Lese-Rechtschreibschwächen bei Kindern

Ein großer Teil der verschiedenen Lernstörungen in der Schule haben eine Lese-Rechtschreibschwäche als Ursache. Die Forschungen zu diesem Phänomens reichen bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts zurück und brachten zahlreiche Hypothesen und unterschiedliche Behandlungsansätze hervor.Was aber die Ursachen der Lese-Rechtschreibschwäche sind, darüber geben Wissenschaftler bis heute keine klare Antwort.

Wurde früher von "Legasthenie" oder "Teilleistungsschwäche" gesprochen, werden heute die Begriffe "Lese-Rechtschreibschwäche" oder "Dyslexie" vorgezogen. Gerade der Begriff Legasthenie ist durch eine Reihe von Gerüchten erheblich vorbelastet. Dr. Heinz Zangerle, Lehrbeauftragter für Legasthenie, Lern- und Verhaltensstörungen an der Pädagogischen Akademie in Innsbruck, nannte 1987 drei Gerüchte, "die - obwohl in der Praxis immer noch lebendig - längst überholt sind:

1. Gerücht:
Legastheniker erkennt man an der Verdrehung und Verkippung von Buchstaben (z. B. d, b). Diese Fehlerart (die übrigens nahezu jedes Kind in der 1. Schulstufe macht) ist aber keineswegs das zentrale Merkmal der Legasthenie. Leider haben sich Generationen von Lehrern und Eltern auf solche Fehler gestürzt und geglaubt, gerade diese Fehler ausmerzen zu müssen. Die Legastheniker-Therapie bestand dann - fälschlicherweise - darin, dem Kind seitenweise entsprechend einseitige Übungen zur Korrektur der Richtung von Buchstaben vorzusetzen.

2. Gerücht:
Legasthenie hängt mit Linkshändigkeit oder mit unausgeprägter Händigkeit zusammen. Im Hintergrund dieser Behauptung stand die Vermutung über die fehlende Dominanz einer Gehirnhälfte über die andere. Wiederum waren die Folgen des Gerüchts für die betroffenen Kinder fatal, da Trainingsprogramme, die eindeutige Seitigkeitsverhältnisse bewirken sollten, viel Zeit und Mühe in Anspruch nahmen, aber das Problem der Lese- und Rechtschreibschwierigkeit nicht behoben.

3. Gerücht:
Legasthenie ist auf eine angeborene Störung im Gehirn zurückzuführen, die erblich bedingt ist. Auch diese Behauptung hat sich als falsch und nicht beweisbar herausgestellt. Im Gegensatz dazu zeigen neuere Erkenntnisse, wie sehr die sprachliche Leistung (einschließlich der Rechtschreibung) eines Kindes von Faktoren wie dem sprachlichen Anregungsgrad der Umgebung (z. B. der Familie), der Qualität des Unterrichts, der Entwicklung und Förderung des Kindes abhängen.
Der pädagogische Fatalismus, welcher sich aus dem Gerücht ergibt, war für die betroffenen Kinder verheerend und reichte vom völligen Verzicht auf jede sprachliche Förderung bzw. auch Forderung bis hin zur Abstempelung als schlechter Schüler."
(Heinz Zangerle, Reizwort Legasthenie. in: Schule und das Leben 5/1987; zitiert nach: Lurger/Oberhammer, Lese-Rechtschreib-Schwäche, S.7)


Heute gehen die meisten Experten davon aus, dass eine Lese-Rechtschreibschwäche auf eine Anzahl zusammenhängender Ursachen zurückgeführt werden kann:

* durch eine sprachlich-phonologische Störung,
* durch funktionale Störungen der Motorik, der Wahrnehmung, oder der
   Informationsverarbeitung
* und durch pädagogisch und psychologisch begründete Störungen

Ein Katalog von Verhaltensauffälligkeiten, der am Pädagogischen Institut für Oberösterreich erstellt worden ist, kann helfen, Schüler mit Lese- und Rechtschreibproblemen frühzeitig zu erkennen.

"Das Kind fällt besonders auf...

 beim Lesen durch:
* Schwierigkeiten beim Zuordnen von Laut und Buchstaben
* Schwierigkeiten beim Zusammenlesen
* Auslassen von einem oder mehreren Lauten
* Hinzufügen eines oder mehrerer Laute
* Umstellen der Buchstaben oder Wortfolgen

beim Rechtschreiben durch
* sinnloses Aneinanderreihen von Buchstaben
* Buchstabenauslassungen (beim Abschreiben oder Diktat)
* Umstellung von Buchstaben- und Ziffernfolgen
* Verwechslung von harten und weichen Konsonanten (g-k,b-p)
* Mehrfachfehler in einem Wort

beim Sprechen durch
* geringen Wortschatz, dürftigen sprachlichen Ausdruck
* Verstöße gegen die Grammatik
* Schwierigkeiten bei der Lautbildung

durch Unbeholfenheit bei der Schreibbewegung

durch sein Verhalten"
(zitiert nach: Lurger/Oberhammer, Lese-Rechtschreib-Schwäche, S.11)


In Tirol gibt es seit Jänner 2005 die Einrichtung "Tiroler Lesekompetenz" des Landesschulrats für Tirol, wo ausgebildete Lesepädagoginnen die Tiroler Volksschulen bei der Leseförderung unterstützen sollen. Mit Hilfe des Salzburger Lesescreenings sollen frühzeitig Schüler mit Lese-Rechtschreibproblemen erkannt und gefördert werden.

 

>> Lese-/Rechtschreibschwäche: Wenn Lesen und Schreiben zum Alptraum wird.

 

Weiterführende Links:

 

Andreas Markt-Huter, 10-10-2006