slavo zizek, pandemie 2Die Größe eines Themas misst der Bibliothekar mit dem Meterband, wenn er die Regale abgeht. Zeigt das Verzeichnis lieferbare Bücher für das erste Corona-Jahr nur 217 Treffer, so sind es im zweiten Jahr vom ersten Quartal hochgerechnet bereits 600. Und natürlich ist kein Ende der Publikationen abzusehen, bei einem so großen Thema.

Der Philosoph Slavoj Žižek nennt seine Schriften Epochen-bildend „Pandemie!“ und nummeriert sie durch. Noch vor dem zweiten Pandemiejahr liefert er bereits den zweiten Band, worin fünfzehn Aufsätze und ein Anhang versammelt sind.

peter sloterdijk, den himmel zum Sprechen bringenIn einem von Pädagogen und Psychologen getränkten Literaturbetrieb bleibt letztlich nur mehr der Infantilismus, um sich auszudrücken. Alles, was sich nicht kindgemäß sagen lässt, scheint überflüssig und wertlos zu sein. Selbst die größten Dinge zwischen Himmel und Erde müssen zu Zwitschern zurechtgestutzt werden, ohne dass daraus wenigstes Vogelklang entstünde.

Peter Sloterdijk gilt mit seiner apokalyptischen Genesis „Kritik der zynischen Vernunft“ (1983) als Jahrhundertphilosoph, legendär ist etwa das Bild von der Atombombe, die man nicht verwenden, schauen oder berühren darf, weil sonst die Erde in die Luft fliegt. Diese Bombe lässt sich nur mehr aus der Ferne anbeten mit der Hoffnung, dass sie nichts hört und ohne Reaktion bleibt.

slavo zizek, pandemieIm Schrecken dient das Rufzeichen als kurzes Atemholen, um die Dimension des Desasters für einen Augenblick in den Griff zu bekommen. Pandemie! (mit Rufzeichen) entspricht dem Pest! im Mittelalter, oder auch dem Alarm Feuer!, der in allen Sprachen wirkt.

Slavoj Žižek schlägt als zeitgenössischer Philosoph sofort einmal Alarm. Pandemie! Dieser Begriff umspannt nicht nur die ganze Welt, sondern auch den gesamten Wortschatz mit all seinen Begriffen.

Es ist noch nicht klar, was dieser Schock für die Welt bedeuten wird, aber in spontanen Hochrechnungen der Begriffe zeigt sich, dass so gut wie alles sich verändert. Nichts wird mehr so sein, wie wir es einmal verschriftlicht haben.

silviane scharl, jungsteinzeit„Die Jungsteinzeit (Neolithikum, älteste Daten aus Südosteuropa im 7. Jahrtausend v. Chr.) ist die Epoche der europäischen Prähistorie, in der die Menschen sesshaft werden und beginnen, Landwirtschaft zu betreiben.“ (S. 7)

In zwölf Kapiteln werden die wichtigsten Bereiche, Merkmale und Errungenschaften des Neolithikums von den Anfängen der bäuerlichen Wirtschaftsweise im Vorderen Orient, über die Produktion von Keramik bis hin zu Sozialstruktur, Handel, Monumentalwerken und Erfindungen wie Rad, Wagen und Kupfermetallurgie vorgestellt. Daneben stellt das Buch die wichtigsten Werkzeuge und Methoden der Erforschung der Jungsteinzeit vor.

romain puertolas, der kleine kaiser ist zurückWenn man die verspielte Alltagsgeschichte mit dem großen Model der Historie aussticht, geht eher der Model kaputt als die Alltagsgeschichte.

Romain Puértolas hat ein schlichtes Anliegen: Er will in einem flotten, flauschigen Roman die Gegenwartskrise Frankreichs erzählen, indem er sie Napoleon als Wiedergänger kindlich staunend vor die Linse schiebt.

thomas macho, das leben nehmen„Im übertragenen Sinn beginnt jede Karriere eines Selbstmörders mit einem Hungerstreik.“ (257)

