Der Verleger ist derjenige, der alles zusammen hält

Buchverlage sind Medienunternehmen, die Werke der Literatur, Kunst, Wissenschaft u.a. vervielfältigen und verbreiten. Auch wenn in den letzten Jahren die Marktkonzentration auf die großen Buchverlage weiterhin zugenommen hat, spielen gerade Kleinverlage eine zunehmend wichtigere Rolle, um den regionalen Aspekt des literarischen Lebens zu fördern.

Verlage stellen Druckwerke her, schließen mit den Autoren Verträge über die Nutzungsrechte ab und sorgen für die notwendige Bewerbung und den Vertrieb der Bücher. Sie unterscheiden sich nach ihrem Verlagsprogramm, wobei die Schwerpunkte von Belletristik über Kunst, Sprachen, Wissenschaft, Reiseliteratur, Schulbücher bis hin zu speziellen Verlagen für Lexika und Nachschlagwerken reichen können.

Die Bezeichnung verlegen bedeutete im Mittelalter Geld ausgeben, also etwas auf eigene Rechnung übernehmen. Ein Buchverlag erwirbt dabei üblicherweise das Nutzungsrecht am Werk eines Autors, der dafür eine Vergütung und / oder einen Gewinnanteil an den verkauften Büchern erhält. Die Kosten für den Druck, die Werbung und die Verbreitung des Buchs werden vom Verlag übernommen, dem dafür die Einnahmen aus dem Verkauf zustehen.

Es gibt Buchverlage mit nur ein oder zwei Personen, von denen dann sämtliche Arbeitsschritte selbst durchgeführt werden müsse. Bei großen Verlagen werden die verschiedenen Aufgaben wie Lektorat, Marketing, Werbung, Vertrieb, Lager u.a. von eigenen Abteilungen wahrgenommen.

Geführt wird der Verlag vom Verleger, der vor allem für die wirtschaftliche Seite des Unternehmens sowie für die grundsätzliche Ausrichtung des Verlags und seines Programms verantwortlich ist.

Der Kyrene.Literaturverlag ist ein Tiroler Kleinverlag, den der Verleger und Autor Martin Kolozs führt. Das literarische Programm des Verlags wird in verschiedenen Reihen publiziert:

  • junge Autoren (zeitgenössische Literatur)
  • alte Autoren (Nachlaßverwaltung)
  • junge Leser (Kinder-/Jugendbuch)
  • Jerusalem (Texte zur Religion und Philosophie)
  • Tiroler Identitäten

Lesen in Tirol hat den Verleger Martin Kolozs besucht und ihn nach den Anfängen seines Verlags, seiner Tätigkeit als Verleger aber auch nach seiner Sicht über die Aufgaben eines Verlegers befragt.

 

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Lesen in Tirol: Erzählen Sie uns ein wenig über ihren Werdegang als Verleger?

Martin Kolozs: Ich habe mich schon früh für das gedruckte Wort interessiert. Am Anfang war ich vor allem von Zeitungen und Magazinen gefesselt und habe bereits im Alter von 18 Jahren damit begonnen, für verschiedene Zeitungen zu schreiben. Begleitet war dieses Interesse natürlich auch von einem Hauch Romantik, nämlich ein Medium zu schaffen, das Klartext spricht.


Die Idee einen Verlag zu gründen ist wie ein Pflänzchen heran gereift, bis wir uns spontan entschlossen haben, diesen Schritt zu wagen. Wir sind dann über Nacht zu Verlegern geworden. Foto: Markt-Huter

Gemeinsam mit meinem damaligen Kompagnon Bernd Schuchter, der heute den Limbus-Verlag leitet, habe ich mir durchgerechnet, wie viel Kapital wir für die Herausgabe eines Magazins benötigen würden. Das hat uns sehr rasch wieder auf den Boden der Realität zurück geführt und uns diese Idee aufgeben lassen.

Der Wunsch aber, etwas herauszugeben, ist geblieben und hat uns beide nicht mehr losgelassen. Lange Gesprächen und Diskussionen, sowie die jahrelangen Kontakte zu Autoren wie Elias Schneitter, Hans Augustin oder Helmuth Schönauer haben uns schließlich inspiriert einen Verlag zu gründen.

Da wir beide selbst geschrieben haben, wussten wir, dass es in Innsbruck relativ wenige Veröffentlichungsmöglichkeiten für regionale Autoren und Nachwuchsschriftsteller gibt. Und genau auf diese Zielgruppe von Autorinnen und Autoren wollten wir uns ursprünglich konzentrieren.

