Johannes Fried, Jesus oder Paulus

johannes fried_jesus oder paulus„Wie verlief der Weg von den uneinigen Anfängen zu den verpflichtenden Glaubensbotschaften der kanonischen Evangelien? Wie setzte sich die Erzählung von dem auferstandenen Gottessohn gegen das Wissen der Jünger in Jerusalem vom Überleben Jesu durch? Musste sie nicht die Glaubwürdigkeit der Auferstehungsrede gefährden? Bescherte die Kanonisierung keine Verluste? Eine sachliche Auseinandersetzung auf historischer Grundlage ist zur Klärung derartiger Fragen unerlässlich und dringend erforderlich.“ (S. 7 f)

Johannes Fried verfolgt die in seinem Buch „Kein Tod auf Golgatha“ vertretene provokante These weiter, die besagt, dass Jesus die Kreuzigung überlebt hat. Dabei geht er der Frage nach, wie sich die Auseinandersetzung zwischen den widersprüchlichen Botschaften von der Grabflucht einerseits und der verkündeten Auferstehung von den Toten andererseits in den Anfängen des Christentums verlaufen ist.

Wie konnte sich die Vorstellung des Paulus von der Auferstehung Jesu von den Toten gegen das Wissen der Jünger von seinem Überleben durchsetzen und zur zentralen Glaubensbotschaft der kanonischen Evangelien entwickeln? Mit dieser Frage nähert sich Johannes Fried den unmittelbaren Anfängen und der Entstehung des Christentums an, nur unter Heranziehung historischer Fakten und fachmedizinischer Erkenntnisse, aber ohne auf das christliche Glaubensbekenntnis Bezug zu nehmen.

Dabei ist die Quellenlage zur Ur- und Frühgeschichte des Christentums denkbar schlecht, sodass die üblichen Texte immer wieder neu gelesen und interpretiert werden müssen, ohne sich von den etablierten theologischen und kirchenhistorischen Annahmen irritieren zu lassen. Dazu gehört auch, dass die Theologie des Paulus nicht auf den Lehren des Nazareners Jesus gründet, sondern die Traditionen und Lehren der Bibel weiterentwickelt und die biblischen Verweise auf den Messias mit seiner Version des Christus verbindet.

Mit Hilfe medizinischer Gutachten versucht Fried zu belegen, dass Jesus die Kreuzigung überlebt haben kann und sich nach seiner Genesung auf der Flucht befunden haben muss. Als Flüchtling sei es ihm nicht möglich gewesen, die immer stärker um sich greifende und sich durchsetzende Theologie des Paulus, von seiner Auferstehung von den Toten, entgegenzutreten. Die deutlichsten Hinweise auf diese Sichtweise würde das Johannes-Evangelium bieten, in dem sich die Kreuzigung am genauesten dargestellt wiederfinde.

Mit spekulativem Eifer verfolgt der Autor die gewagte These weiter, dass Jesus die Kreuzigung überlebt habe, um daraus einen logischen Konflikt zwischen Jesus-Anhängern und Paulus-Anhängern in den Anfängen des Christentums zu konstruieren. Dabei wird diese Annahme für die Entstehung der unterschiedlichen Annahmen, Glaubensausprägungen und Denkrichtungen des Christentums gar nicht benötigt, sondern lässt sich auch ohne sie erklären.

Der sicherlich außergewöhnlich Ansatz Johannes Frieds verweist aber auf die zahlreichen vergessenen Spannungen in den Anfängen des Christentums, denen zahlreiche Anschauungen und Glaubensansätze zum Opfer gefallen und als Häresien verurteilt worden sind. Ein Buch, im dem sich kritische Ansätze mit Spekulation verbinden und die Leserinnen und Leser ein wenig unbefriedigt wiederfinden.

Johannes Fried, Jesus oder Paulus. Der Ursprung des Christentums im Konflikt
München: C.H. Beck Verlag 2021, 200 Seiten, 22,70 €, ISBN 978-3-406-76406-6

 

Weiterführende Links:
C.H. Beck Verlag: Johannes Fried, Jesus oder Paulus
Wikipedia: Johannes Fried

 

Andreas Markt-Huter, 20-09-2021

Bibliographie

AutorIn

Johannes Fried

Buchtitel

Jesus oder Paulus. Der Ursprung des Christentums im Konflikt

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2021

Verlag

C. H. Beck Verlag

Seitenzahl

200

Preis in EUR

22,70

ISBN

978-3-406-76406-6

Kurzbiographie AutorIn

Johannes Fried ist emeritierter Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Frankfurt am Main und Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz. Er war Vorsitzender des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands und wurde vielfach ausgezeichnet.