Annemarie Schweighofer-Brauer / Gabriela Schroffenegger, Mein Vater war ein großer Schweiger
Vielleicht ist Arbeit auch das, was zwischen den Generationen läuft. - Im Abspann des Buches wird eine Szene aus der indianischen Kultur erzählt, wo sich die Alten zusammensetzen und überlegen, was aus ihrem Erfahrungsschatz sie den Jungen weitergeben wollen.
Um diesen Erfahrungsschatz geht es in diesem Reader, und der Titel lässt ziemlich viel Verstocktes erahnen Mein Vater war ein großer Schweiger.
Im ersten Teil wird herausgearbeitet, dass Arbeit mit männlichen Jugendlichen, mit Buben und Jungen etwas Spezielles ist. Immerhin geht es darum, die nächste Generation hinter dem Schleier von Gewalt, Selbstverdruss und Männlichkeitswahn zu erreichen. Arbeit in Jugendzentren, Jungen-Streetworker, Migrationsverknotungen, interkulturelle Jugendarbeit stehen im Mittelpunkt dieser Darstellungen.
In einem mittleren Teil geht es um die historische Jungenarbeit der letzten 25 Jahre in Deutschland und Österreich, um die Szene in Österreich, um erzählte Biographien, in denen Jungs von ihren Schwierigkeiten erzählen, mit der Männerrolle zurecht zu kommen.
Ein Spezialfall sind dabei die sogenannte nationalsozialistische Männerverstümmelung und die darunter leidenden Söhne. Gerade durch den Kriegseinsatz erlebten die Männer erstmals eine besondere Art der Kameradschaft und Männlichkeit, als sie dann verstümmelt und gebrochen nach Hause kamen, mussten sie erleben, dass zu Hause das Leben ohne Männer eigentlich ziemlich reibungslos funktioniert hat.
Im Schlusskapitel geht Gabriela Schroffenegger auf den männlichen Körper ein, "Man(n) hat Körper".
Der männliche Körper entwickelt durch Erziehung und Vorbilder eine eigene Körpersprache, die bis zum perversen Kopf hoch Brust heraus gehen kann. Dabei ist die äußere Erscheinung von verschiedenen Urmodellen geprägt, wie etwa die Lust am männlichen Haar-Zopf belegt.
Erst die Alltagspraxis, mit dem Körper geschlechtsspezifisch umzugehen, formt den sogenannten männlichen Körper. Dabei verwischt sich gerade in der Arbeitswelt diese geschlechtsspezifische Körperlichkeit, indem die Phänomene Teilzeit, Arbeit auf Abruf, Leiharbeit und Mitgliedschaft in der Klasse "working poor" mittlerweile auf Frauen und Männer beinahe in gleichem Ausmaß zutreffen. Auch in der Werbung gibt es, was die Häufigkeit der körperlichen Inszenierung betrifft, kaum mehr einen Unterschied zwischen männlich und weiblich.
Der Jungenarbeitsreader zeigt letztlich auf, wie wichtig es ist, spezifische Jungenarbeit zu leisten. Denn wie soll die nächste Generation Form gewinnen, wenn sich niemand darum kümmert.
Annemarie Schweighofer-Brauer / Gabriela Schroffenegger, Mein Vater war ein großer Schweiger. Erziehung und Jungenarbeit in gesellschaftlichen und historischen Bezügen.
Innsbruck: Studienverlag 2009. 304 Seiten. EUR 29,90. ISBN 978-3-7065-4395-8.
Weiterführende Links:
Studien-Verlag: Schweighofer-Brauer / Schroffenegger, Mein Vater war ein großer Schweiger