Die Idee, einen Literaturverlag zu gründen, hat dann aber noch ein paar Jahre benötigt, um wie ein Pflänzchen heranreifen zu können, bis wir uns eines Nachmittags ganz spontan dazu entschlossen haben, diesen Schritt zu wagen. Wir sind in die Wirtschaftskammer gegangen und haben das Verlagsgewerbe für uns eröffnet. Das war es dann und wir waren über Nacht zu Verlegern geworden.

Ab diesem Zeitpunkt ist es Schlag auf Schlag gegangen. Durch die zahlreichen Kontakte, die ich bereits früher zu bekannten regionalen Autoren knüpfen habe können, sind rasch Manuskripte an uns herangetragen worden, die wir herausgeben konnten.

Lesen in Tirol: Was waren die ersten Bücher, die im Verlag erschienen sind?

Martin Kolozs: Das erste Buch, das wir veröffentlichen wollten, war das Buch Georg Trakl, Am Moor, welches dann aber letztendlich nur unser zweites oder drittes Buch wurde, nachdem sich die Bearbeitung als unerwartet zeitaufwendig erwiesen hatte. Von seiner Qualität her konnte sich unser Verlag mit Am Moor aber einen guten Namen machen.


Der Tiroler Autor Helmuth Schönauer (Bild links) brachte dem Kyrene-Verlag mit seinem Buch Bürger, Metzger, Meisterin ein großes Medienecho ein. Foto: Markt-Huter

Das Buch Bürger, Metzger, Meisterin von Helmuth Schönauer hat uns hingegen ein unglaubliches Medienecho eingebracht. Wir waren selbst überrascht, wie weitläufig sich das Buch verbreitet hatte, sodass die Nachfrage schließlich für drei Auflagen mit insgesamt ca. 1.000 Stück ausreichte. Unser Verlag stand mit diesem Buch urplötzlich im Mittelpunkt der Wahrnehmung, was für unseren neuen Verlag einerseits sehr gut war, uns aber andererseits bei der Stadt naturgemäß keine allzu große Sympathie eingebracht hatte. Außerdem haben wir mit dem Buch unseren Verlag thematisch in ein Eck gerückt, aus dem wir uns erst wieder mühsam herausarbeiten mussten.


Lesen in Tirol: Wie hat sich die Verlagsarbeit in Folge weiter gestaltet?

Martin Kolozs: Die weitere Verlagsarbeit ist danach eigentlich kontinuierlich weiter gegangen. Wir haben mit einem sehr schmalen Programm angefangen und im ersten Jahr vier bis sechs Bücher im Jahr herausgegeben. Nach dem ersten Verlagsjahr aber haben Bernd Schuchter und ich unsere Zusammenarbeit beendet. Seither führe ich den Verlag alleine weiter.

Nach dieser Trennung ist die Arbeit zwar nicht besser gegangen sondern hat sich einfach anders dargestellt. Ich habe mich von manchen Autoren getrennt und andere neu in den Verlag aufgenommen.

Mittlerweile besteht der Kyrene-Verlag schon das siebte Jahr und ich veröffentliche jedes Jahr im Durchschnitt 15 Bücher. Zwölf davon in den Literatur-Editionen und drei in der Reihe Tiroler Identitäten.

Lesen in Tirol: Wie sehen sie sich selbst als Verleger in einem Kleinverlag?

Martin Kolozs: Ich fühle mich immer wieder privilegiert, auch wenn es eine Arbeit ist, die für einen persönlich finanziell wenig abwirft. Das hängt damit zusammen, dass wir uns als Kleinverlag sehr stark in der Nachwuchsförderung engagieren. Wir arbeiten dabei zwar mit talentierten und in ihrer Region bekannten Autoren zusammen, die im überregionalen Buchmarkt aber meist nur wenig Interesse finden.

Ein Kleinverlag darf freilich nicht nur mit Nachwuchsförderung zu tun haben. Es ist auch im Interesse der Nachwuchsautoren immens wichtig, einen Schlüssel zum Buchhandel und zu den Medien zu haben. Auch wenn sich diese vielleicht für die regionalen Erscheinungen interessiere, wollen sie im gesamten Verlagsprogramm aber auch den einen oder anderen klingenden Namen sehen.


