„Wo schreibt Caesar Geschichte, wo erfindet er sie – und macht das, wenn Worte Tatsachen schaffen, überhaupt einen Unterschied? Diese Fragen stehen stets im Hintergrund, wenn im vorliegenden Buch Caesars Schrift über den Gallischen Krieg, die als eine Stück Weltliteratur gelten muss, vorgestellt und in ihrer raffinierten Machart vor Augen geführt wird.“ (9)

Wohl alle, die in der Schule Latein gelernt haben, sind im Laufe des Unterrichts mit Caesars Werk über den Gallischen Krieg konfrontiert worden. Aber auch für allen andere gilt Caesar als einer der großen Feldherrn der Weltgeschichte. Wie sehr sich Caesar selbst dazu stilisiert und mit welch raffinierten literarischen Mitteln er seinem Kampf um die Macht, jenseits des großen Waffengetümmels ausgefochten hat, zeigt der Altphilologe Markus Schauer überaus eindrücklich in seiner Monographie „Der Gallische Krieg – Geschichte und Täuschung in Caesars Meisterwerk“.

„Von Napoleon stammt die berühmte Feststellung, dass wir, um einen Menschen zu verstehen, die Zeit verstehen müssen, in der er oder sie zwanzig war. Dieses Buch möchte nicht einzelne Menschen verständlich machen, sondern eine ganze Generation – Menschen, die um 1560 in England geboren wurden.“ (16)

Neil MacGregor, Kunsthistoriker und Direktor des British Museum entführt seine Leserinnen und Leser in die Welt des William Shakespeare, in die Welt seines Publikums, als zum ersten Mal seit dem antiken griechischen Theater wieder Menschen aller Schichten Anteil nahmen an den Tragödien und Komödien der Dichter ihrer Stadt und damit selbst als Protagonisten der Theaterstücke interessant wurden. Anhand zahlreicher Gegenstände aus der Welt Shakespeares lässt MacGregor den Alltag der Menschen zur Zeit Shakespeare für seine Leserinnen und Leser wieder zum Leben erwachen.

Einem Kunstwerk ist es natürlich egal, ob man sich davor verneigt oder nicht, zwischendurch muss man einem Kunstwerk einfach aus emotionalen Gründen sagen, dass es gelungen ist. Und das sagt man auch der Autorin.

Barbara Hundegger hat mit den Dante-reloaded-Gedichten ein perfektes Kunstwerk geschaffen, das im Kosmos der Literaturgeschichte voll verankert ist (Dante) und gleichzeitig die Gegenwart in einen zeitlosen Erkenntniszustand versetzt. Ja, so schaut das Jahr 2014 in Europa aus, daran kauen die Menschen, mit solchen Apps „wie der Mensch umdreht geht“ versuchen sie die Lage zu begreifen und auszuhalten.

Wundersame Geschichten, die in ihrem Verlaufe die Konsistenz der Glaubwürdigkeit wechseln, tun gut daran, handfest in den Händen der Leserschaft zu liegen und nicht als Fließtext aus der Cloud zu tröpfeln. Das ist auch der Grund, warum Martin Kolozs als Leiter des Kyrene Verlags dieses romantische Hauptwerk in eine bibliophile Ausstattung gegossen hat, gilt doch der romantische Adelbert von Chamisso als geheimer Heiliger für Phantasie und Standfestigkeit in einer bodenlosen Umgebung.

Adelbert von Chamisso ist mit seiner Schattengeschichte vom Peter Schlemihl zu einer Ikone geworden, geht es doch ähnlich wie beim Faust darum, zu erkennen, wer man ist.

Wenn drei außergewöhnliche Künste zusammentreffen, entsteht ein Ereignis, das weit über bloße Drei-D-Qualität hinausgeht.

Der reduktions-radikale Graphic-Novel-Meister Nicolas Mahler widmet sich in seinem Lulu-Fünfakter jener Asymptote, wo die Heldin immer auf das schwarze Quadrat ihrer Psyche stößt. In fünf Modellsituationen verwandelt sich Lulu mit Hilfe des Malers in die eigene Psyche und endet als schwarzes Quadrat.

„Wo bist du gewesen? Im Norden, sagte Väinämoinen, in Pohjolo, wo die Hexe Louhi herrscht. Aber wusstest du, dass sie eine wunderschöne Tochter hat, so reizend wie ihre Mutter hässlich ist? Das Mädchen soll denjenigen heiraten, der für Louhi das Sampo schmiedet.“ (46)

Tilman Spreckelsen begibt  sich auf die Spurensuche nach Elias Lönnrot, dem Verfasser des finnischen Nationalepos Kalevala und erzählt dabei, die Kalevala, eine Sage aus dem Norden nach. Dieses aus zahlreichen Überlieferungen der finnischen Mythologie zusammengestellte und 1835 veröffentlichte Epos, erzählt von den Abenteuern und Taten der großen finnischen Helden Väinämöinen, Lemminkäinen, Kullervo, Illmarinen und Marjatta.

Das gehört zu den brennendsten Fragen der Literaturgeschichte: Wie kann man einen dicken Roman, den man kaum lesen kann, so straff zeichnen, dass man ihn wundersam leicht anschauen kann?

Nicolas Mahler ist der Meister der Reduktion, Figuren sind ihm oft zu üppig und werden deshalb meist weggelassen, das Gesicht des Protagonisten ist nur lästig, weshalb es zu einer Nasen-Wurst reduziert ist. Da kommt ihm das erste Kapitel aus Musils Monsterwerk der Mann ohne Eigenschaften gerade recht, dieses ist nämlich mit der wundersamen Fügung überschrieben: „Woraus bemerkenswerterweise nichts hervorgeht.“

Die Sprache ist schlauer als die Menschen, die sie benützen. Manchmal verzichtet sie gar auf die Menschen und erzählt selbst eine Geschichte.

Der Sprachforscher und „Aufs-Maul-Schauer“ Robert Sedlaczek befasst sich seit Jahrzehnten mit Sprichwörtern, Mundarten, verschollenen Fügungen und entlegenen Vokabeln. Seine Wörterbücher des Alltags und Wortgeschichten gehören zur Fixausstattung jedes hintersinnigen Sprachanwenders.

Buch-Cover

Manchmal ist auch die Literatur zu weltrekordverdächtigen Aktionen fähig. Sechshundert Jahre nach ihrer Entstehung sind die Gedichte von Oswald von Wolkenstein erstmals komplett als Gedichte in einer zeitgenössischen Sprache greifbar.

Zu verdanken ist dieses Mammut-Unterfangen dem Autor, Liedermacher und Dichter-Gewerkschafter Gerhard Ruiss.

buchcoverManche Literatur geht fließend in Musik über. Für diese Anlässe hat der Mandelbaum Verlag seine Serie "Bibliothek der Töne" aufgelegt.

Franz Kafkas Gruftwächter ist so ein musikalischer Text, der uns ergriffen macht, noch ehe wir wissen warum. Der Akkordeon-Komponist Otto Lechner legt gleich zu Beginn mit der Kaiserhymne los, Vergänglichkeit, Herbst, Zeitlosigkeit tauchen auf.