Elias Schneitter, Venedig
Die Welt der Jugendlichen ist gefüllt von Sehnsucht und Melancholie, darin gleicht sie der Welt der Erwachsenen aufs Haar.
Elias Schneitter nennt seinen Sehnsuchts-Roman "Venedig". Das wirkt wie ein Losungswort, das die Lösung aller Probleme verspricht.
Ein 15-jähriges Girl formuliert als Ich-Erzählerin sein Lebensprogramm in inneren Monologen, delirierenden Trink-Sequenzen und SMS-ähnlichen Botschaften an die Freundin Melissa. Das Leben verläuft um diese biographische Zeit abenteuerlich ungelenk und ruckartig in wachen, dann wieder düsteren Sequenzen.
Peripher spielt die Schule noch eine Rolle, aber eigentlich dient sie nur dazu, dass man sich selbst Entschuldigungen schreibt und Schule schwänzt.
Ein guter Tag beginnt mit einem Getränk und endet mit schwerem Kopf im Kreisverkehr des eigenen Bettes. Ein guter Tag ist strukturiert nach Lokalen, an denen man ordentlich abhängen kann, während man sich alkoholisch auffüllt. Zuerst geht es in der Stadt in das berühmte Wiener, worin ganze Jahrgänge von Schulschwänzern sitzen. Gegen Abend hin gibt es dann noch einen Abstecher ins Lentsch, denn in dieser öden Dorfsiedlung ist außer dem Lentsch nichts los, so dass man an einem Ort alle trifft, die noch einen Hauch Lebensgeist in sich haben.
Die Probleme reichen von der richtigen Kleidung, über das richtige Aussehen bis hin zur richtigen Sprache, mit der man die Boys in interessante und fade Typen einteilen kann. Zwischendurch rutscht einem auch ein Geschlechtsverkehr heraus, der durchaus Angst machen kann, zumal die Verhütung nicht stimmt.
Manchmal wird die Zeit so fad, dass sich die Erzählerin wieder in die Schule wünscht. Das Leben kann nämlich mitten im Tag stehen bleiben und versickern, wenn man es nicht immer wieder mit etwas Sprit antreibt.
So mehr als Floskel denn als überlegter Gedanke taucht plötzlich der Wunsch auf, nach Venedig zu fahren. Endlich hat das Leben einen Sinn, denn die Erzählerin und ihre Freundin können alle Sehnsucht in dieses Wort hineinlegen: Venedig.
Elias Schneitter erzählt dokumentarisch genau, was sich so alles bei 15-jährigen abspielt. Jeder Satz und jede Fügung sind Zitate jener Sätze, wie sie in Bussen, in Kaufhäusern oder auf Gehsteigkanten vorkommen, wenn Jugendliche beisammen stehen, während die Erwachsenen mit großen Ohren daran vorbei gehen.
"Jus macht Schluss mit lästigen Subjekten", (38) sagt etwa ein angehender Jus-Student. Der Jugendroman erzählt gnadenlos genau von einer Jugend, der die Erwachsenen ein Rätsel sind. So erfährt die Erzählerin von der Oma nichts außer der Farbe der Stuhlgänge. (45)
Venedig ist ein ironisches Erzählunterfangen, in dem jedes Wort stimmt. Nachdenklichkeit geht in Gelächter über, während man als Leser lacht, wird einem schon wieder der Boden der Fröhlichkeit entzogen und der nächste Kübel der Transzendenz über den Kopf gestülpt. - Aufregend.
Elias Schneitter, Venedig. Jugendroman. Ab 14 Jahren2010
Innsbruck: Kyrene 2010. 88 Seiten. EUR 8,50. ISBN 978-3-900009-69-6
Weiterführende Links:
BAES-aktuell
Kyrene-Verlag: lieferbare Bücher