Wolfgang Schüssel, Offengelegt

Buch-Cover

Kann der Schweigekanzler überhaupt etwas sagen? - Diese Frage bewegt die Leser der Offenlegung ungemein und erzähltechnisch gesehen handelt es sich ja um ein Wittgenstein-Problem, wenn das Schweigen zur Sprache wird.

Der Titel dieser journalistisch moderierten Zeitgeschichtlichen Biographie ist klug gewählt, lässt er doch an beinahe religiöse Offenbarungen denken und verheißt dennoch allerhand Rätselhaftes.

Eigentlich ist es ein journalistisch gut gemachtes Buch, das der dargestellten Persönlichkeit freundlich gestimmt ist, aber dennoch alle Probleme ernsthaft bespricht. Die Leserschaft erfährt allerhand, aber in der Hauptsache ist es ein Galopp durch die Jahre, die sich auch in jeder Bibliothek mit aufbereiteter Tageszeitungsbestückung nachlesen lassen.

Zum Teil neu, gerade für provinzielle Leser, ist die Verbindung, wann wo in welchem Lokal eine Entscheidung gefallen ist. Und auch so schöne Fügungen, dass sich der Kanzler kurz auf den Teppich wirft, um bei weiteren Verhandlungen fit zu sein, haben durchaus etwas Monarchisch- Gottgewolltes. Wir dürfen zwar einen Einblick in die Art, wie in Österreich Politik gemacht wird, gewinnen, von größeren Sinn-Fragen werden wir allerdings ferngehalten.

Angefangen von einem Traum, den Schüssel auf dem Flug von Peking nach Wien hat, wonach er Kanzler werden wird, bis hin zum doch leicht verspäteten Ende, gibt es eine oft sehr süffisant formulierte Darstellung Schüssels und der dazu komponierten Zeitgeschichte. Im Sinne Brechts freilich ließe sich fragen, was denken jene, die durch die Politik Schüssels ordentlich zum Handkuss gekommen sind?

Neben der Liebe zum Cello, der diskreten Art, öffentlich aufzutreten, der wichtigsten Begleitpersonen gibt es letztlich kaum eine Analyse, was Schüssel bewogen hat, so eine Biographie hinzulegen. Dazu ist freilich die Nähe der gestalteten Gegenwart noch zu knapp, es wird momentan niemandem gelingen, etwas Fundamentales zu Schüssel zu formulieren.

So ist dieses Buch ein gelungener Versuch, einen Zeitgenossen zu würdigen und ihn mit Zitaten und sogenannten Sagern zu dokumentieren, zumal das Fotomaterial, die Registerführung und die Quellenangaben durchaus für die Nachkommenschaft der Historiker passabel sind.

Und der Stil des Eckermanns (der ständige Begleiter Goethes) ist fulminant, schnell und durchaus witzig.

Das Bonmot, das ständig über Schüssel gekreist ist, hat freilich keinen Eingang in die Würdigung gefunden. Vom Dolferl zum Wolferl! Die Zehntausenden, die ein zeitgeschichtliches Bewusstsein haben und vielleicht zwischen 2000 und 2007 persönlich in die Soße getunkt worden sind, werden wissen, was dieses Bonmot ausdrückt.

Wolfgang Schüssel, Offengelegt. Aufgezeichnet von Alexander Purger. Abb.
Salzburg: Ecowin Verlag 2009. 296 Seiten. EUR 24,-. ISBN 978-3-902404-76-3.

 

Weiterführende Links:
Ecowin-Verlag: Wolfgang Schüssel, Offengelegt

 

Helmuth Schönauer, 27-11-2009

Bibliographie

AutorIn

Wolfgang Schüssel

Buchtitel

Offengelegt. Aufgezeichnet von Alexander Purger

Erscheinungsort

Salzburg

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Ecowin Verlag

Seitenzahl

296

Preis in EUR

24,00

ISBN

978-3-902404-76-3

Kurzbiographie AutorIn

Wolfgang Schüssel, geb. 1945 in Wien, war u.a. Wirtschaftsminister, Außenminister und zwischen 2000 - 2007 Bundeskanzler.<br /><br /> Alexander Purger, geb. 1965 in Wien, ist Journalist bei den Salzburger Nachrichten.