Alois Gmeiner, Der stillste Ort
An und für sich ist die Toilette ein höchst literarischer Ort. Hier kommen die Innenwelt der Verdauung und die Außenwelt der Spülung das erste mal zusammen, hier sitzen je nach Typ mehr oder weniger meditative Personen am Hocker, und am stillen Ort wird auch jede Menge Literatur gelesen, bis das Geschäft erledigt ist.
Für die Beschreibung dieser Kultur braucht es dementsprechend ausgebildete Experten, und Alois Gmeiner erzählt zu Beginn voller Stolz, wie er sich gefreut hat, als der Verlag bei der Projektierung des Klo-Führers ausgerechnet an ihn gedacht hat.
Die stille Tour durch Österreich führt von St. Pölten, Linz, Gmunden, Salzburg hinein nach Tirol, das gleich dreimal vertreten ist, anschließend geht es über Klagenfurt, Graz und Bad Fischau zurück nach Wien, wo dem Film "Der Dritte Mann" Kanal-adäquat gehuldigt wird.
Skurrile Fotos von WCs und deren Besatzung unterstreichen den Realismus dieser recht humorvollen Inspektionsreise.
Über Innsbruck gibt es, was das WC betrifft, nichts Schmeichelhaftes zu berichten. Anhand der völlig heruntergekommenen Bedürfnisanstalt am Bozner Platz wird ein Blick auf die Sixties geworfen und die Analogie stellt sich ein: Vielleicht denken die Innsbrucker in Wirklichkeit so, wie ihr Klo am Bozner Platz ausschaut.
Da geht es in Mieming schon anders zur Sache. Im edlen Hotel "Römisch deutscher Kaiser" gibt es bei den Toilettenanlagen puren Luxus. Alles, was die Branche zu bieten hat, ist in diesem Hotel aufgeboten, so dass das Publikum oft die Toilette bucht und das Zimmer so nebenher mitnimmt.
Und am Brenner schließlich geht es weniger um das Klo als um den Klo-Mann Hans Reimair. Da alle Journalisten und Fernsehteams bei ihren Tourneen von Nord nach Süd am Brenner absteigen, wird jedesmal auch ein Gespräch mit dem Wärter geführt. In internen Aufzeichnungen gilt Hans Reimair als der meist interviewte Klo-Mann Österreichs. (96)
Alois Gmeiner lässt in diese Darstellung handfester Wendepunkte der Verdauung immer wieder die Kulturgeschichte des Austretens, des Abschweifens und sich in die Büsche Schlagens einfließen. Höhepunkt dieser Informationskampagne ist das "Klossar" (189) worin die wichtigsten Begriffe auf humorvolle Weise erklärt werden. Eine "Kanalforelle" ist beispielsweise eine feste menschliche Ausscheidung, die es in ihrer ursprünglichen Form ins (Wiener) Kanalsystem geschafft hat. (189) Ein Hansi ist auf wienerisch eine Kanalratte. (189)
Der stillste Ort wird hoffentlich manchmal durch Gebrüll und Gelächter geweckt, wenn ein Leser darin das Buch über den stillsten Ort liest.
Alois Gmeiner, Der stillste Ort. Eine Tour de Toilette durch Österreich. Bilder.
Wiener Neustadt: Molden 2009. 200 Seiten. EUR 19,95. ISBN 978-3-85485-233-9.