Sebastian Tom Strobl, Zündstoff

Buch-CoverWie alle Gebrauchsgegenstände wird auch die Literatur mittlerweile in großer Stückzahl und nach DIN-Vorschriften hergestellt.

Und auch der so gennannte Leser am freien Markt ist zu Zeiten diverser Buchmessen schon längst ein wohl geformter Konsument geworden, der Krimis für Literatur hält und Bücher übers Essen als sinnstiftend.

Umso dankbarer muss man jedem Autor sein, der sich diesem Betrieb entzieht. Sebastian Tom Strobl macht diesen Entzug gleich dreifach, zum einen publiziert er im Untergrund, zum anderen misstraut er jeder gedruckten Schrift und veröffentlicht im Handschriften-Faksimile und zum dritten erklärt er im Vorwort immer, dass es das letzte Buch ist und er vom Schreiben die Schnauze voll hat. Auch das neue Buch "Zündstoff" ist Jesus gewidmet und enthält eine allgemein gültige Warnung vor Drogen.

Zündstoff ist vielleicht das, was Literatur sein sollte. In der Hand des Autors kann der Text in die Luft gehen, in den Händen des Lesers Explosionen auslösen. Das Leben selbst entpuppt sich als Zündstoff, wenn man es in die Hand nimmt und ab und zu einen Text als Beipackzettel dazu abfasst.

Der Inhalt ist elegant sinnlich. Der Ich-Erzähler lässt sich durch die Tage treiben, flutscht zwischen diversen Frauen hin und her, betreibt den Sex eher interesselos und geilt sich höchstens dadurch auf, dass er ihn verlässlich zu absolvieren im Stande ist.

Zwischendurch besucht er einen in jeder Hinsicht entlegenen Freund in Oberösterreich und verbrennt bei ihm seine bisherigen Schriften. Anschließend schaut er den Frauen beim Joggen, Schwimmen und beim Sex zu und greift jeweils in die Sportart ein, wenn es notwendig erscheint.

Natürlich werden die Freundinnen oft untereinander eifersüchtig und der Held muss sich dauernd entscheiden, was aber nichts bringt. Erst eine Schmetterlingszüchterin bringt etwas Ruhe in den dampfigen Lebensablauf, Versöhnungen mit der Geliebten und der Lebenseinstellung des Großvaters krönen die Beruhigungsphase. Der Zündstoff scheint meditativ gebändigt, dennoch hat man als Leser den Eindruck, dieser Text könnte jederzeit explodieren. -

Ich wollte mit der Sache schon lange abschließen. Ich wurde jedoch nicht richtig damit fertig. (67)

Sebastian Tom Strobl erzählt aufgekratzt mit dem Personal Marke Comics-Figuren des Alltags. Die Entscheidungen laufen streng nach dem Ja-nein-Muster ab, die Farben schwarzweiß, die Stimmungen aufgeputscht und öde. Der Held baggert das Leben mit bloßen Händen ab, und die Tagesrationen sind beträchtlich. Manchmal saust eine Figur wie aus einem Joint ausgebrochen durch die Szenerie, verkleidet sich als Fee und liegt einen Augenblick später unsichtbar unter einer Mullhalde. - Das Leben ist ständig explosiv.

Sebastian Tom Strobl, Zündstoff.
Kufstein: Eigenverlag 2010. 70 Seiten. ISBN 978-3-200-01893-8.

 

Helmuth Schönauer, 04-10-2010

Bibliographie

AutorIn

Sebastian Tom Strobl

Buchtitel

Zündstoff

Erscheinungsort

Kufstein

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Eigenverlag

Seitenzahl

70

ISBN

978-3-200-01893-8

Kurzbiographie AutorIn

Sebastian Tom Strobl lebt als literarisches U-Boot in Kufstein.

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