Isabella Breier, Anfang von etwas

Das Überraschende an Gedichten liegt knapp unter der Außenhaut der verwendeten Begriffe. Lyrik ist ja auch dazu da, Sprache auszuprobieren, einer extremen Laborsituation auszusetzen und erste Erfahrungswerte dieser getesteten Bedeutungen für den Alltagsbetrieb zu sammeln.

Isabella Breier stellt in der Konstellation „Anfang von etwas“ acht größere Versuchsanordnungen auf, in denen die Sprache unter dem Eindruck ausgewählter Sinnesorgane stimuliert wird bis zur Irritation der Anwenderin, die durchaus ein klassisches lyrisches Ich sein kann.

Greifen, häuten, klingen, laufen sind Sinn-schärfende Tätigkeiten mit deren Hilfe in acht Gedicht-Zyklen die Wahrnehmung zugespitzt, erhitzt und gestaucht wird.

Von Schlangen, die häuten / von Köpfen, die rollen / von Bildern, die bersten / von Griffen, die schiefgehen / von Rahmen, die fallen / von Klängen, die schwappen / von Dingen, die laufen / Leben … oder so.

Die einzelnen Klang-, Lauf- oder Hautstücke verklumpen dabei von Seitengröße zu einem Wenig-Zeiler, ehe sie sich wieder ausstrecken auf Originalgröße, wie groß auch immer diese sein mag.

vorsichtige Tage // im Angesicht / des herzallerliebsten Worts / übe ich / Silben schlucken, / ohne buchstäblich / zuzubeißen. (23)

Das Anfangen, Starten, Anwerfen einer Sprachmaschine, die das passende Gefühl auslöst, stellt dem lyrischen Ich die jeweiligen Tagesaufgaben. Nie ist klar, wohin diese sprachliche Explosion die einzelnen Partikel schleudern wird, aber die Überschriften dienen immer als Initialzündung für einen Vorgang.

Auftakt, einäugig; blau machen; mit Einbruch der Wirklichkeit; das Laub, wenn es bellt; so in etwa; was ein andrer Anfang sein könnte.

Aus dem Anschnitt eines Tages, mit dem Messer eines anderen Anfangs geschnitten, tut sich jäh eine neue Weltsicht auf, vielleicht gar nicht mehr von dieser Welt.

was ein andrer Anfang sein könnt // auf der Isolierstation / packen sie deine Inselhaut / in Silberpapier / und hängen deinen Wirbelwind / vor die Veranda // auf der Schaukel dort / toben deine Menschen, / besingen wilde Tiere / und trinken Blut aus Schalen, / schaun auf Steppen, Wiesen // und schön / ist wieder mal / ein Synonym, / das kurz in Frage kommt. (52)

So ziemlich in der Mitte des Gedichtbandes werden die lyrischen Bemühungen gespiegelt in ein dramatisches Stück „Fröhliche Feierabendforschung“, worin in zwei Fallbeispielen eine Erntedankwanderung und ein Protokoll am Sand entwickelt werden.

Isabella Breier weitet den lyrischen Raum aus, indem sie ständig neue Anfänge setzt und die Leser einlädt, den Kosmos zu fühlen, der sich hinter dem Anfang auftun kann als Erkenntnis, Sprachspiel oder pure Tröstung.

Isabella Breier, Anfang von etwas. Gedichte.
Horn: Berger 2014. (= Neue Lyrik aus Österreich. Band 8). 64 Seiten. EUR 16,50. ISBN 978-3-85028-622-0.

 

Weiterführende Links:
Verlag Berger, Isabella Breier, Anfang von etwas
Wikipedia: Isabella Breier

 

Helmuth Schönauer, 17-11-2014

Bibliographie

AutorIn

Isabella Breier

Buchtitel

Anfang von etwas. Gedichte

Erscheinungsort

Horn

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Berger

Reihe

Neue Lyrik aus Österreich. Band 8

Seitenzahl

64

Preis in EUR

16,50

ISBN

978-3-85028-622-0

Kurzbiographie AutorIn

Isabella Breier, geb. 1976 in Gmünd, lebt in Wien.

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