Veränderung in der Tiroler Zeitungslandschaft

Die Übernahme der Tiroler Lokalzeitungen "Bezirksblätter" und die "Lokalen" durch die führende Tiroler Mediengruppe "Moser Holding" hat den Zeitungsmarkt in Tirol dramatisch verändert.

Bereits bisher gab es an der Dominanz der Moser Holding im Zeitungs- und Informationsbereich durch die Tiroler Tageszeitung nichts zu rütteln. Seit dem Kauf der Print-Zeitungsverlag GmbH welche die "Bezirksblätter Tirol, Salzburg, Niederösterreich und Burgenland" sowie die "Lokalen" umfasst, hat sich deren Vorherrschaft aber massiv verstärkt.

Die Bezirkblätter konnten laut einer Umfrage des Fessel-Instituts in Tirol 2004 mit ihren Ausgaben 82% der TirolerInnen erreichen und lagen damit noch deutlich vor der Tiroler Tageszeitung, die im selben Jahr in Tirol auf eine Reichweite von 61,9 % verweisen konnte. Geradezu klein wirkt dagegen der Anteil der Kronenzeitung, des österreichweiten Marktführers mit 32,2 %. Dahinter wird nach einer Market-Umfrage 2005 die ebenfalls zur Moser-Holding gehörige Tageszeitung Die Neue mit 10,2% angeführt.


Die Moser-Holding konnte mit der Tiroler Tageszeitung ihre führende Stellung im Medienmarkt in den letzten Jahren weiter ausbauen. Seit 2004 versucht sie mit der  Tageszeitung "Die Neue" gezielt ein junges Publikum anzusprechen. Graphik: Moser-Holding

 

Die Anfänge der Bezirksblätter gehen auf eine von Otto Steixner vor fast 20 Jahren gegründete Lokalzeitung zurück. Mit seinen Mitgesellschaftern Lengauer und Moser-Holding gelang es ihm die Bezirksblätter zum größten Gratiszeitungsverlag Österreichs auszubauen. Die Grundidee die dahintersteckt ist genauso einfach wie erfolgreich und baut auf zwei Säulen auf: Einerseits werden die Zeitungen per Post gratis an alle Haushalte verschickt und erzielen dadurch eine für andere Medien unerreichbare Reichweite. Finanziert wird das ganze durch Werbeinschaltungen. Andererseits konzentriert sich das Wochenblatt auf die lokale Berichterstattung, in der Berichte über Schafausstellungen und Geschäftseröffnungen ebenso Platz finden, wie Berichte zur Lokalpolitik.


Die "Bezirksblätter" sind Marktführer in Österreich bei den Gratiszeitungen. Graphik: Bezirksblätter, Mediadaten

 

Bereits vor 2005 war die Moser-Holding mit 50% Anteilen an den Bezirksblättern beteilig. Die restlichen Anteile von Otto Steixner und Peter Lengauer wurden im Mai 2005 von der "Verlagsbeteiligungs GmbH" übernommen. Bei der Gesellschaft handelt es sich um eine Investorengruppe mit Sitz in Innsbruck unter der Führung der Familie Moser. Schlagartig entwickelte sich die Moser-Holding dadurch zum Marktführer bei den österreichischen Gratiszeitungen. Darüber hinaus hat die Moser Holding 50 % und die Inntal Verlags GmbH 24 % am Weekend Magazin Tirol übernommen.


