Cornelia Travnicek, Parablüh

cornelia travnicek, parablühBesonders schöne Kurven gelingen in der Mathematik immer, wenn man sie als Ableitungen ausführt. Zuerst wird die Wirklichkeit auf der ersten Ebene vermessen, daraus lassen sich dann diverse Ableitungen ziehen, die die besondere Wirklichkeit aus einer Wirklichkeit herausdestillieren.

Das poetische Projekt Parablüh ist eine sogenannte Ableitungslyrik. Cornelia Travnicek zieht aus einer bereits lyrisch gezogenen Konsequenz eine weitere. Über die Gedichte der Sylvia Plath werden dabei Monologe gespannt. Sylvia Plath (1932-1963) gilt nicht zuletzt wegen ihres Suizids als Ikone für eine Literatur, die zu Lebzeiten nicht verstanden werden kann. Umso heftiger setzen sich mittlerweile ganze Generationen mit ihr auseinander, um sich mit ihr zu solidarisieren und ihr ein posthumes Farewell zu setzen.

„Plathistinnen“ werden beim Parablüh vor Freude fast durchdrehen, gibt es doch unzählige Anspielungen, Übermalungen, Zitate oder Annäherungen. Und dennoch ist die Lyrik der Cornelia Travnicek etwas Originäres und Einmaliges, das man durchaus ohne Sylvia Plath lesen kann, wiewohl Daniela Strigl im aufschlussreichen Nachwort Dutzende Engführungen und Andockungen beschreibt.

Die Parablüh-Stelle selbst, die dem Band den Titel gespendet hat, ist raffiniert kindlich, überspitzt, naiv und schelmisch:

Dunkles Blau / spannt der Abend über ihre Köpfe. Paraplui, / sagt die Mutter: Dunkles Blau auch zwischen Regen / und sie. Parablüh, sagt das Kind und pflanzt / Schirme in die Landschaft. (8)

Die Gedichte tragen so spitze Namen wie Herrenhaus, Schicht, Säue, Limbus oder Idyll. Die abschließenden Raunächte sind selbst noch einmal in sieben Situationen unterteilt, in denen das Leben schließlich eingekapselt und abgeschlossen wird.

Wieder wird das Orakel weich / in meinen Händen. Ein unförmiger / Harnisch aus schwerem Metall. (73)

Im Gedicht Limbus, eine Art Vorhölle für Unschuldige und nicht umsonst schöne Beschreibung für ein eigenständiges Verlagsprogramm, tritt ein transformiertes Ich halb als Pferd halb als Spiegel an jene Kante, die sich täglich zwischen Tag und Nacht auftut als hauchdünne Scheibe eines Zwischenreichs.

Cornelia Travniceks Gedichte haben die Eigenschaft, dass sie sich einlöffeln lassen wie ein cremiges Dessert nach einem fetten Alltag. Aber noch während sich die Sequenzen logisch darbieten, fängt die Transformation der Texte an, die sich jäh verschlüsseln und kryptisch andocken an das Unterbewusstsein.

Du bist, was du isst! / Also ein / verängstigtes Stück Vieh. (13)

Cornelia Travnicek, Parablüh. Monologe mit Sylvia, Gedichte, mit einem Nachwort von Daniela Strigl
Innsbruck: Limbus Verlag 2017, 88 Seiten, 13,00 €, ISBN 978-3-99039-101-3

 

Weiterführende Links:
Limbus Verlag: Cornelia Travnicek, Parablüh
Wikipedia: Cornelia Travnicek
Wikipedia: Sylvia Plath

 

Helmuth Schönauer, 27-06-2017

Bibliographie

AutorIn

Cornelia Travnicek

Buchtitel

Parablüh. Monologe mit Sylvia, Gedichte

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Limbus Verlag

Seitenzahl

88

Preis in EUR

13,00

ISBN

978-3-99039-101-3

Kurzbiographie AutorIn

Sylvia Plath, geb. 1932 in Boston, starb 1963 in London durch Suizid.

Cornelia Travnicek, geb. 1987 in St. Pölten, lebt in Traismauer und Wien.