Der Verleger ist oft der erste Außenstehende, der den Texte einer Autorin oder eines Autors lesen bekommt. Kritik, Änderungsvorschläge oder Ablehnung können in diesem sehr sensiblen, emotionalen Bereich immer wieder zu Spannungen und Auseinandersetzungen führen. Foto: Markt-Huter

Ich habe hier das Glück, dass sich einige namhafte Autoren vom kleinen, familiären und regionalen Aspekt des Verlags angezogen fühlen. Ich möchte hier gerne den bekannten Schweizer Jugendautor Werner J. Egli erwähnen, der uns in dieser Hinsicht immer unterstützt und Bücher bei uns verlegt hat. Als weiterer namhafter Autor wäre Herbert Rosendorfer zu nennen, der durch einen großen Zufall zum Kyrene-Verlag gekommen ist und der im kommenden Jahr ein zweites Buch bei uns machen wird.

Zum Essay Wo Gott wohnt von Kurt Fallnbügl konnten wir Elfriede Jelinek dafür gewinnen, ein Nachwort zu schreiben. Wir sind ihr dafür natürlich sehr dankbar, rückt durch ihren Namen der Verlag doch wieder verstärkt ins Blickfeld der Wahrnehmung und kann innerhalb des Literaturbetriebs punkten. Das ist sehr wichtig für das Renommee eines Verlages, weil dadurch gleichzeitig viele andere unserer Autoren aufgewertet werden.

Mit steigendem Renommee übernimmt ein Verlag aber auch die Verantwortung, nicht irgendwelche x-beliebigen Texte anzunehmen, sondern bereits bei den jungen Autoren eine strenge Auswahl zu treffen.

Lesen in Tirol: Wie sieht die Arbeit des Verlegers mit den Autorinnen und Autoren aus?

Martin Kolozs: Ich halte ständig nach Talenten Ausschau und versuche ganz bewusst mit diesen jungen Autorinnen und Autoren immer gleich mehrere Bücher zu machen. Nur dadurch kann eine gewisse Kontinuität in der Zusammenarbeit zwischen Autor und Verlag entstehen. Ein Verlag, der ständige seine Autoren wechselt, vermittelt nach außen schnell den Eindruck der Willkürlichkeit. Es erweist sich als sinnvoll Hausautoren zu haben mit denen man alle zwei bis drei Jahre ein Buch neues herausgeben kann. Die richtige Anzahl an Autoren, die sich auch gut betreut lässt, pendelt sich im Laufe der Jahre ein.

Bei der Arbeit mit den Autoren bewegt man sich in einem sehr sensiblen, emotionalen Bereich, wo man nicht selten verletzt wird oder selber verletzt. Mit den Texten erhalten Verleger von einem Autor immer etwas sehr persönliches, was ansonsten bis auf das familiäre oder freundschaftliche Umfeld meist noch niemand zu Gesicht bekommen hat. Der Verleger ist oft der erste Außenstehende, der einen Text zu lesen bekommt. Dass dieser dann noch dazu Kritik und Vorschläge oder Ablehnung äußert, kann natürlich immer wieder zu Spannungen und Auseinandersetzungen führen.

Man muss lernen, mit den verschiedenen Leuten umzugehen, aber auch, wie weit man sich von den Forderungen von anderer Seite beeinflussen lässt. Hier erweist es sich als wichtig, sehr rigoros zu sein. Verleger haben in dieser Hinsicht zumeist keinen wirklich guten Ruf. Viele Autoren übersehen dabei, dass der Verleger nicht nur derjenige ist, der den Text annimmt, sondern auch derjenige, der alles zusammen hält. Er muss sich mit den Wünschen und Anliegen des Autors, des Lektors, des Graphikers, der Medien und des Buchhandels auseinandersetzen und darf die einzelnen Bereiche und Einzelinteressen nicht aus dem Auge verlieren.


Der Verleger ist derjenige, der alles zusammen hält und der die Wünschen und Anliegen der einzelnen Bereiche und Einzelinteressen nicht aus dem Auge verlieren darf. Foto: Markt-Huter

Lesen in Tirol: Gehen Ihnen Auseinandersetzungen mit Autoren auch persönlich nahe?

Martin Kolozs: Wenn der Verleger mit seinen eigenen Richtlinien lax umgeht, lässt sich das ganze Verlagsprojekt nicht lange zusammenhalten. Ich selbst bin daher jemand, der eher streng ist, wenn es um die Richtlinien des Verlags geht.

