Joachim Gunter Hammer, Die Schattenflöte

Wenn sich Siebzehn-Silber über das Land legen, naturgemäß silbrig, denkt die lyrische Seele an dieses fernöstliche feine Netz, das dort in Gestalt von Haikus Nächtens über die Hügel gelegt wird.

Joachim Gunter Hammer steckt seinen Kosmos im steirischen Hügelland unter die magische Silbendecke und bestrahlt alles mit poetischen Partikeln, die dem Kürbis den letzten Glanz verleihen.

Oktober 3 // Haikus gedeihen / im Hirnrindenbeet, / im Blau der Kürbis gießt sie. // In welchem Kürbis / rascheln siebzehn Silben und / schütteln die Schreibhand? // Wo ist die Kerze / flackert am Hals der Kürbis / aus Mund und Augen // für Wolfgang Pollanz (71)

Die Haiku-Expertise von Hisaki Hashi aus Tokyo erklärt dieses Unterfangen, die Welt in Siebzehn-Silbern auszulegen. Dabei gilt das Haiku als Hauch des Lebens, der dem Alltag entströmt. Jedes Ereignis wird dabei einmalig und einzigartig, jede Begegnung gilt als unwiederholbar.

Joachim Gunter Hammer versetzt seine Texte in den Rausch der Einmaligkeit, es gibt keine Wiederholung, kein Zurück, als Naturmensch weiß er, dass die biologischen Zyklen ablaufen und transformiert als frische Jahreszeiten auftauchen, wenn man Glück hat.

Thematisch geht es in diesen Silben-Girlanden um Tag und Nacht, Katzenmusik, Schattenweiß, Schutthalde 11, Bockschauen mit dem Wind oder Sternschnuppen am Tag.

Doch auch verderbliche Konsumgüter wie Ketchup, Pinke Mischung oder einfach die Verneigung vor den klosettputzenden Frauen verlieren aufs erste ihre Schwerkraft und verziehen sich hinter einen schrägen Glanz:

Eine trommelt die Toten / in dein Bewusstsein, / sind sie nicht glücklich? (92)

Der poetische Zustand gleicht dem Leeren eines Kruges, wie es gleich zu Beginn pragmatisch vorgeführt wird.

Vom Leeren eines Kruges // Zu lang geschlafen / in einer dunklen Kammer / mit kleinem Wortschatz // Wer trinkt den Durst und fasst / den Wind beim Henkel / und leert die Sonne aus (5)

Auf der Schattenflöte schließlich wird vielleicht das letzte Lied gespielt, das den Horchenden alles über das Leben sagt in unverrückbarer Melodie.

Schattenflöte // Tief steht die Sonne, / auf dem Pflaster dein Schatten, / ihn stimme ich an. // Loch auf und Loch zu, / flöten geht das Licht, /schon wieder wird dein Schatten länger . // Am Höhepunkt der Stille: / Gellende Monde / in Vers und Dingen. // Zu schweigen ist in kalter / Bö, woraus dein Mund / brennend meinen sucht. // Weder außen noch innen / singt die Nacht des Lichts / wenn der Spiegel klar. (126)

Durch Joachim Gunter Hammers Silben nicht von dieser Welt geraten plötzlich auch schwere, irdische, kürbishafte Landstriche in eine Leichtigkeit, die sie jeder Geographie entrücken hinein in eine Jahreszeit, die aus einer Sternschnuppe besteht.

Joachim Gunter Hammer, Die Schattenflöte. 17 Silber. Mit 17 Bildern von Barbara Zoe Sammer
Wien: Verlagshaus Hernals 2015, 131 Seiten, 22,90 €, ISBN 978-3-902975-04-1

 

Weiterführende Links:
Verlagshaus Hernals: Joachim Gunter Hammer, Die Schattenflöte
Wikipedia: Joachim Gunter Hammer

 

Helmuth Schönauer, 04-04-2015

Bibliographie

AutorIn

Joachim Gunter Hammer

Buchtitel

Die Schattenflöte. 17 Silber

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Verlagshaus Hernals

Illustration

Barbara Zoe Sammer

Seitenzahl

131

Preis in EUR

22,90

ISBN

978-3-902975-04-1

Kurzbiographie AutorIn

Joachim Gunter Hammer, geb. 1950 in Graz, lebt Edelstauden.