Hanspeter Demetz, Südtirolerisch gsagg

hanspeter demetz, südtirolerisch gsaggIn einem Innsbrucker Taxi-Führer steht unter der Fügung „Südtiroler“, dass es sich dabei um jemanden handelt, der kein Trinkgeld gibt. Aus Gründen der Gerechtigkeit ist es also gut zu wissen, wie diese Knauser ticken und was sie so über sich und die Welt aus dem Mund herauslassen. Eine gute Quelle für diese Hardcore-Sprache ist der ultimative Sprachführer.

Hanspeter Demetz stellt für sein „Südtirolerisch gsagg“ ein paar brachiale Spielregeln auf. Das Südtirolerische ist nicht zu verwechseln mit Dialekten, wie sie oft punktgenau in diversen Talschaften gesprochen werden, und wodurch man oft jemanden in einem Dorf verorten kann, ohne dass er den Ausweis gezeigt hätte.

Im Südtirolerischen sind daher jene Wortschätze ausgelegt, die tatsächlich im Alltag verwendet werden, und nicht jene dialektelnden Lautbildungen aus der alten Bauernwelt, für die es kein realistisches Äquivalent mehr gibt. Südtirolerisch schließlich kann nur von Geburt an, aber nicht im zweiten Bildungsweg gelernt werden. So könnte man vielleicht easy durch eine Sprachprüfung entscheiden, wer einen Doppelpass bekommen darf.

Der Autor hat seinen ultimativen Sprachführer vorsorglich mit Zeichnungen eingekreist, diese dienen aber nicht zur Aufklärung eines Sachverhalts, sondern wollen gute Stimmung verbreiten. Fast alle Gesichter tragen den Ausdruck des Kackens in sich und sind dennoch fröhlich. Die Botschaft lautet, das Südtirolerische ist Hardcore beim Sprechen, die Wirkung aber ist eine große Hetz.

Eine Anordnung der Sprache nach dem Alphabet ist beim Südtirolerischen sinnlos, weil ja auch die Welt nicht alphabetisch angeordnet ist. Die Begriffe und Fügungen sind daher nach „Erlebnisfeldern“ geordnet, Bejahungen und Verneinungen, Wetter und Temperaturen, an der Bar, Schimpfwörter, Ordnung und Chaos, Krypto-Italismen.

Das Abarbeiten des Inhaltsverzeichnisses ergibt eine interessante Einschätzung des gesellschaftlichen Lebens. Daß diese Sprache gerade von den Einheimischen verwendet wird, zeigt sich in der Differenz zum üblichen Touristendeutsch, worin zwecks Kohle-Erwerb der Südtiroler ganz anders redet als er eigentlich müsste.

Wenn man also die Einheimischen ein wenig verstehen will (die Nordtiroler sind da bereits Ausländer) sollte man sich an diesen Sprachführer halten, der auch dann für sich selbst unterhält, auch wenn man sich nicht gerade mit jemandem unterhält. So sind auch Begriffe wie Dolomiten zu verstehen, die im Alltag nicht das Gebirge meinen, sondern eine nordkoreanische Nachrichtenagentur, die über alle Medien die Einheitsmeinung absetzt.

Sprichwörter zeigen die Südtiroler als Allzweck-Philosophen. Gestorben ist bald!

Eine Wonne sind die Tabu-Wörter, von denen die Südtiroler vielleicht deshalb so viele entwickelt haben, weil sie den Faschismus in den Katakomben-Schulen aussitzen haben müssen, dabei ist die ganze Sprache oft zu einer Geheimsprache geworden.

Einen Scheiß bauen! Wahrscheinlich etwas vom Kreativsten, was man als Mensch tun kann. Die Nudel liegt am Teller, aber der Nudel steckt in der Hose!

Hiniger geaht nit! Noch kaputter geht es nicht, Totalschaden.

Man sagt ja nicht umsonst, wenn du ein Volk verstehen willst, musst du seine Tabuwörter achten. Mark Twain hat einst empfohlen, in fremden Ländern Hinrichtungen zu besuchen, um deren Gesellschaft zu verstehen. Das Südtirolerische ist eine einzige Hinrichtung, diese Sprache befähigt die User, die Welt so herzurichten, dass sie sitzt. Die Welt muss also hin- und hergerichtet werden. - Wahrlich ein ultimativer Sprachführer!

Hanspeter Demetz, Südtirolerisch gsagg. Der ultimative Sprachführer, mit Zeichnungen des Autors
Bozen: Edition Raetia 2017, 143 Seiten, 9,50 €, ISBN 978-88-7283-575-3

 

Weiterführende Links:
Edition Raetia: Hanspeter Demetz, Südtirolerisch gsagg
Wikipedia: Hanspeter Demetz

 

Helmuth Schönauer, 04-07-2018

Bibliographie

AutorIn

Hanspeter Demetz

Buchtitel

Südtirolerisch gsagg. Der ultimative Sprachführer

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Edition Raetia

Illustration

Hanspeter Demetz

Seitenzahl

143

Preis in EUR

9,50

ISBN

978-88-7283-575-3

Kurzbiographie AutorIn

Hanspeter Demetz, geb. 1948 in St. Ulrich lebt als Zeichner, Autor und Architekt in Völs am Schlern.