Zu den Medien unter dem Dach der Moser Holding zählen neben den Tageszeitungen Tiroler Tageszeitung und Die Neue, die "Wochenblätter Bezirksblätter" die "Lokalen" und Weekend aber auch das Anzeigenblatt Tiroler Anzeiger, das Internet-Nachrichtenportal "tirol.com" und der Radiosender "Life-Radio". Bild: Moser-Holding - Medien

 

Medienkonzentration und Demokratie

Eine Medienkonzentration wie sie in Österreich und noch stärker in Tirol besteht wirft selbstverständlich demokratiepolitische Fragen auf. Der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier schrieb in seinem Skriptum "Die Inszenierung von Politik in den Massenmedien" über die österreichische Medienlandschaft:

Österreich ist das Land mit der höchsten Pressekonzentration aller westlichen Demokratien. Die Zahl der täglich erscheinenden Zeitungen hat sich seit den 50-er Jahren von 36 (1953) auf 14 (2002) verringert. Auf dem Tageszeitungsmarkt erfolgten nach 1970 lediglich drei Neugründungen (Der Standard 1988, Täglich Alles 1992 - Wiedereinstellung 2000 - und Wirtschaftsblatt 1999). Kommunikationspolitisch latente Probleme - etwa eine Gefährdung der Meinungsvielfalt - bestehen durch den Niedergang von Parteizeitungen6 und die Tatsache, dass aufgrund der geringen Auswahlmöglichkeit mehr als vier Fünftel der Österreicher keinen Tageszeitungswechsel vornehmen.

Meistgelesene Tageszeitung in Österreich ist die Kronen Zeitung mit einer Reichweite von knapp drei Millionen Lesern. Die Kronen Zeitung ist, in Relation zur Bevölkerungszahl von Kleinststaaten abgesehen die mit Abstand meistgelesene Tageszeitung der Welt und trotz der relativen Kleinheit Österreich auch nach absoluten Zahlen weltweit unter den führenden 20 Tageszeitungen (!). Die drei größten Tageszeitungen des Landes - Kronen Zeitung, Kurier und Kleine Zeitung erreichen - bis zu drei Viertel aller Zeitungsleser in Österreich. In den österreichischen Bundesländern verfügen als weiterer Beleg für die Pressekonzentration - Regionalzeitungen, beispielsweise die Tiroler Tageszeitung oder die Vorarlberger Nachrichten, über eine monopolähnliche Stellung.

[...] Wochenzeitungen mit dem Schwerpunkt der Politikberichterstattung gibt es lediglich in 24 Prozent der Haushalte. Andere Zeitschriften sowie lokale Wochenzeitungen verfügen über deutlich größeren Zuspruch. Österreichweite Durchschnittswerte bringen die zunehmende Bedeutung von lokalen Wochenzeitungen als "Bezirksblätter" unzureichend zum Ausdruck, weil die Netto-Reichweiten in Hauptverbreitungsgebieten - den Spitzenwert verzeichnen die Tiroler Bezirksblätter, knapp gefolgt von Wann & Wo in Vorarlberg - bis zu 81 Prozent reichen.
Peter Filzmaier: Die Inszenierung von Politik in den Massenmedien


Medienvielfalt ist Folge und Voraussetzung der individuellen Meinungsfreiheit und untrennbar mit der Demokratie verbunden. Bild: Tibs-Bilderdatenbank, Dieter Draxl

 

Und Matthias Traimer - Leiter der Abteilung für Medienangelegenheiten und Koordinierung Informationsgesellschaft im Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst - bemerkt in seinem Skriptum "Medienkonzentration und Cross-Owner-Ships":

[...] Es ist empirisch belegt, dass eine breite Streuung des Eigentums an Medienunternehmen eine Mindestvoraussetzung für die Selbständigkeit und die Unabhängigkeit der Redaktionen darstellt. Da die ökonomische Konzentration in Form von Medienverbundunternehmen ebenfalls eine Abnahme der publizistischen Vielfalt bedeutet, gilt es beim Thema Medienkonzentration die wechselseitigen Einflüsse von publizistischer und ökonomischer Konzentration zu erfassen. (S. 4)

