Martin Kofler (Hg.), Volldampf

Wenn eine frisch gegründete Institution mit der ersten markanten Arbeit an die Öffentlichkeit geht, so ist vor allem das erste Thema in seiner Programmatik von schlagendem Interesse. Im Falle des Archivs für Photographische Dokumentation ist es die Pustertalbahn, die als das Rückgrat des Fragmentes Osttirol in ihrer politischen, strategischen und kulturellen Auswirkung gezeigt wird.

Wie emotionsgeladen diese Pustertalbahn für Osttirol ist, zeigt die jüngst erfolgte Einstellung des direkten Zuges von Lienz nach Innsbruck. In diesen Diskussionen kommen neben verkehrstechnischen Fragen nämlich auch emotionale Bindungen, historische Reminiszenzen und die Liebe zu jenem Schienenstrang zum Ausdruck, der den Osttirolern einst den Kontakt mit der Außenwelt ermöglicht hat.

Die Foto-Ausstellung greift auf drei Ausstellungsorte zurück, in Lienz wird alles aufgeboten, was mit Maschine, Technik, Fuhrpark und direkter Eisenbahn-Hardware zu tun hat. In Toblach widmet man sich dem Tourismus, der durch die Pustertalbahn schlagartig eingesetzt und zu einem gigantischen Bauboom der touristischen Infrastruktur geführt hat, und in Bruneck schließlich zeigt man am Vorabend der 100-Jahr-Jubiläen zum Ersten Weltkrieg den kriegstechnischen Einsatz der Bahn für die Dolomitenfront. Zur damaligen Zeit wurden ja innerhalb von Monaten ganze Täler mit Nebenbahnen erschlossen, um das Kriegsmaterial unter die Gipfel der jeweiligen Tagesfront zu bringen.

So spiegelt sich gerade die Geschichte Osttirols in der Geschichte seiner Hauptverkehrsader wieder, die Bahn dient ursprünglich der besseren Verwaltung eines Randgebietes der Monarchie, durch die Anbindung an das adriatische Eisenbahnnetz der Monarchie erfolgt auch eine wirtschaftliche Erschließung, indem Holz nach außen und Touristen nach innen verladen werden, nach dem Ersten Weltkrieg erfolgt die Amputation, Welten trennen plötzlich die Orte des Pustertales. In jüngster Zeit erfolgt vielleicht eine Renaissance, wenn auf der Strecke wieder dichter Regionalverkehr im Sinne einer Schnellbahn geführt wird.

Das Besucherauge begeistert vor allem diese weite ungebrochene Landschaft, die Osttirol ursprünglich einmal gewesen ist. Gemessen an jener Zeit, als die Strecke in das Gelände gelegt worden ist wie durch den Wilden Westen, gleichen die Orte heute Vorstädten von Los Angeles, der Lienzer Talboden ist überhaupt zu einer Betonschüssel verkommen.

In der Ausstellung kommen auch die frischen Zuzügler von damals zu Wort, als das Land politisch und emotional umgepflügt und von Grund auf erschlossen worden ist. Am Beispiel der Architektur von Bahnanlagen, Bahnhöfen und Dienstgebäuden zeigt sich auch das kulturelle Aufknacken eines Landes, das bis dahin nur Bauernhäuser und Kirchen als architektonische Gebilde gekannt hat.

Erst wenn man mit eigenen Augen sieht, was das Tiroler Archiv hier auf die Beine gestellt hat, begreift man, wie wichtig so eine Einrichtung für das Wohlbefinden der eigenen historischen Seele sein kann.

Martin Kofler (Hg.), Volldampf. Die Pustertalbahn 1869-1918. Fotos.
Innsbruck: Haymon 2013. 128 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-7099-7105-5.

 

Weiterführender Link:
Haymon Verlag: Martin Kofler (Hg.), Volldampf

 

Helmuth Schönauer, 27-01-2014

Bibliographie

Buchtitel

Volldampf. Die Pustertalbahn 1869-1918

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Haymon Verlag

Herausgeber

Martin Kofler

Seitenzahl

128

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7099-7105-5

Kurzbiographie AutorIn

Martin Kofler, geb. 1971 in Lienz, leitet das Tiroler Archiv für photographische Dokumentation und Kunst (TAP) in Lienz.