Manchmal, wenn man Leute enttäuschen muss, geht das Ganze einem aber doch recht nahe. Das geschieht gar nicht mutwillig, sondern hat meist einen guten Grund. Es ist manchmal notwendig, den Einen zu enttäuschen, um dafür zehn andere auf dem gleichen literarischen Niveau zu halten. Es können einem Autor nicht Zugeständnisse ohne Zahl gemacht werden, die einen anderen wieder benachteiligen. Hier darf der Blick für das Gesamte nicht verloren gehen. Dass dabei manchmal bei den Autoren Tränen fließen oder man selbst sogar mit Klagen bedroht wird, ist nicht ganz unverständlich. Aber auch hier entwickelt sich mit der Zeit eine gewisse Routine.

Lesen in Tirol: Wie schaut ihr Alltag als Verleger aus?

Martin Kolozs: Der Arbeitsablauf in einem Verlag hängt vor allem von der Größe des Verlages ab. In einem kleinen Verlag, wie es der Kyrene-Verlag ist, macht man als Verleger die meisten Arbeiten selber. Je größer der Verlag ist, desto mehr Arbeitsteilung ist nötig und möglich. Ich selbst beschäftige für verschiedene Bereiche freie Mitarbeiter, wie z.B. für graphische Arbeiten, die nach einem vorgegebenen Schema durchgeführt werden und für die ich selbst keine Zeit haben. Daneben gebe ich auch das Korrektorat, also das Suchen nach Tipp- und Rechtschreibfehlern, sowie administrative Tätigkeiten, wie z.B. das Melden der Bücher über den Buchhandel und ähnliches an freie Mitarbeiter ab.

Insgesamt ist die Arbeit eines Verlegers ziemlich breit gefächert, muss er es doch sein, der alle Fäden zusammen hält.

Lesen in Tirol: Wie würden sie für sich, das Bild eines Verlegers beschreiben?

Martin Kolozs: Der Verleger Heinrich Rowohlt hat von sich selbst immer als Vater einer Familie gesprochen. Dies entspricht auch meinem Bild eines Verlegers. Dabei kann dieser Vater manchmal auch durchaus tyrannische Züge aufweisen. Den Verleger sehe ich als jemanden, der ein Gespür für Menschen hat, die auf dem Gebiet des Schreibens talentiert sind. Diese versteht er um sich zu scharen, bei sich zu halten und zu fördern.


Ein Verleger muss ein Profil für den Verlag schaffen, das er konsequent verfolgt und von dem er glaubt, dass es sich finanziell lohnen wird. Foto: Markt-Huter

Ein Verleger, wie ich ihn sehe, begnügt sich nicht nur mit den Texteinsendungen, die er erhält, sondern beobachtet auch ganz genau den Literaturbetrieb. Er liest Literaturzeitschriften, besucht Literaturfestivals und Lesungen und stöbert auch bei anderen Verlagen hinein, schaut, wer dort wie und was schreibt, um manchmal auch ganz gezielt Autoren anzusprechen. Dabei wird der Pool an Autoren eines Verlags einerseits erweitert, andererseits werden manche Autoren den Verlag aber auch wieder verlassen.

Es gibt Autorenverlage, die alle Texte zur Veröffentlichung nehmen, wo sich die Autoren aber selbst um die Druckkostenzuschüsse kümmern müssen. Der Kyrene-Verlag sorgt selbst für die Finanzierung eines Buches, die aus Drittmitteln oder aus dem eigenen Budget erfolgt. Hier ist es nun wichtig als Verleger ein Profil für den Verlag zu schaffen, das er konsequent verfolgt und von dem er glaubt, dass es sich als finanziell lohnend erweisen wird.

Der Verleger trifft die Entscheidung, was er in sein Verlagsprogramm aufnehmen will und wie der Verlag von Außen wahrgenommen werden soll. Dieses Verlagsprofil gilt es konsequent zu transportieren, wozu der Auftritt des Verlags auf der Verlagshomepage ebenso gehört, wie die Verlagsfolder oder die Symbole des Verlags.

Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit ist es neben der Medienbearbeitung aber auch wichtig, mit den Medienvertretern in persönlichen Kontakt zu treten und sich für deren Arbeit zu interessieren. Es genügt nicht einfach nur einen Newsletter zu verschicken und zu glauben, dass jetzt alle daran auch interessiert sind. Kurz gesagt, es ist auch hier wichtig, ein Netzwerk zu Vertretern der Medien zu spannen.

