Didi Drobna, Zwischen Schaumstoff

Im Idealfall schlägt eine bislang unbemerkte Literatur mit Wucht in der Lesercommunity ein und löst Neugierde, Freude und Diskussion aus. Durch die Aktion „Innsbruck liest“ ist heuer der bislang nur Insidern geläufige Roman „Zwischen Schaumstoff“ zu einem Kulturgut für die ganze Stadt geworden.

Im Roman von Didi Drobna geht es ungewöhnlich frech zu, denn die Heldinnen haben ihr Leben noch vor sich und wollen es anders gestalten, als man es ihnen mit diversen Tricks schmackhaft machen will. Die 16-jährige Lisa und die 7-jährige Daisy sind zu Beginn des Romans noch Teil einer Familienaufstellung, die sich aber schon nach den ersten Seiten als Fehlaufstellung erweist. Vater und Mutter schreien sich planlos durch den Haushalt, die Tante kann als Ärztin vermutlich nicht einmal Blutdruck messen und die Oma stirbt einen Sekundentod.

Die beiden Heldinnen fühlen sich wie „zwischen Schaumstoff“, nichts erreicht sie, die Welt ist gedämmt, keine Kanten und Konturen könnten Orientierung verschaffen. Die jüngere der beiden meint, man müsste gleich alt sein, dann könnte man vielleicht etwas bewirken, weil man sich dann ideal verstehen könnte.

So aber schließt Daisy mit einem Abenteurer im Rollstuhl Freundschaft, er bringt ihr das Morsen bei, das hilft gegen Einsamkeit. Lisa hingegen kollabiert und kommt auf eine psychiatrische Station, wo man nichts findet und alles einen Nervenzusammenbruch nennt. Zwischen den Therapie- und Arztstunden freilich spielt es sich auf der Station ab. Über unterirdische Gänge besuchen sich die Klientinnen gegenseitig und feiern Musikorgien und huldigen bewusstseinserweiternden Spielen.

Wenn dann die Familie auf Besuch kommt, ist auch für den Leser nicht mehr feststellbar, welche Welt nun irre und welche kirre macht. Ab einem gewissen Erkenntnisgrad gibt es kein Drinnen und Draußen mehr.

Auf der Suche nach den Wurzeln des familiären Übels stoßen die Mädchen dann auf einen versteckten Brief an den Vater, worin von einem totgeschwiegenen Bruder die Rede ist. Jetzt geht die gekleisterte Idylle restlos zu Bruch, Lisa und Daisy machen sich nämlich auf, jenen Menschen zu suchen, der im Hinterteil ihren Namen trägt.

Kurz vor dem Ziel rufen sie noch einmal zu Hause an und die Eltern verlieren quasi die Besinnung, weil jetzt alles anders wird. Die Heldinnen betreten ihre selbst erarbeitete Zukunft.

Der Roman endet mit einer der ergreifendsten Stelle der Literaturgeschichte: Das Morsealphabet ist aufgeführt. Damit lässt sich jede Hilfe der Welt heranmorsen – skurril und schön!

Didi Drobna, Zwischen Schaumstoff. Roman
Innsbruck: Kulturamt der Stadt Innsbruck 2016, (= Innsbruck liest), 305 Seiten,
[Orig: Wien: edition exil 2014, 307 Seiten, 14,00 €, ISBN 978-3-901899-65-2.]

 

Weiterführende Links:
Edition Exil: Didi Drobna, Zwischen Schaumstoff
Homepage: Didi Drobna

 

Helmuth Schönauer, 06-04-2016

Bibliographie

AutorIn

Didi Drobna

Buchtitel

Zwischen Schaumstoff

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Edition Exil

Seitenzahl

307

Preis in EUR

14,00

ISBN

978-3-901899-65-2

Kurzbiographie AutorIn

Didi Drobna, geb. 1988 in Bratislava, lebt in Wien.