Gabriele Weingartner, Die Hunde im Souterrain

Heftige Liebe dauert oft über Jahrzehnte an, vor allem, wenn sie abrupt beendet wird.

Gabriele Weingartner schickt im Roman „Die Hunde im Souterrain“ das Liebespaar Felice und Ulrich durch die akademische Welt Berlins der 1970er Jahre. Während sie zu einander zu finden versuchen, sind sie umtost von weltpolitischen Angelegenheiten und dem Strom der Weltliteratur, worin sie heftig lesen und zitieren. Immerhin startet er gerade eine akademische Karriere als Politologe, während sie sich überlegt, ob eine Dissertation über Hermann Broch günstig sein könnte für wen auch immer.

Als sich die Chance auf ein paar Semester an Universitäten an der amerikanischen Ostküste ergibt, greifen die beiden zu, heiraten noch schnell, und Felice lässt das Kind wegmachen, weil nicht ganz klar ist, von wem es eigentlich ist. Ulrich treibt sich in Politologen-Kreisen die Küste hinauf und hinunter, Felice liest und studiert und muss zusehen, wie Ulrich immer seltsamer und unglücklicher wird. Zu Hause setzt Ulrich seinem Leben ein Ende und hinterlässt einen geordneten Abgang, freilich ohne Motiv.

Jetzt, Jahrzehnte später, macht sich Felice noch einmal auf nach New York, um vielleicht in Gesprächen mit damaligen Kommilitonen herauszubekommen, was ihren Mann in die Verzweiflung getrieben hat.

Mittlerweile haben sich Politik und Gesellschaft so weit verändert, dass man über manche Tabus besser sprechen kann. Das betrifft einerseits die diversen Ideologien, die mittlerweile nur noch Forschungsstoff sind, und andererseits die Homosexualität, über die auch öffentlich gesprochen werden darf. Ulrich ist seinerzeit ohne es zu wissen homosexuell gewesen, stellt sich heraus, und manche Sätze bekommen erst nach dieser langen Zeit ihren Sinn.

Mein Schiffsjunge ist das Lieblingswort, mit dem Ulrich seine Felice angefleht hat, auf Dinge zu hören , die ihm selbst unbekannt sind. Diverse psychologische Sitzungen können nichts an diesem umgekippten Zustand ändern, Ulrich bekämpft eines Tages sogar das Hundegebell im Souterrain, weil er glaubt, die Hunde heulten ihn an.

Wenn man darüber reden kann, kann man die Geschichte ablegen oder einen Stoff daraus bereiten, aus dem die Literatur ist. Im Epilog verschwindet Felice wieder, sie macht sich auf den Weg nach Rio, kann sein, dass es auch nur Stoff ist.
Gabriele Weingartner verschachtelt die Zeitebenen raffiniert in Boxen der Enthüllung und Verpackung. Indem eine Sache klar gelegt wird, verschwindet sie auch schon wieder als Erzählstoff.

Die Figuren leben an manchen Tagen Sätze aus der Weltliteratur nach, das große politische Konfliktgemenge wird heruntergebrochen auf das Individuum, das daran zerbricht. So schreibt Ulrich entscheidende Passagen seiner Therapie sinnigerweise auf die Rückseite von Referats-Entwürfen über den West-Ost-Konflikt. - Eine anspruchsvolle Erzählmethode, die letztlich schlichten Erwartungen des Individuums durch das komplizierte Flusensieb des Intellekts zu pressen.

Gabriele Weingartner, Die Hunde im Souterrain. Roman.
Innsbruck: Limbus 2014. 209 Seiten. EUR 21,90. ISBN 978-3-99039-020-7.

 

Weiterführende Links:
Limbus Verlag
Wikipedia: Gabriele Weingartner

 

Helmuth Schönauer, 11-12-2014

Bibliographie

AutorIn

Gabriele Weingartner

Buchtitel

Die Hunde im Souterrain

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Limbus Verlag

Seitenzahl

209

Preis in EUR

21,90

ISBN

978-3-99039-020-7

Kurzbiographie AutorIn

Gabriele Weingartner wurde in Edenkoben in Deutschland geboren und ist eine Journalistin und Autorin, die vorzugsweise Erzählungen, Romane und Essays schreibt. Sie lebt, nach zwei Jahrzehnten im südpfälzischen St. Martin, seit November 2008 in Berlin.