Neben der Autorenbetreuung und Öffentlichkeitsarbeit muss der Verleger aber auch der Repräsentant des Hauses sein, das heißt er gibt in der Öffentlichkeit Auskunft über den Verlag als Gesamtes. Er ist der erste Ansprechpartner und trifft sämtliche Entscheidungen und ist für alles zuständig z.B. ob das Buch als Hardcover- oder Softcoverausgabe erscheinen wird, wann das Buch herauskommt und wie teuer es sein wird. Je mehr Mitarbeiter in einem Verlag arbeiten, umso mehr Aufgaben können verteilt werden. Am Ende laufen aber auch in den großen Verlagen alle Fäden wieder beim Verleger zusammen.

Lesen in Tirol: Wie gestaltet sich das Lektorat im Rahmen ihrer Verlagsarbeit?

Martin Kolozs: Das kommt auf die Art des Textes an. Bei Lyrik beschränke ich mich als Verleger auf die Auswahl der Texte, weil Lyrik in ihrer Einfachheit ganz schwer zu bearbeiten ist. Dabei meint Einfachheit nur der Umfang der Texte. Im Bereich der Lyrik muss ich mich als Verleger einfach auf mein Gefühl vertrauen und dem Autor erklären, dass der eine Text ins Verlagsprogramm passt und der andere vielleicht nicht. Ansonsten werden am Text nur Tippfehler und ähnliches geändert, wobei auch hier immer wieder zu klären ist, ob bestimmte Schreibweisen nicht bewusst gesetzt worden sind. Etwas Ähnliches gilt auch für wissenschaftliche Texte. Hier treten vielleicht Fragen nach der Korrektheit von Zahlen oder Darstellungen auf.


Als Verleger muss man die Geduld haben, um Dinge anzusprechen und zu diskutieren, wobei das Gesamterscheinungsbild des Verlages berücksichtigt werden muss. Foto: Markt-Huter

Bei Erzählungen, Novellen, Romanen etc. wird die Arbeit am Text schon umfangreicher und strenger begutachtet. Hier gibt es ein Lektorat mit anschließender Lektoratssitzung, wo ich mich mit den Autoren zusammen setze, um den Text Punkt für Punkt zu diskutieren. Dabei werden Streichungen angeboten und manchmal sogar verlangt, wenn beispielsweise ein Text in bestimmter Hinsicht zu weit geht oder Ausdrücke verwendet werden, die aus Sicht des Verlages nicht gut geheißen werden können.

Das Lektorat hängt natürlich auch von den Autoren ab, wie pragmatisch sie an die Arbeit herangehen. Auch wenn ihnen ihr Text nicht egal ist, nehmen manche Autoren Änderungsvorschläge trotzdem recht positiv auf. Sie vertrauen mir als Leser, dass ich nur Änderungsvorschläge unterbreite, die dem Buch gut tun.

Schwierigere Autoren müssen hingegen oft erst in langen Gesprächen überzeugt werden, dass z.B. bestimmte Textstellen nicht wirklich gelungen sind. Aber auch dies gehört zur Autorenbetreuung: sich Zeit nehmen und die Geduld haben, um Dinge anzusprechen und zu diskutieren.

Das gleiche gilt aber nicht nur für Texte sondern auch für Coverentwürfe, wo jeder sein eigenes ästhetisches Gefühl mit einbringt. Als Verleger muss man vor allem berücksichtigen, dass alle Bücher mit dem Gesamterscheinungsbild des Verlages harmonieren.

Lesen in Tirol: Wie sieht das Lektorat in ihrem Verlag konkret aus?

Martin Kolozs: Wir bieten derzeit drei Formate an, von denen zwei der Literatur vorbehalten sind. Die Arbeit am Text nimmt eigentlich die meiste Zeit der Verlagsarbeit in Anspruch. Zunächst wird ein Manuskript angelesen und entschieden, ob es grundsätzlich interessant ist oder nicht. Hat man sich für einen Text entschieden, wird er mehrmals gelesen und mit den ersten Anmerkungen versehen, die mit dem Autor besprochen werden. Dieser arbeitet dann den Text entsprechend um und bringt ihn wieder an mich zurück.

So geht das Ganze mehrmals hin und her. Wenn einmal das fertige Manuskript steht, geht die weitere Arbeit relativ schnell. Der Text wird dem Korrektor weitergeleitet, danach kommt er zum Satz, um anschließend wieder vom Korrektor auf letzte Fehler untersucht zu werden. Am Schluss kommt der Text in die Druckerei. Insgesamt werden für das Lektorat und den Druck jeweils ca. 2-3 Monate benötigt.

