Zsuzsanna Gahse, Die Erbschaft

Was laut Definition kurz und einleuchtend sein soll, ist in der Praxis oft langwierig und mühsam, nämlich der Witz.

Unter dem unauffälligen Titel „Die Erbschaft“ lässt sich Zsuzsanna Gahse auf kurzen Seiten über den Witz aus. Dabei installiert sie Situationen, in denen man „einen erzählen“ kann, stellt Figuren vor, die besonders Witz-affin sind, und streut schließlich unauffällig Witze in die Erzählung.

Die Grundsituation liefert ein Leutnant, der bei jedem Witz dreimal lacht, einmal wenn er ihn hört, einmal wenn er ihn erklärt bekommt und einmal wenn er ihn versteht. (47) Fehlt gerade noch, dass dieser Leutnant Österreicher ist, denn die Österreicher-Witze erzählen von besonders realitätsabgelenkten Menschen, die beispielsweise in einer Schaf-Herde keinen Hund ausmachen können, weil sie sich immer nur auf einen Begriff konzentrieren können.

Mit dem Titel trägt der Witze-Essay einem Habenichts Rechnung, der nach seinem Tod nur Witze hinterlässt, noch dazu solche, die nicht aufgeschrieben sind. Vielleicht sind also die momentan weit verbreiteten Vorlässe der Österreichischen Dichter alles nur Witze.

Der Witz selbst hat es nicht leicht, manchmal muss er als Halb-Witz auskommen, was besonders deformiert wirkt, niemand weiß, wohin ein Witz geht, wenn er ausgelacht worden ist, manchmal schrumpft er zu einem Wortspiel, wenn etwa „ein Schmetterling entlarvt“ werden soll (51) und oft kommt er ungelegen, wie etwa jener Mann, der eine Gurke unterm Arm trägt, von dem aber niemand weiß, wie der Witz weitergeht.

Natürlich dienen erotische Witze der Beschleunigung des Entkleidens, eine wild gewordene leere Drehbühne soll als Witz von einer desaströsen Aufführung ablenken, und besonders arg erwischt es Witze, die in flagranti ertappt werden.

Der Witz ist international und beschreibt dennoch die Nuancen der einzelnen Kulturen am besten. Manchmal ist er auch so nonverbal angelegt dass man ihn zeichnen muss. Aus diesem Grund sind im Anhang sogenannte „Auftritte“ gezeichnet, worin sich Typen a la Herzmanovsky Orlando in Pose werfen und dadurch die Schwerkraft überwinden.

Zsuzsanna Gahses Essay ist schließlich eine handfeste Erzählung geworden, voller Anspielungen und mit dem Ohr genauen Hinhörens erzählt. Die verblüffende Botschaft kristallisiert sich allmählich heraus, nämlich dass gute Literatur ein Witz ist wie das Leben.

Zsuzsanna Gahse, Die Erbschaft. Mit Zeichnungen von Anna Luchs.
Wien: Edition Korrespondenzen 2013. 58 Seiten. EUR 14,-. ISBN 978-3-902113-00-9.

 

Weiterführende Links:
Edition Korrespondenzen: Zsuzsanna Gahse, Die Erbschaft
Wikipedia: Zsuzsanna Gahse

 

Helmuth Schönauer, 25-08-2014

Bibliographie

AutorIn

Zsuzsanna Gahse

Buchtitel

Die Erbschaft

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Edition Korrespondenzen

Illustration

Anna Luchs

Seitenzahl

58

Preis in EUR

14,00

ISBN

978-3-902113-00-9

Kurzbiographie AutorIn

Zsuzsanna Gahse, geb. 1946 in Budapest, lebt in Müllheim/Schweiz.