Catherine Lowell, Die Kapitel meines Herzens

catherine lowell, die kapitel meines HerzensWenn es tausend Gründe gibt, weshalb man einen Roman lesen kann, dann wird wohl auch einer dabei sein für den Roman „Die Kapitel meines Herzens“, der sehr stromlinienförmig daherkommt. Wie alle Produkte aus der Welt des „Kreative Writing“ ist der Roman ein Produkt und kein Kunstwerk. Als Produkt macht er vieles richtig.

Catherine Lowell hat diesen Roman quasi als Masterarbeit für Fiktion geschrieben. Der Stoff ist höchst anspruchsvoll, es handelt sich wieder einmal um die Geschwister Bronte, die die literarische Welt seit den 1840er Jahren aufmischen. Das Schicksal der Heldin Samantha ist ein sehr hohes und gebildetes, sie ist nämlich die letzte Nachfahrin der Bronte-Dynastie.

Der Schauplatz ist das lieblich-romantische Oxford, wie wir es vom Inspektor Lewis kennen.

Wenn der Leser noch die Brontes googelt, kann er sich durchaus genüsslich-flott durch den Roman hovercraften, wie man das schnelle Durchpflügen von Textpfützen nennt.

Samantha bezieht in Oxford das legendäre Turmzimmer und beginnt mit den Recherchen zu den Brontes. Ihr Vater hat vom Bestseller-Machen gelebt und sich als kauziger Büchernarr ausgewiesen, legendär sind seine Lesezeichen, die er für die Tochter in allerhand Büchern versteckt, und sie so mit feiner Hand erzieht. Denn die ausgelegten Textstellen sind edukativ wertvoll.
Nach dem Tod des Vaters kommt die eine oder andere Affäre heraus, die aber nur beweist, dass es bei Seitensprüngen edel zugehen kann, wann man belesen ist. Und vielleicht ist noch etwas Vermögen von den Brontes versteckt, das gilt es jetzt in Oxford zu recherchieren.

Auf der Oberfläche spielt sich dabei eine romantische Klischee-Geschichte ab, mit gegenseitigen Zimmereinbrüchen, steifen Versatzstücken der Erotik und dem akademischen Getue von vorgefrosteten Individuen. Im Tiefgang der Gespräche geht es um Literaturtheorien, Bronte-Insiderwissen, die Frage nach Pseudonymen und Originalen, um literarisches Geschäft und das Netzwerk von Bildung. „Erzählen Sie mir von Ihrem akademischen Selbst!“ sagt etwa ein Professor zu Samantha. (17)

Unter den Tarnnetzen der Literaturwissenschaft geht es aber mit der Zeit nur darum, den Fluss der Hormone ohne Stau durch die Körper zu bringen. Die Heldin kriegt auch im Epilog noch ihre Hochzeit, damit nach dieser aufregenden Lektüre Frieden ist. Und wie bei diesen Romanen üblich, gibt es dann noch ein seitenlanges Danksagungs-Register, in dem jeder, der einen Furz oder sonstigen Geruch zum Gelingen beigetragen hat, erwähnt ist.

Die Literaturtheorie kommt in einem Nebensatz gleich zu Beginn vor. Es solle hier nicht um postmoderne Literatur gehen, wie sie etwa Don DeLillo im „Weißen Rauschen“ vorzeige. Darin nämlich müsste der Leser aktiv die Textbausteine nachjustieren für das eigene Lesegefüge. Bei Catherine Lowell geht es vielmehr um Postkreatives Writing, worin alles so glatt wird, dass der Leser nichts mehr nachschleifen muss. Flutsch-Literatur eben.

Catherine Lowell, Die Kapitel meines Herzens. Roman, a. d. Amerikan. von Gaby Wurster, [Orig.: The Madwoman Upstairs, New York 2016]
Hamburg: Atlantik Verlag 2017, 351 Seiten, 15,50 €, ISBN 978-3-455-65086-0

 

Weiterführende Links:
Atlantik Verlag: Catherine Lowell, Die Kapitel meines Herzens
Homepage: Catherine Lowell

 

Helmuth Schönauer, 08-01-2018

 

Bibliographie

AutorIn

Catherine Lowell

Buchtitel

Die Kapitel meines Herzens

Originaltitel

The Madwoman Upstairs

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Atlantik Verlag

Übersetzung

Gaby Wurster

Seitenzahl

351

Preis in EUR

15,50

ISBN

978-3-455-65086-0

Kurzbiographie AutorIn

Catherine Lowell studierte Kreative Writing und lebt in New York