Lesen in Tirol: Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, ob ein neuer Text für den Verlag interessant ist oder nicht?

Martin Kolozs: Das lässt sich nicht so einfach sagen. Ich muss dazu vorausschicken, dass es sich bei den meisten Texten um unaufgeforderte Texteinreichungen handelt. Wir erhalten täglich zwei bis drei neue Manuskripte unaufgefordert in Haus geliefert, was einer Anzahl von 600 - 700 Manuskripten im Jahr entspricht. Das ist nicht gerade eine kleine Menge.

Bei den unaufgeforderten Manuskripten eignen sich aber die Wenigsten zur Veröffentlichung. Eine der Ursachen dürfte darin liegen, dass den meisten dieser Autoren der Literaturbetrieb fremd ist und sie daher nicht wissen, dass es mit einer Texteinreichung allein, nicht getan ist.

 
Der Kyrene-Verlag erhält täglich zwei bis drei neue Manuskripte unaufgefordert in Haus geliefert Das entspricht einer nicht geraden kleinen Anzahl von 600 - 700 Manuskripten im Jahr. Foto: Markt-Huter

Solche Texte müssen allein aufgrund ihrer großen Menge relativ schnell beiseitegelegt werden. Dabei kann es sicherlich auch passieren, dass der eine oder andere passable Text übersehen wird. Die meisten Texte, die ein Verlag schlussendlich veröffentlicht, werden im Verlag selbst erarbeitet. Das können Autoren sein, die bereits für den Verlag gearbeitet haben und die vom Verleger angeregt und ermutigt werden, ein neues Buch zu schreiben. Ein anderer Weg besteht darin, als Verleger aktiv nach Autoren zu suchen, z.B. bei Lesungen oder Literaturfestivals.

Die Auswahl der Texte hingegen ist relativ einfach, weil das bisher publizierte Programm die Verlagsrichtung vorgibt, die in kleinen Verlagen natürlich sehr vom persönlichen Geschmack des Verlegers abhängt. Dieser kann sich auch ab und zu mal erlauben Texte zu publizieren, die in anderen Verlagen keine Veröffentlichung finden würden. Ein größerer Verlag wird sicherlich mehr Zugeständnisse an den Markt machen, als ein Nischenverlag, aber auch kleinere Verlage müssen das eine oder andere Buch vorweisen, das am Buchmarkt wahrgenommen wird.

Lesen in Tirol: Welche Ratschläge würden Sie als Verleger jungen Autorinnen und Autoren geben, die ihre Texte in einem Verlag veröffentlichen wollen?

Martin Kolozs: Ein Tipp den ich geben kann: Wenn man sich für Bücher interessiert, muss man sich für alles am Buch interessieren. Das heißt aufmerksam schauen, wo sind meine Buchhandlungen, wo sind meine Ansprechpartner, wie wird ein Buch vertrieben, welche Beziehungen zu Medien lassen sich herstellen und wo kann ich meine Texte vortragen, um ihre Wirkung beim Publikum auszuprobieren.

Es ist wichtig den Literaturbetrieb kennen zu lernen und sich darin einen Wirkungskreis zu erarbeiten. Vor allem aber sollte man nicht glauben, dass das erste Buch bereits ein Erfolg wird. Dazu gehört auch ständiges Üben, nicht aufgeben und nötigenfalls auch lästig sein mit seinen Anliegen.

Der allergrößte Fehler den junge aber auch schon versiertere Autoren in der heutigen Zeit des Buchhandels und Verlagswesens machen können, ist zu glauben, dass mit dem Schreiben des Textes bereits alles getan wäre. Ein Buch kann, wenn man nicht gerade ein Bestsellerautor ist, allenfalls eine bessere Visitenkarte sein. Was einen Autor heute ausmacht und erfolgreich macht ist vor allem sein Auftreten.


Nicht nur von seinen Autorinnen und Autoren erwartet sich der Verleger Martin Kolozs intensiv die eigenen Bücher zu bewerben und zahlreiche Lesungen zu bestreiten, auch er selbst ist sehr aktiv im Literaturbetrieb vertreten. 
Foto: Markt-Huter

In einer dermaßen visualisierten Welt wie heute, muss der Autor in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Ich kenne genügend Autoren, die ihre Bücher in mittelgroßen und großen österreichischen und sogar deutschen Verlagen veröffentlichen, die dann mit 2.000 - 3.000 Stück verkauft werden. Aber was bedeutet diese kleine Auflage, bei einer potentiellen Leserschaft von vielleicht 50 Millionen Menschen: Nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Lesen in Tirol: Ist es aber nicht gerade für Autoren, die am Anfang stehen, sehr schwer in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden.

