Franz Junger, Das Gullibuch

Buch-CoverWem sind nicht bestimmte Anekdoten der eigenen Schulzeit oder Originale von Lehrerinnen und Lehrern im Gedächtnis geblieben, die für Gesprächsstoff auf Maturatreffen sorgen. Ein solches Originale war sicher auch der Brixener Gymnasialprofessor Alfons Dellacasa, dessen eigenwilliger Naturgeschichteunterricht vor 100 Jahren im so genannten Gullibuch verewigt worden ist.

Das Gullibuch entstand aus stenographischen Notizen, die von Schülern während des Naturkundeunterrichts von Professor Alfons Dellacasa zwischen 1985 - 1903 aufgezeichnet worden sind. Die sprachlichen Schwierigkeiten des ladinischen Professors mit der deutschen Sprache bilden einen wesentlichen Teil des Wortwitzes, der den Aufzeichnungen seinen Humor gibt.

Das Gullibuch gibt ein Stimmungsbild und Einblicke in den Naturgeschichteunterricht wie er um die Jahrhundertwende des 19./20. Jahrhundert in Tirol stattgefunden hat. Der Text hat auch heute nicht seine Wirkung verloren und Sprüche wie:

Was ich Ihnen noch sagen muss, ist: Studieren Sie fleißig und von allem Anfang an und merken Sie sich das eine: Der Gescheitere gibt nach, ich gebe aber nicht nach! (S.7)

oder:

Es gibt unzählige Arten von Käfern und schreiben Sie sich das heute schon hinter die Ohren: wenn Sie auch nur für das Leben und nicht für die Schule lernen, so haben Sie doch die lateinischen Namen der Käfer zu merken, weil man sie sonst nicht auseinander kennt. (S. 53)

Das Gullibuch bietet nicht nur Humor aus dem Unterrichtsalltag heraus, sondern stellt auch ein wichtiges Dokument für die volkskundliche Forschung dar und gibt Einblicke in den Unterricht, den Schüleralltag, in Freizeit, Interessen und Werte im Tirol des ausgehenden 19. Jahrhunderts.

Episodenartig der von Alfons Quellacasa vorgetragene Naturkundeunterricht erzählt, der von Katzen, Insektenfressern, Nagetieren, Walen und im 2. Teil vom Homo sapiens handelt. Beim Vortrag Quellacasas geht es nicht immer ganz ernst und streng wissenschaftlich zu und so lassen Diskussionen mit Schülern oder Bemerkungen des Professors jene heitere Stimmung erahnen, die im Klassenzimmer geherrscht haben mag. Heute wollen  wir zunächst den 1. Mai abmachen. Den 1.-Mai-Ausflug unternehmen wir, notabene, wenn es nicht regnet am 2. Mai, sonst acht Tage später vom 1. Mai angerechnet, vielleicht aber auch gar nicht.

Es ist schade, dass für die Neuausgabe des Gullibuchs kein Verleger gefunden werden konnte und so lässt sich die Mühe des Herausgeber Wolfgang Morscher gar nicht hoch genug schätzen, der dieses lesenswerte und unterhaltsame Stück Tiroler Literatur der Gegenwart wieder zugänglich macht.

Franz Junger, Das Gullibuch. Neu herausgegeben von Wolfgang Morscher, mit zahlr. Abb.
Innsbruck: www.sagen.at 2006, 194 Seiten, 19,00 EUR (+Versandkosten)

Das Gullibuch ist nur über www.sagen.at erhältlich!

 

Andreas Markt-Huter, 18-12-2006

Bibliographie

AutorIn

Franz Junger

Buchtitel

Das Gullibuch

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

www.sagen.at

Herausgeber

Wolfgang Morscher

Seitenzahl

194

Preis in EUR

19,00

Kurzbiographie AutorIn

Alfons Quellacasa (Gulli) lebte von 1843 - 1913). Der Priester war Naturgeschichteprofessor in Brixen.<br /> Franz Junger (1882 - 1934) war Mitbegründer der Südtiroler Heimatzeitschrift Der Schlern.<br /> Wolfgang Morscher arbeitet an der Universität Innsbruck und ist Herausgeber der Internet-Site Sagen.at, der größten Sagensammlung Europas.