Delia Müller, Tiroler Identitäten - Herbert Rosendorfer
In der Serie "Tiroler Identitäten" des Innsbrucker Kyrene Verlages werden kulturell bemerkenswerte Personen und Einrichtungen vorgestellt, die dem Land eine gewisse historische Unverwechselbarkeit verpasst haben.
Herbert Rosendorfer gehört zweifelsfrei zu diesen Künstlern, die dem Land einen gewissen skurrilen Geist eingehaucht haben, auch wenn er einen Großteil seines Lebens in Bayern verbracht hat.
Herbert Rosendorfer löst das Problem einer kurzen Biographie mit einer eleganten Lösung: zusammen mit Delia Müller geht er die wichtigsten Stationen des literarischen Schaffens durch und kommentiert aus der aktuellen Gegenwart heraus die verschiedenen Stoffe, Bücher und deren Veränderung im Laufe der Zeit.
So ist dieses Interview auch als Zwischenbilanz zu sehen, denn Herbert Rosendorfer schwärmt geradezu von der Fähigkeit, sich zu verändern, ohne seine Identität aufzugeben. Am Beispiel des Schreibens lässt sich dieses Mitgehen mit den Erfordernissen der Zeit, das Älterwerden, die Gelassenheit gegenüber der eigenen Zukunft gut dokumentieren.
Auch das Gedächtnis lässt sich trainieren. Beobachten ist ganz entscheidend fürs Schreiben. Damit, glaube ich, fängt jeder Autor irgendwann an. Allerdings - ich schränke ein: Sehr viele Schriftsteller beobachten nur sich selber. Horchen nur in sich hinein. Das gibt dann die Tonnen von überflüssigen, langweiligen "Romanen mit stark autobiographischen Zügen". Ich will hier nicht Helene Flöss als Beispiel nennen. (20)
Neben Erklärungen zum Schreiben, über den Werdegang eines Schriftstellers oder die Methode zur Stofferkundung wird immer wieder auch die Frage eingespielt, was macht den Rosendorfer unverwechselbar? Zu diesem Zweck werden die wichtigsten Bücher angeschnitten, die ?Briefe in die chinesische Vergangenheit? etwa, die sich zu einem rasanten Bestseller entwickelt haben, obwohl sie von der offiziösen Germanistik ursprünglich gar nicht wahrgenommen worden sind.
Der Sprung zu einer Tiroler Identität ist bei Rosendorfer ein zweifacher, einmal, weil er hier geboren ist und zum anderen, weil er beinahe logisch wieder nach Südtirol zurückgekehrt ist.
Als meine Pensionierung näher rückte, überlegte ich, wo ich das, was man den Lebensabend nennt, verbringen sollte. Ich erwog von New York über Berlin und Salzburg alles Mögliche, entschied mich aber, mich selbst mit dem Spruch zitierend: "Gegenden nördlich des Alpenhauptkammes sind für menschliches Leben ungeeignet", für Südtirol. (49)
Ironie statt blindem Patriotismus, das macht vielleicht die feine Tiroler-Seele des Herbert Rosendorfer aus. Nahezu unbarmherzig genau ist seine Definition von Heimat:
Heimat ist, wo einen die Feuerwehr kennt. Heimat ist, wo alle die gleichen Hüte tragen. (49)
Tiroler Identitäten - Herbert Rosendorfer. Verstehen Sie Rosendorfer? Eine Biographie von Delia Müller.
Innsbruck: Kyrene 2010. (= Tiroler Identitäten Band 12). 65 Seiten. EUR 10,-. ISBN 978-3-900009-77-9.