Robert Prosser, Strom

Buch-CoverStrom, was für ein programmatischer Titel. Im Gebirge wird alles, was fließt, dazu verwendet, Strom zu erzeugen, in der Literatur fließt der Strom oft unterirdisch zwischen den Zeilen und zeigt sich an raren Stellen als Erzählstrom.

Robert Prosser verwendet beide Ströme, er setzt seine ausufernde Prosa einerseits unter Strom, andererseits lässt er dem Erzählfluss ungehemmt freien Lauf, bis er jeweils als sattes Breitband in ein Meer der Empfindung fließt.

Dabei wird der Strom-Text gespeist von einzelnen Erzählungen, die mit Tollwut, Augustgras, mythematique, Wespenstimme, klinisch blau, Inkubation, Fluchtfakten und Exit überschrieben sind. Diese Überschriften lassen sich vielleicht mit Zuständen vergleichen oder mit Inszenierungsanweisungen, wie sie in der Musik oft über die Noten geschrieben werden.

"Tollwut" als Zustand, nicht als Krankheit, der Text selbst hat sich offensichtlich infiziert und fließt nun in Rage gebracht seinem Ende zu.

Im "Augustgras" hingegen verstecken sich die Ereignisse der Saison vor der Entdeckung durch die Erinnerung. Diese Geschichte hat sogar eine vage Geographie der Handlung, im Dorf spielen zeitlos die Partikel der Kindheit herein, diverse unbenamte Personen machen mit sich selbst etwas aus und informieren einander in losen Zügen. Freilich ist oft der Friedhof das Ziel der Tagesüberlegungen, einerseits lässt sich darin alles bestatten, was bemerkenswert ist, andererseits liegt am Friedhof oft das Wesentliche des Dorfes auf Halde und will Nacht für Nacht erlöst werden.

"Mythematique" versucht den Zustand zwischen Logik und Phantastik zu umreißen. Sätze legen völlig logisch los und erreichen dennoch nie den Punkt am Ende des Satzes, weil beispielsweise dazwischen die Schwerkraft aufgehoben worden ist.

visuell überfordert flüchte ich vor dem allerletzten Monsunregen ins Innere der unzähligen Buchläden und wiederhole Gassenbewegungen, den verwinkelten Weg der Wasserbüffel, eingezwängt in altes Gemäuer ihre speicheltriefenden Münder und das dutzendfache Hörnerwetzen reibt schwankend am Yogituch. (55)

Für sich genommen kommen dem Leser die einzelnen Sequenzen völlig logisch vor, aber sie sind verändert, aufgedunsen vom Schwamm des Erzählens, die Koordinaten, Gattungen und Bilder haben sich während des Lesens verändert.

Als Leser sitzt man aufgeregt am Ufer des Prosserschen Erzählstroms, es scheint im Oberlauf Hochwasser gegeben zu haben, denn es schwimmen die verrücktesten Dinge in diesem Strom. Es lässt sich nur schwer erzählen, was da alles vorbeischwimmt, Fakt ist, es handelt sich um einen gigantischen Strom. Und so bleibt einem als Leser oft nichts anders übrig als irgendwo hinzuzeigen und zu sagen: da, schau! Bei Robert Prosser nämlich gibt es gewaltig viel zum Schauen!

Robert Prosser, Strom. Ausufernde Prosa.
Wien: Klever 2009, 128 Seiten. EUR 15,90. ISBN 978-3-902665-13-3.

 

Weiterführende Links:
Klever Verlag: Robert Prosser, Strom
Homepage: Rober Prosser - Strom

 

Helmuth Schönauer, 28-09-2009

Bibliographie

AutorIn

Robert Prosser

Buchtitel

Strom. Ausufernde Prosa

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Klever

Seitenzahl

128

Preis in EUR

15,90

ISBN

978-3-902665-13-3

Kurzbiographie AutorIn

Robert Prosser, geb. 1983 im Tiroler Alpenmassiv, lebt in Wien.