Martin Kolozs: Das sehe ich nicht so. Ein in der Stube sitzender Poet wird den Weg zur Öffentlichkeit sicherlich nicht schaffen. Es ist daher wichtig, sich schon von vornherein in der Buchszene zu bewegen. Eine meiner Standardfragen an junge Autoren ist: In welchen Kreisen bewegen sie sich? Wenn ich dann höre, dass jemand eigentlich niemanden kenne, auch niemand davon weiß, dass er schreibe und lediglich Mama und Papa die Texte schon einmal gelesen haben, sehe ich Schwierigkeiten für eine Zukunft als Autor. Es ist fast nicht möglich, einen Autor aus dem Nichts neu aufzubauen. Das ist sehr kostspielig und lohnt sich nur, wenn bereits ein Text auf dem Tisch liegt, der sehr viel versprechend ist.

Lesen in Tirol: Wenn ein Buch schließlich veröffentlicht ist, wie geht es dann weiter?

Martin Kolozs: Viele Autoren glauben, wenn sie es geschafft haben ein Buch zu veröffentlichen, sei die Arbeit damit getan. Das Gegenteil ist der Fall. Jetzt fängt die Arbeit eigentlich erst so richtig an. Nun heißt es, hinter dem eigenen Buch zu stehen, Lesungen zu machen und auch selbst aktiv zu organisieren.

Ich vertrete derzeit ca. 40 Autoren, für die ich jährlich an die 80 Lesungen organisiere. Das heißt, dass für Buchneuerscheinungen sowie bekanntere Bücher nicht mehr als 1 - 2 Lesungen möglich sind. So wenige Lesungen bringen einem Buch aber nicht allzu viel. Der Autor muss daher selbst die Initiative ergreifen, eigene Lesungen veranstalten und Pressekontakte pflegen, um sein Buch einer Öffentlichkeit vorzustellen.

Ein kleiner Verlag kann nicht tausende von Euros in die Öffentlichkeitsarbeit für einen Autor investieren, wenn schon die Finanzierung des Buches selbst nur unter Schwierigkeiten möglich ist. Der Verleger muss daher bei seinen Autoren die Kooperation und den entsprechenden Einsatz für das Buch einfordern.

Lesen in Tirol: Welchen Verantwortung haben Verlage für die Leseförderung im Allgemeinen?

Martin Kolozs: Prinzipiell sollte die Leseförderung eine der wichtigsten Anliegen für Verlage sein. Aus einem einfachen Grund: Kinder die gerade Lesen lernen und die Jugendlichen, bei denen das Interesse am Lesen geweckt wird, sind die Buchkäufer der Zukunft. Wenn ich es heute vernachlässige, junge Menschen für Bücher zu begeistern, dann sind das jene, die in zwanzig Jahren ihr Geld lieber fürs Kino als für Bücher ausgeben werden. Nachdem der Anteil der Leserschaft an und für sich schon eher gering ist, sollte man diesen Prozentsatz nicht noch kleiner werden lassen.


Ich denke, es ist wichtiger, zuerst die Lust am Lesen zu steigern und dann erst die Inhalte  vor zu geben. Der Lustfaktor spielt beim Lesen eine entscheidende Rolle. Was lässt sich schon erreichen, wenn man jemanden zum Lesen zwingt? Foto: Markt-Huter

Es gilt daher ganz grundsätzlich, nicht nur für die eigenen Bücher, sondern überhaupt für das Lesen im Gesamten Interesse zu wecken. Ich mache in diesem Zusammenhang sehr viele Veranstaltungen, die einfach mit dem Lesen zu tun haben. Dazu gehören Interviews mit bekannten Autoren, die im öffentlichen Rahmen stattfinden oder auch die Veranstaltung eines literarischen Quartetts. In diesem Fall spricht man zwar als Verleger, aber nicht für das eigene Programm, weil es vor allem darum geht, aufzuzeigen, dass Bücher im Allgemeinen etwas Wertvolles sind.

Lesen in Tirol: Welche Möglichkeiten haben Verlage das Lesen an den Schulen zu fördern?

