Ludwig Laher, was hält mich

Elementare Fragen lassen sich wenn überhaupt meist nur durch ein Gedicht klären, weil dieses ebenso unvermittelt daher kommen kann wie eine Frage.

In Ludwig Lahers Inschrift „was hält mich“ lässt sich eine Suche nach den Parametern für Orientierung genauso herauslesen wie der beinahe schon finale Seufzer, „was hält mich (noch)“.

In knapp siebzig Gedichten kommen Selbstzweifel, Abtasten der Umwelt, Sortieren der eigenen Absichten wie physikalische Grundgesetze zum Vorschein. Oft unter hohem Druck verdichtet explodieren die Verse geradezu oder entfahren einem gequälten Körper mit einem schrillen Pfiff.

auf freiem feld / stehe ich an: // kein hindernis / außer mir (11) / mit ausladenden schritten / gehe ich mir aus dem weg // längst außer sichtweite erst / drehe ich mich um nach mir (12)

Die Gedichte sind knapp gehalten, als wollten sie eher an eine Wand projiziert werden als in einem Buch verschwinden, sie haben den Charakter von Sprichwörtern, Lebensweisheiten oder aber auch therapeutischen Notizen, mit denen jemand einen aufgekratzten Seelenzustand für nachforschende Überlegungen warm halten möchte.

Die Gedichte tragen keine überflüssigen Überschriften, der erste Worteinsatz ist markant genug, um ihm Charakter und Zitierfähigkeit zu geben, wie sich an der Aufzählung im Inhaltsverzeichnis nachlesen lässt.

„Wegen nichts“ / „zurück“ / „ab und zu“ / „wovon“ / „verstimmt“, wenn man sich in den markanten Laher‘schen Ton eingelesen hat, springen die Texte bereits an, wenn man nur ihre Schlüsselwörter streift.

Natürlich wimmelt es nur so von Meta-Ebenen, Anspielungen und Sub-Tönen. Es wäre frech zu glauben, die Einfachheit des ersten Eindrucks ließe auf etwas Einfaches schließen, im Gegenteil, gerade in der Reduktion steckt die größte Verschränkung. So ist etwa das Motiv der Ruder spätestens seit den Eingelegten Rudern C. F. Meyers ein starker Ansporn für die Entschleunigung einer kochenden Seele.

aus dem ruder / in die quere / aus der quere / in das ruder / aus dem ruder / in die quere (44)

die jahre kommen / und gehen // in die jahre kommen / und gehen (47)

Das Wesen eines lyrischen Ichs, der Schreibvorgang, die Leistung der Lyrik kommen in mehrfachen Denkansätzen zur Sprache.

„ich nahm mein gedicht / aus dem kopf / und ließ es frei: / katzengleich durchstrich es / den verwilderten garten / verlor sich im grün / als ich kurz bei mir war

unaufgezeichnet / wird es bestehen / mich streifen im traum / oder mein kind / mit einem bild / mit einem klang“ (63)

Ludwig Laher spricht die Leser an, indem er ihnen nichts schenkt. Nur wer sich mit sich selbst beschäftigt vermag die Auskunft, die in den Gedichten steckt, abzufragen. - Eine poetisch psychologische Form zur Selbsterkenntnis.

Ludwig Laher, was hält mich. Gedichte
Göttingen: Wallstein 2015, 77 Seiten, 18,00 €, ISBN 978-3-8353-1738-3

 

Weiterführende Links:
Wallstein Verlag: Ludwig Laher, was hält mich
Wikipedia: Ludwig Laher

 

Helmuth Schönauer, 09-09-2015

Bibliographie

AutorIn

Ludwig Laher

Buchtitel

was hält mich. Gedichte

Erscheinungsort

Göttingen

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Wallstein Verlag

Seitenzahl

77

Preis in EUR

18,00

ISBN

978-3-8353-1738-3

Kurzbiographie AutorIn

Ludwig Laher geb. 1955 in Linz, lebt in St. Pantaleon und Wien.

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