Buch-CoverHeutzutage wird man als Urlaubender wie ein Dinosaurier angestarrt, wenn man nicht geflogen ist, aber lange Zeit galt Fliegen wirklich als das luftige Ereignis, das nur für Prominenz und Pseudopromis gedacht war.

Ein internationaler Flughafen ist generell das Eingangsportal wichtiger Besucher eines Landes, in Österreich heißt das, dass neben Staatsmännern, auch Neujahrsdirigenten, Opernball-Ladies und gekränkte Schifahrer abgewickelt werden müssen. Der Flughafen Schwechat erzählt also wirklich staatstragende Geschichten, wenn man Österreich ernst meint.

Buch-CoverEin guter Roman steht und fällt mit dem ersten Satz. Eva Menasses Roman "Vienna" ist daher ex kathedra gesprochen ein guter Roman, denn der Anfangssatz wird den Lesern noch in Erinnerung sein, da mag der Roman schon längst auf der Halde der Antiquariate liegen. "Mein Vater war eine Sturzgeburt." (9) Wuff, nach so einem Satz gibt es nur noch eines: Weiterlesen!

Da raunzen sich auf vierhundert Seiten Figuren durch den Kosmos und schaffen durch Sprachstil, Ironie und perverses Abschweifen vom gerade ausgegebenen Thema jenen Kosmos, der sich durchaus Vienna nennen lässt. Der international gehaltene Namen dieser verrückten Stadt Wien deutet darauf hin, dass die Figuren auch eine Außensicht auf die Stadt haben, wenn auch nicht freiwillig.

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Hangover ist jener Zustand, den man in den Alpen akademisch mit Spätfetzen oder Post-Sud bezeichnet. Der Hangover Square ist also ein Bermuda-Dreieck des Alkohols, worin Helden schon zu Lebzeiten immerwährend versickern können.

Von Patrick Hamilton wird daher in der Literaturgeschichte mit Süffisanz erzählt, dass er nach einem Autounfall für das Leben entstellt und die Literatur ideal eingestellt gewesen ist. Als krönender Abschluss solcher Dichterbiographien gilt dabei ein Tod infolge von Leberzirrhose.

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Manchmal stoßen in Romanen große Erzählsysteme wie kontinentale Platten aufeinander und erzeugen ein Erdbeben an Information.

In Erwin Einzingers Roman "Aus der Geschichte der Unterhaltungsmusik" stoßen Teile, wie man sie in Lexika nachblättert, auf Erfahrungsberichte, wie sie in Zeitungen stehen, und es entsteht dichteste Fiktion.

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Jeder hat in seinem Kleiderschrank der Lektüre ein paar Sterbeklamotten hängen. Bei den germanistisch getunten Lesern ist das Hermann Brochs Roman "Der Tod des Vergil", worin es der antike Autor Vergil einfach nicht "derstirbt" und so noch bis zur Ermattung des Lesers das Abendland rettet.

Für Amerikanisten ist es William Faulkners "Als ich im Sterben lag". Darin berichtet einzigartig in der Literatur das erzählende Ich, wie es so beim Sterben zugeht. Und die österreichischen Patrioten haben natürlich Peter Handkes "Wunschloses Unglück" ganz vorne auf der Sterbestange hängen. Während der Sohn die Erinnerungsstücke an die verstorbene Mutter zusammenklaubt, entsteht dieses gepresste Panorama einer hyperharmonischen dörflichen Nachkriegsidylle.

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Manchmal kann ein Stau im Geldfluss eine neue Sicht auf die Welt eröffnen.

In Sibylle Mulots Roman "Die Fabrikanten" ruft die Studentin Lis Kahn von Oslo aus zu Hause im Schwarzwald an, die Telefonmünze klemmt, das Gespräch mit der Mutter wird zeitlich unbegrenzt und es tut sich ein Abgrund auf. Die Familie ist bankrott, Lis muss sofort nach Hause fahren, das Studium abbrechen, Buchhändlerin werden und ihr Leben als Bürgschaft an die Bank verpfänden.

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Irgendwie ticken sie nicht richtig, diese Business-Menschen. Unter einander haben sie ein undurchschaubares Regelwerk der Kommunikation installiert, nach außen hin fungieren sie abgeschottet und quasi nicht von dieser Welt.

Martin Suter veröffentlicht seit Jahren satirische Miniknigges aus dem Dschungel der Business-Welt, dabei blicken dynamische Akteure plötzlich gelähmt auf ihr eigenes "Wurstelwerk" von Nonsens, während die von der Wirtschaft bereits still gelegten Menschen schadenfroh nicken: "Na macht nur mal!"

Buch-Cover„Reprint“ ist ein Lesebuch, in dem die Diskussion zur Architektur in Tirol anhand von zeitgenössischen Textes wieder erlebt werden kann.

Wenn das Thema auf den ersten Blick vielleicht ein wenig technisch und trocken erscheinen mag, erkennen wir nach einem weiteren Blick sehr rasch, wie sehr uns diese Diskussionen, die großteils bereits vor langer Zeit stattgefunden haben, auch heute noch betreffen. Ob wir wollen oder nicht: Architektur ist einfach unübersehbar und sticht ins Auge, manchmal angenehm, manchmal mehr als einem lieb ist.

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In Politik und öffentlichem Ansprachenverkehr gibt es kaum ein Wort, das so innig verwendet wird wie Öffnungen.

Ob es sich nun um Ostöffnungen, Öffnungen am Arbeitsmarkt oder kulturelle Öffnungen handelt, immer soll dieses Wort auch einen leichten Durchzug verströmen, als ob es selbst eben eine Öffnung entfahren wäre.

Buch-CoverManchmal ist der Beginn einer Geschichte so unglaublich, dass selbst die Figuren der Geschichte darüber den Kopf schütteln und sich fragen, ob es so etwas in der Literatur geben kann.

Im Roman von den fabelhaften Strudelbakers fährt ein Onkel des Protagonisten Wolfy als Toter mit der Straßenbahn durch Wien, es ist genau 1937 und ein Samstagabend. Die Reise des Toten ist symptomatisch für die Geschichte des Kontinents am Vorabend der Judenvernichtung durch die Nazis. Die Verwandten von Onkel Kalmann flüchten von Wien nach London und gelten dort als "Flichtlinge", dieser spöttische Ausdruck sagt es genau, was sie erwartet: Unwillkommenheit! Man tut zwar verbal sehr human, in Wirklichkeit aber ist hier niemand willkommen.