Martin Kolozs: Ich schätze das Leseverhalten gegenwärtig als erschreckend niedrig ein. Das heißt, alles was mit Leseförderung zu tun hat, ist die beste Investition, die einem als Verleger passieren kann. Wir als Verlag versuchen für diesen Bereich Angebote zu erstellen, die über den Landesschulrat an die Schulen weiter gegeben werden können. Dazu bieten wir Autoren an, die an Schulen eingeladen werden können. Auch ich selbst gehe in meiner Funktion als Verleger zwei bis dreimal im Jahr an Schulen, wo ich einfach erzähle, wie der Buchhandel und das Verlagswesen so funktionieren.

Es gibt außerdem Einladungen zu Workshops für Jugendliche, die ich immer wieder gerne annehme. Ich denke mir, wenn es gelingt, Kindern und Jugendlichen auf sympathische Art und Weise eine Begeisterung fürs Lesen zu wecken, dann schafft man sich dadurch in weiterer Folge die kommende Lesergeneration. Was aber nicht heißen soll, dass ich die jungen Leute nur als künftige Melkkuh betrachte.

Lesen in Tirol: Wie kann man junge Menschen zum Lesen bewegen?

Martin Kolozs: Wenn man mit jungen Leuten spricht, scheint es mir wichtig, ehrlich zu sagen, dass Lesen kein Honiglecken sondern Arbeit ist, die aber Spaß machen kann. Meine Oma hat mir einmal gesagt: Die ersten Tausend Bücher sind nur Arbeit. Danach liest du gerne oder nicht. Und es stimmt. Man muss sich durch die Bücher zuerst durchkämpfen, man muss das Lesen trainieren. Nur weil man die Buchstaben kennt, heißt das noch lange nicht, dass man auch Lesen kann. Der Genuss stellt sich erst ein, wenn man das Lesen auch gut beherrscht.

Es gibt aber auch viele Texte, die einfach keinen Spaß beim Lesen machen. Gerade im schulischen Bereich denke ich mir, dass der hehre Hoheitsanspruch der klassischen Literatur, der von manchen Lehrern hochgehalten wird, doch auch viel kaputt machen kann. Wer gerne liest, stößt irgendwann von ganz allein auf die klassische Literatur. Ich denke, es ist wichtiger, zuerst die Lust am Lesen zu steigern und dann erst die Inhalte vor zu geben. Der Lustfaktor spielt beim Lesen eine entscheidende Rolle. Was lässt sich schon erreichen, wenn man jemanden zum Lesen zwingt?

Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Interview!

 

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Rezensionen von Buchtiteln aus dem Kyrene-Verlag, erschienen auf Lesen in Tirol:

 

Kurt Fallnbügl
Wo Gott wohnt

 

Monkia Pelz
Someone

 

 

Hans Augustin
Der im brennenden Dornbusch
Und wohnt mitten unter uns

 

Wolfgang Falch
Die Geschichte einer Tötung
  Paula Peh Gelbke
Angeschossen
 

 

Harald Gordon
Schussfeld 

 

Arno Heinz
Schwindelfrei im Lichtermeer
  Ursula Haas
Drei Frauen
 

Herbert Rosendorfer
Dem Mann kann geholfen werden

 

Xóchil A. Schütz
Was ich nie mehr sagen will zu Mickey Rourke
  Otto Grünmandl
Pizarrini
 

Klaus F. Schneider
Umgehung der Anhaltspunkte

 

Klaus Rinner
Dr. Stegers Herzensverdruss
in sechs Tagen
  

 

  Georg Trakl
Am Moor
  Julian Schutting
Katholisch geblieben
Magdalena Kauz
der Hut, das Wasser, die Liebe 
  Werner J. Egli
Without a horse
 

Hubert Flattinger
Als ich Lord Winter war
Liftboy

 

Hansjörg Schertenleib
Tauchstation

 

  Elias Schneitter
Zu guter Letzt
  Ilse Irmtraud Scherr
Mord auf Long Island

Stadttheater Innsbruck (Hg.)
Ars vitae et mortis

 

 

Alexander Peer
Land unter ihnen

  Erich Ledersberger
Maria fährt

Urwerk
Innsbrucker Sommertheater 2004

  Lina Hofstädter
Ausapern
Bergiselschlachten
 

 

         

 

>> Zum Beitrag: Selbst wenn ich nicht schreibe, bin ich trotzdem Dichter

 

Weiterführende Links:

 

Andreas Markt-Huter, 19-02-2010

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