Ruth Aspöck, Der Krieg nach dem Frieden

In der Geschichtsschreibung gibt es zwar Modelle für Kriegserklärungen, Schlachten und Friedensverträge, aber kaum eine Erzählform kümmert sich um die Auswirkungen dieser großen Veranstaltungen auf das Individuum.

Ruth Aspöck wählt eine besondere Form der Familienaufstellung, um den Übergang des Krieges in eine sogenannte normale Weltordnung zu dokumentieren. Dabei teilt sie die Rollen in straff eingegrenzte Ideal-Typen auf, die Figuren sind freiwillig Gefangene von Ideen und versuchen durch Klarheit mit diesen Rollen zurechtzukommen.

Diese Erzählform ist eine zutiefst historische, worin versucht wird, die jeweiligen Personen neben dem Persönlichen auch mit öffentlichen Strömungen und Richtungen auszustatten. In der Hauptsache erzählen Vater und Mutter als Tote, die Haupt-Erzählerin Malwine und ihre beiden Schwestern als lebende Zeitgenossen. Der Status einer toten Erzählerin eröffnet geradezu unendliche Sichtweisen.

Jetzt als Tote brauche ich nicht mehr zu träumen. (211)

Aber nicht nur die Figuren erzählen säuberlich getrennt ihre Einstellungen und Positionen, auch der Ablauf der Zeitgeschichte ist in Themenscheiben aufgeraspelt und mit Schlagworten überschrieben. Da gibt es unter anderem Art, Weg, Zeit, Trick, Druck, Schock, Volk, Sieg. Diese Knallwörter reißen einerseits ein Thema auf und setzen die erzählerischen Beleuchtung in Gang, andererseits dokumentieren sie recht deutlich, dass alle Parole-Wörter hohl sind, einem entsprechenden Zeitgeist unterliegen und die Menschen mit Unwahrheiten umgarnen.

Aus diesen Partikeln, die wie eine Anleitung zur Moral oder als bürgerlicher Tugendkataster gelesen werden können, entwickelt sich dann doch eine kleine Familiengeschichte, die sich durch die unmittelbare Nachkriegszeit schlängelt.
Dabei wird die Zeit jeweils eigenartig geschwind empfunden, so ändert sich die Empfindungslage unmittelbar nach Kriegsende beinahe wöchentlich, ehe sich die Zeit dann wieder zu größeren Erlebniseinheiten zusammenklebt.

Wie kommt man als Nicht-Nazi durch den Krieg ohne anzustreifen, gibt es in einem totalitären System Chancen, sich als Frau zu emanzipieren, warum greift die äußere Ordnung nicht auf die innere über, gibt es ein Familienleben, das auf Fronturlauben basiert?

Die Figuren sind vom Krieg mehr geprägt, als sie es wahrhaben wollen. Die überlebenden Frauen probieren es mit Feminismus, Emanzipation, bürgerlicher Assimilation und psychologischer Reinheit. Als reine Lehre funktionieren die Rollen, aber sobald das Leben zum Zug kommt, verschleifen sich die Positionen in gut österreichischer Manier.

„Die jungen Menschen haben andere Probleme, macht es Sinn, sich auch noch die alten aufzuerlegen?“ fragt sich die Erzählerin am Schluss betroffen und abgekämpft.

Ruth Aspöcks Roman um die zusammengehauenen Menschen nach dem Krieg besticht durch präzise, historische Position. Die einzelnen Sequenzen werden wie Fragen in einem Kreuzworträtsel ausgelegt und ausgefüllt. Und wie bei einem erfüllten Rätsel besteht der Sinn des Unterfangens in der Unerschrockenheit, mit der man ungewöhnliche Fragen stellt. – Eine wundersam straffe Art des Erzählens.

Ruth Aspöck, Der Krieg nach dem Frieden. Roman.
Wien: Löcker 2014. 231 Seiten. EUR 22,-. ISBN 978-3-85409-710-5.

 

Weiterführende Links:
Löcker Verlag: Ruth Aspöck, Der Krieg nach dem Frieden
Wikipedia: Ruth Aspöck

 

Helmuth Schönauer, 19-03-2014

Bibliographie

AutorIn

Ruth Aspöck

Buchtitel

Der Krieg nach dem Frieden

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Löcker Verlag

Seitenzahl

231

Preis in EUR

22,00

ISBN

978-3-85409-710-5

Kurzbiographie AutorIn

Ruth Aspöck, geb. 1947 in Salzburg, lebt in Wien.