[...] Medienvielfalt ist ein Wert und Ziel, das demokratischen Rechtsordnungen immanent ist. Medienvielfalt wird als Grundbedingung dafür gesehen, dass Meinungsvielfalt, die zugleich Folge als auch Voraussetzung der individuellen Meinungsfreiheit ist, garantiert wird. Ein wesentliches Gefährdungspotential für die Medienvielfalt wird in Konzentrationstendenzen der Medien gesehen - verringert sich die Vielzahl unabhängiger wirtschaftlicher Medienunternehmen verringert sich zugleich die Vielzahl der den Medienmarkt gestaltenden Meinungs- und Informationsquellen. Dementsprechend finden sich in auf dem Prinzip der Medien- und Kommunikationsfreiheit aufbauenden Rechtsordnungen regelmäßig - wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung - staatliche Interventionsinstrumentarien zur Hintanhaltung bzw. Kontrolle medialer Konzentration. (S. 5)
Matthias Traimer: "Medienkonzentration und Cross-Owner-Ships"


2003 forderte "die staatspolitische Kommission des Nationalrates" unter Präsident Charles-Albert-Antille Maßnahmen, um die Medienvielfalt und Demokratie in der Schweiz sicherzustellen.

 

In der Schweiz, wo die Sensibilität für Medienvielfalt und Demokratie traditionell hoch ist, legte die "staatspolitische Kommission des Nationalrates" 2003 eine parlamentarische Initiative vor, um die Medienvielfalt und das demokratische Grundrecht auf Information weiterhin zu sichern. In der Einleitung des Beschlussentwurfes für den Nationalrat steht zu lesen:

In den vergangenen sechs Jahren hat sich die Zahl der Tageszeitungen von 120 auf unter 100 reduziert, die Zahl der Vollredaktionen gar von 60 auf 40 (vgl. «Tages-Anzeiger», 11.7.2002, S. 63). In Fachkreisen wird spekuliert, dass es im Jahr 2010 in der Schweiz gerade noch neun große Verlagshäuser mit jeweils mehreren Titelgruppen geben wird. Insbesondere auf regionalpolitischer Ebene ist eine Monopolbildung im Medienwesen zu beobachten. Aus staats- und demokratiepolitischer Perspektive ist dieses Ungenügen des Marktes zur Herstellung eines publizistischen Wettbewerbs und einer medienpolitischen Vielfalt problematisch und äußerst bedenklich.

Für eine eigenständige, unabhängige Meinungs- und Willensbildung sind vielfältige, hochwertige und in einem gewissen Wettbewerb zueinander sich befindende Medien notwendig, und zwar nicht nur auf nationaler, sondern auch auf kantonaler und kommunaler Ebene. Im föderalistischen System der Schweiz üben die Gliedstaaten viele Kompetenzen aus.

Umso besorgniserregender ist es, wenn gerade auf dieser politischen Ebene die demokratische Kontrolle der kantonalen Macht aufgrund eines eingeschränkten öffentlichen Diskurses in den Medien beeinträchtigt wird. Es soll deshalb die verfassungsrechtliche Basis geschaffen werden, damit Maßnahmen zur Förderung der Vielfalt insbesondere der regionalen Presse ergriffen werden können. Ziel der Vorlage ist der Schutz demokratiegerechter Öffentlichkeiten auf allen staatlichen Ebenen.
Parlamentarische Initiative Medien und Demokratie. Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 3. Juli 2003

Auf diesen Bericht aus der Schweiz stellt sich die Fragen: Was würden die Schweizer unternehmen, wenn die Zahl der Tageszeitungen nicht von 100 auf 120 sondern auf das österreichische Maß von 14 Tageszeitungen schrumpfen würde? Und für Tirol stellt sich die Frage: Wo werden die Tiroler Leserinnen und Leser über Gefahren und Auswirkungen von Medienkonzentrationen in unserem Land informiert werden?

 

Weiterführende Links:
Extradienst: Otto Steixner und Peter Lengauer verkaufen Bezirksblätter-Anteile
Extradienst: Total lokal

 

Andreas Markt-Huter, 23-08-2005

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