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Sagen sind wie Gebirge, sie verändern sich zwar im Tageslicht, bleiben aber sonst über Generationen ziemlich fix bestehen. Was gibt es also Schöneres, wenn anlässlich eines felsenfesten Jubiläums einer Hauptschule die Kids aus dem Schulsprengel Sagen aus der näheren Umgebung zusammentragen, diese illustrieren und dann in einem schmucken Erinnerungsband zusammenfügen.

In Axams und Umgebung wimmelt es bald einmal von Höll-Zwergerln, Kasermandln, Tuifeln und Böcken, die wahnwitzig durch die Ortschaft traben. Der Ton der Sagen ist stets staatstragend, damit sich die Glaubwürdigkeit der aufgesagten Parolen nicht schon vorzeitig in moralisierende Heißluft auflöst. Aber gegen Ende hin kommt dann doch jeweils der Schalk durch, mag sein, dass es stimmt, kann aber auch geflunkert sein.

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Oft sind in Büchern die gelesenen Vorstellungen größer als die Welten, die in ihnen dargestellt werden.

In Jagoda Marinics Erzählband kommt beispielsweise Hannah als Erzählerin in der Titelgeschichte nur ungenau mit der Größenvorstellung zurecht. Als sie im mittlerweile verkleinerten Ex-Jugoslawien auf einem Bahnhof steht, hat sie immer noch die großen Bilder von Russischen Büchern im Kopf. ?Die einzigen Weiten, die wir uns vorstellen können, verdanken wir russischen Büchern.?

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Ludwig Roman Fleischer gehört zu den raren Autoren, die quasi im Alleingang die Gegenwartsliteratur neu schreiben. Alle gängigen Genres hat er mittlerweile aktualisiert.

Und ob es sich um unidyllische Weihnachtsgeschichten, den Schöpfungsbericht par excellence oder die verrückte Jubiläumsliteratur für eine öffentliche Einrichtung handelt, immer wird das literarische Genre in Frage gestellt und dann mit einem passenden Erzählportal upgedatet.

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Wie kann man mit dem Wissen von heute eine Entdeckernatur von damals beschreiben? Was könnten also die sogenannten Heroen Cortez und Vasquez wirklich gemeint haben, als sie die Neue Welt eroberten und alle vorhandenen Kulturen vernichteten?

Alexander Peer geht mit seiner Novelle jenen spannenden Überlegungen nach, die auch heute noch Helden ermuntern, in die Welt zu ziehen und diese für eine vage Idee zu unterwerfen. Der Titel der Novelle kann mehrfach gedeutet werden, einmal kriegen die Seefahrer nach langer Zeit wieder Land unter ihre Füße, sie bemächtigen sich des Landes und unterwerfen es, schließlich setzen sie das Land Zerstörungen aus, bis wirklich die Parole ?Land unter? passt.

Buch-CoverDas Thema ist diese leichtfüßige Zeit, wie sie sich vor allem in französischen Romanen darstellen lässt.

In der deutschen Übersetzung kommt diese lucide Zeitwahrnehmung als Präsens daher, aktuell und zeitverzögert erinnert in einem. Auch diese Zeitwörter des Sich-Anschickens, die wir seit Proust so schätzen, sind wieder da: „Adam entledigt sich seines Mantels. Marie-Thérèse geht ihn aufhängen und kommt mit einem Glas Wasser zurück.“ (86)

Buch-CoverDie größte Aufregung eines Beamten ist sicher der Antritt der Pension. Der Roman "Falscher Hase" setzt denn auch mit einem Supersatz ein, der durchaus das Zeug zur Weltliteratur hat: "Kommissar Paffrath hat es ausgestanden. (5)

Jetzt geht der Kommissar also in Pension, hat sein Leben nichts anderes getan als diesen blöden faschierten Braten gegessen, den falschen Hasen eben. Und stets gehorsam Dienst geleistet, wie sein Vater, nur dass dieser Brände gelöscht hat während der Nazizeit. Und der junge Heini hat Fälle gelöst hat, quer durch alle Regimes.

Buch-CoverEdgar Hilsenrath ist in der Literatur ein beinahe schon unheimliches Unikat. Je schärfer das Schicksal zuschlägt, umso witziger wird er, könnte man plakativ sagen. Seine Texte haben im schmerzlichen Fundament die Schrecknisse des Holocaust eingegossen, aber darüber versuchen sie rettend skurril schräge Geschichten zu erzählen.

Jetzt ist das Gesamtwerk in einer gepflegten Ausgabe erschienen, das Hauptwerk ist darin "Das Märchen vom letzten Gedanken". Hier liegt die Überlegung zugrunde, dass es am Ende des Lebens einen Gedanken gibt, der zeitlos alles erklärt und gültig macht. Im Märchen vom letzten Gedanken sucht dieser Gedanke die Geschehnisse um den Völkermord an den Armeniern 1915 auf. Vielleicht kann man über den Holocaust sprechen, wenn man ganz woanders hinfliegt, lautet die Überlegung.

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Spitze Erzählungen fahren ins Blut wie Infusionen, es tut gar nicht weh und zagg, ist die Geschichte schon drin.

Andrej Blatnik setzt seine Spritzen beinahe schmerzfrei unter die Haut des Lesers, aber die Wirkung ist grandios. Ein Drummer klopft mit einem einzigen Schlag die Welt in ihre Musik-Atome auseinander, dabei ist die Musik generell sehr angenehm, das Publikum schwelgt in Wellness und wird wiederkommen.

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"So schnell ließe sich ein Leben erzählen." (11) Tatsächlich geht es in Brita Steinwendtners Roman im Vorspann vorerst einmal ruckezucke zu.

Isa sucht wieder einmal einen Neubeginn, der Vater ist im Krieg gefallen, die Mutter stirbt, als sie vierzehn ist, nach der Hauptschule gibt es eine Schneiderlehre, dann etwas Studium, Au-pair-Mädchen in Paris und Los Angeles, mit 25 in Wien eine Stelle bei einer Tageszeitung, Heirat und Scheidung, irgendwann kehrt Isa nach Linz zurück und gründet ein eigenes Büro.

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Nach zwei, drei Leichen ist auch der härteste Typ irgendwie angeschlagen. Andererseits braucht es in der thrillernden Gegenwartsliteratur einfach diese Leichen, um ans Innere des Helden ran zu kommen.

Jason Starr erzählt von der grandiosen Stadt New York, die offensichtlich an jener dünnen Linie am aufregendsten ist, an der die Welt des Erfolges in Misserfolg übergeht. Nicht umsonst heißt der Romantitel wörtlich übersetzt ?verdrehte Stadt?.