Wolfgang Schopper, beiläufig unrasiert
Was kann man sich unter beiläufig unrasiert vorstellen? Vermutlich ein meist männliches Gesicht, in dem der Gesichtsträger mit irgendeinem scharfen Gegenstand elektrisch oder mit geschäumter Klinge herumgefahren ist.
Dieses chaotische Trimm-Konzept verwendet Wolfgang Schopper, um Erlebnisschnitzel aus seinem Leben, journalistische Highlights, Familienplanung und Familientrennung zu erzählen.
Wie bei einem offenen Seminar breitet er eine Schachtel voller Ideen und Ereignisse auf einer Fläche aus, von der sich der Leser jeweils interessante Absätze herauspicken kann.
So verlaufen die jeweiligen Abschnitte wie eine Sendung. Scheinbar tagespolitisch wird ein Thema vorgestellt, Studium, Landeshauptmann, Maturareise, Geburt des Kindes, dann erzählt der Autor, wie es dabei zugegangen ist, anschließend gibt es Assoziationen, was um diese Zeit etwa weltpolitsch geschehen ist und am Schluss kommt oft noch eine selbstkritische Einschätzung.
Wie überhaupt das Buch grandios offen ist. Da wird über Alkoholismus, Führerscheinentzug, Verhütung und Elend am Mitterweg genau so geredet wie über einsame Weihnachtsabende und Clinch mit den Vorgesetzten.
Allmählich kristallisiert sich aus den Fuzzeln ein durchaus plastisches Lebensbild heraus. Hin und her gerissen zwischen Genie, Talent, Karriere, Eintrübung, Philosophie und Lebenslust entwickelt sich etwas Authentisches, das dieses Buch eben zu einem echten "Schopper" macht. "Auf Russisch bedeutet mein Nachname Arsch" (9) schreibt der Autor ganz unverfroren.
In die biographischen Ereignisse ist als dünner Faden ein Strandaufenthalt eingebunden. Daran aufgefädelt sind positive Maßnahmen, die einen auch in verpissten Situationen halbwegs über die Runden kommen lassen. Der Autor erzählt von seiner Kunst-Gehschule des Malens und Theaterspielens.
Wenige sinds, aber aussterben tuns trotzdem nicht, die wahren Menschen mit großem Herzen. (32)
Was hier so hingeseufzt ist, überträgt man als Leser auf den Autor.
Wolfgang Schopper nämlich erzählt kontinuierlich, wie es einen im Leben einitunken kann, von Netzhautablösung bis Entwöhnungskur ist da regelmässig Ungemach in den Blutkreislauf eingeschlossen. Aber auf jede Episode, die einen Niederschlag auslöst, kommen zwei Episoden, wie sich das Ich wieder derrappelt. Beiläufig unrasiert ist eine sympathische, schmunzelnde Einladung, das Leben mit sich selbst in Kauf zu nehmen und dabei noch Freude zu entwickeln.
Wolfgang Schopper, beiläufig unrasiert oder vogel strauß schwitzt beim mittagsschlaf.
Hall in Tirol: Berenkamp 2009, 72 Seiten. EUR 15,50. ISBN 978-3-85093-242-4.