Martin Kolozs, Nie wieder Indien

So wie man eine Reise antritt, so wird sie auch ausfallen. Am aufmerksamsten reist, wer eine Reise nur einmal machen möchte.

Martin Kolozs hat bei seinem Indien-Trip zweierlei im Auge, einmal will er das Land auf die Tauglichkeit seiner Bilder abklopfen, und zum anderen will er die Auswirkungen der Reiseziele auf den Reisenden analysieren.

Zu Sylvester 2012 macht er sich zusammen mit seiner Begleiterin auf den Weg, die Vorbereitungen sind bereits medizinisch korrekt gelaufen, es gibt nichts, wogegen die beiden nicht geimpft worden sind. Auch die Rollenverteilung ist perfekt, sie plant die Reiseroute, er ist für den ordnungsgemäßen Tagesablauf zuständig.

Hier tut sich schon das erste Dilemma einer solchen Dechiffrierungsreise auf. Welche Bilder veranlassen uns, ein Land aufzusuchen und welche Werbe-Strategien verwendet das Land, um uns in seine Gefilde zu locken?

Im Falle Indiens sind es meist Mythen, die sich in europäischen Hirnen absetzen, ob es sich nun um das Disney-Dschungelbuch handelt, die Hungerkünste Gandhis, die taffen Internet-User oder die Ganges-affinen Gurus, letztlich sind es angelesene Vorstellungen, die unsereins über Indien ausbreitet. Und auch der Autor stellt etwa beim Anblick einer gewaltigen Maharadscha-Anlage fest, dass er in Wirklichkeit an eine Citadelle Saint-Exuperys gedacht habe.

In der Reise-Realität ist dann alles ganz anders. Indien ist bis auf wenige Ausnahmen kaum auf einen Tourismus vorbereitet. Die Fremden werden ständig umlagert und abgezockt, während man die Kühe als heilig in Ruhe lässt, werden die Touristen als Melkkühe an allen Ecken und Enden abgezapft.

Reisen haben es so an sich, dass eine Zeit lang die Stimmung ausgewogen ist, dann aber schlägt sich das Empfinden auf die wohlwollende oder abstoßende Seite.
Vielleicht hängt es mit der Vergewaltigungsempörung zusammen, die die beiden Reisenden trifft, als bekannt wird, dass eine Studentin vergewaltigt worden und jetzt gestorben ist. Das Land wird plötzlich dunkel, aggressiv und militant.

Gespräche in Indien beginnen offensichtlich immer mit einer kurzen Abfrage, damit man weiß, welcher Kaste das Gegenüber angehört. Zwar gilt auf dem Papier Indien als die größte Demokratie der Welt, in Wirklichkeit ist das Kastenwesen die Realverfassung, Veränderungen sind kaum gewünscht und religiöse Zeremonien sind der letzte Sinn des Daseins.

Die beiden Sylvester-Reisenden trauen sich nur noch für kleine Touren zu Fuß vor das Hotel, die Restaurants, Hotels und Verkehrssysteme halten nie, was sie versprochen haben, selbst beim Essen ziehen sich die Europäer nach ein paar Stunden schon völlig vom Land zurück.

Schäl es, koch es, oder vergiss es! (64)

Martin Kolozs sucht in seinem anderen Bericht von Indien durchaus bei sich selbst die Ursache für die Missstimmung dem Land gegenüber. Aber andererseits muss er einfach einmal aufschreiben, was hinter diesen Indien Bildern auch steckt, ein gigantisches, hässliches, dreckiges und abstoßendes Land, das sich so gesehen mit einer einzigen Reise auskundschaften und abhaken lässt. Es ist diese Ehrlichkeit bis hin zum Tabubruch, die diesen Indienbericht einmalig macht.

Martin Kolozs, Nie wieder Indien. Der andere Reisebericht.
Zirl: Edition BAES 2013. 93 Seiten. EUR 9,-. ISBN 978-3-950559-3-2

 

Weiterführende Links:
Edition BAES: Martin Kolozs, Nie wieder Indien
Wikipedia: Martin Kolozs

 

Helmuth Schönauer, 24-09-2014

Bibliographie

AutorIn

Martin Kolozs

Buchtitel

Nie wieder Indien. Der andere Reisebericht

Erscheinungsort

Zirl

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Edition BAES

Seitenzahl

93

Preis in EUR

9,00

ISBN

978-3-950559-3-2

Kurzbiographie AutorIn

Martin Kolozs, geb. 1978 in Graz, lebt in Innsbruck und Wien.