Der Kulturphilosoph Thomas Macho nimmt dem Tabu-Thema Suizid die erste Verbunkerungsmöglichkeit, indem er das Thema scheinbar beiläufig analysiert wie alles, was in Geschichte, Film und Literatur in den letzten Jahrhunderten so vorgekommen ist. Das Zitat vom Hungerstreik geht auf Hermann Burger zurück, der seine Literatur offensichtlich auf den Suizid hin komponiert hat. Und einmal ins Fahrwasser der Diskussion gelangt, gibt es fast nichts, was nicht mit einem Suizid zu tun haben könnte. „Wem gehört mein Leben?“ Nicht umsonst steht als Abspann diese Frage auf dem hinteren Cover.

andreas von westphalen, die wiederentdeckung des menschen„Was wäre, wenn der Mensch eine falsche Vorstellung von seiner eigenen Natur hat? Was wäre, wenn wir uns über so etwas Existenzielles täuschen wie unser eigenes Wesen? In diesem Buch werden wir uns gemeinsam auf die Reise zu einem weithin unbekannten Wesen aufmachen, einem ebenso faszinierenden wie beeindruckenden Geschöpf: dem Menschen.“ (S. 11)

Andreas von Westphalen kritisiert das Menschenbild, das den meisten gegenwärtigen Wirtschaftstheorien und dem neoliberalen Wirtschaftsdenken zugrunde liegt und den Menschen als faul und auf den eigenen Gewinn und Vorteil ausgerichtetes Wesen betrachtet, das unter Konkurrenzdruck seine besten Leistungen vollbringt. Ein Bild über die Natur des Menschen, das mittlerweile fatale Folgen zeitigt.

Christoph Türcke_Natur und Gender„Die Natur ist das, was wir aus ihr machen. Aber ist sie nur das – und sonst nichts? Erst diese Frage rührt an den Nerv des Problems. Wer sie munter bejaht, mag sich auf dem Weg zur Emanzipation von allen Naturschranken wähnen. Faktisch befindet er sich am Übergang von der Realitätstüchtigkeit zum Machbarkeits-, um nicht zu sagen, zum Schöpfungswahn. Wie sehr die aktuellen sozialen Kräfteverhältnisse diesen Wahn fördern: Darum geht es auf den folgenden Seiten.“ (S. 11)

Christoph Türcke geht der Frage nach, in welchem Verhältnis Konstruktion und Schöpfung zueinander stehen. Bereits in den antiken Mythen wird auf Veränderungen der Natur verwiesen, ein Gedanke der auch in der Evolutionstheorie zum Ausdruck kommt. Dem werden Konstruktionen aus Materialien der Natur gegenübergestellt.

jonathan aldred, der korrumpierte mensch„Im Laufe der vergangenen etwa 50 Jahre haben »neue« Ideen, wie wir uns verhalten sollten, unser Denken korrumpiert. Inzwischen sehen wir Schwarz als Weiß an, Schlechtes als Gutes: Es ist moralisch unmoralisch zu sein. Dieser Wandel hat enorme Auswirkungen, wurde jedoch durch viele kleine, kaum erkennbare Schritte erreicht.“ (S. 9)

Jonathan Aldred taucht tief in die Geschichte der Wirtschaftswissenschaften des 20. Jahrhunderts ein um aufzuzeigen, wie das wirtschaftliche Denken und die Idee von freien Märkten, die alle Bereiche unseres Lebens regulieren sollen, zunehmend unser ethisches Verhalten und unseren Alltag beeinflussen.

johannes fried_jesus oder paulus„Wie verlief der Weg von den uneinigen Anfängen zu den verpflichtenden Glaubensbotschaften der kanonischen Evangelien? Wie setzte sich die Erzählung von dem auferstandenen Gottessohn gegen das Wissen der Jünger in Jerusalem vom Überleben Jesu durch? Musste sie nicht die Glaubwürdigkeit der Auferstehungsrede gefährden? Bescherte die Kanonisierung keine Verluste? Eine sachliche Auseinandersetzung auf historischer Grundlage ist zur Klärung derartiger Fragen unerlässlich und dringend erforderlich.“ (S. 7 f)

Johannes Fried verfolgt die in seinem Buch „Kein Tod auf Golgatha“ vertretene provokante These weiter, die besagt, dass Jesus die Kreuzigung überlebt hat. Dabei geht er der Frage nach, wie sich die Auseinandersetzung zwischen den widersprüchlichen Botschaften von der Grabflucht einerseits und der verkündeten Auferstehung von den Toten andererseits in den Anfängen des Christentums verlaufen ist.