stellt schon am Umschlag seines Lebensberichtes klar, wo es lang geht. In einer Familie mit zwölf Kindern hineingeboren und ausgestoßen, zieht sich vor allem das A-Wort durch die Jahrzehnte, es geht um Alkohol.

Schon die Eltern sind meist so blau, dass sie nicht einmal die nötigsten Handgriffe verrichten können, ab und zu steht einer der beiden auf um irgend ein Kind blau zu schlagen, meist ist es Luggi, wie der Autor abschätzend genannt wird. Luggi kann seinen von blauen Flecken übersäten Körper kaum an die Öffentlichkeit tragen, ohne nicht sofort vom Jugendamt aufgegriffen und eingewiesen zu werden.

Die Kindheit ist folglich eine Kette von Heimen, die wie Haltestellen einer verrückten Nebenbahn auf das Kind hereinbrechen. Innsbruck Pechegarten, Westendorf, Schlins sind die ersten Stationen. Dazwischen haut ab, wer kann, und Luggi ist ein permanenter Durchbrenner. Seine erste Heimat wird der Westbahnhof, wo er erste Bekanntschaften mit Obdachlosen macht, ehe es dann doch in die Welt hinausgeht.

Wer einmal gelernt hat, dass er weg muss, kriegt diesen Drang nie mehr los.

Selbst als Luggi schon halbwegs gereift und erwachsen ist, dauert kein Job länger als ein paar Wochen, meist wird im Suff ein Auto entwendet und dann ist die Justizanstalt die Endstation.

Ludwig Brantner erzählt lakonisch und mit dem selbstverständlichen Ton eines Eigenreporters. Nichts wird beschönigt, nichts ausgelassen, und so stellt sich eine Logik der Geschehnisse ein, worin die Räder einer Abwärtsmaschinerie wie geschmiert in einander greifen.

Als Leser kommt einem manchmal sogar ein Lacher aus, wenn die alkoholische Szenerie ins Skurrile kippt. Beim Begräbnis eines Elternteils sind die anwesenden Kinder so angesoffen, dass sie teilweise auf der Komposthalde des Friedhofs liegen beziehungsweise überhaupt gleich von der Sanität abgeholt werden müssen.

Über den ganzen Kontinent verstreut kommen die Geschwister kaum aus ihrer trostlosen Lage heraus. Und auch der Erzähler macht erst wirklich einen dicken Schlussstrich unter seine Lebensbilanz, als ihn ein schwerer epileptischer Anfall ins Koma schickt und er wirklich nichts mehr zu gewinnen hat, als das nackte Überleben.

Diese Familiensaga der anderen Art erzählt von Helden, die nicht in der offiziellen Geschichtsschreibung vorkommen, sondern höchstens im Gerichtsteil oder unter Chronik vom Rand der Gesellschaft aufgeführt werden. Damit es in der Literaturgeschichte ab und zu gerecht zugeht, ist Ludwig Brantners Lebensbericht eine höchst notwendige Erzählung, um die Menschen von der Schattseite nicht völlig auszublenden. Und keine Zeile lang geht es um Moral. Wer talwärts bucht, kriegt seine Talfahrt, das ist die einfache Lebensweisheit, schlank formuliert und dennoch brutal.

Ludwig Brantner, Einmal talwärts und zurück. Ein Lebensbericht.
Innsbruck: Skarabaeus 2008. 176 Seiten. 17,90. EUR. ISBN 978-3-7082-3236-2.

 

Weiterführende Links:
Skarabäus-Verlag: Ludwig Brantner, Einmal talwärts und zurück
Homepage: Ludwig Brantner

 

Helmuth Schönauer, 04-03-2008

Bibliographie

AutorIn

Ludwig Brantner

Buchtitel

Einmal talwärts und zurück

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Skarabaeus

Seitenzahl

176

Preis in EUR

17,90

ISBN

978-3-7082-3236-2

Kurzbiographie AutorIn

Ludwig Brantner, geb. 1954, lebt in Innsbruck.