Irma Krauß, Ein Versteck im Himmel
"Das Buch, das du in der Hand hältst, erzählt dir von Jascha, der in einer bösen Zeit geboren wurde und beinahe nicht überlebt hätte." (5)
Es ist April 1942. Ein 9-jähriger jüdischer Bub flieht vor seinen Verfolgern in die nahe gelegene Kirche. Er gehört zu den letzten Juden, die aus dem kleinen Städtchen abtransportiert werden sollen. Als er sich im Turm verstecken will, wird er vom "Einarmigen" gepackt und wieder nach unten gebracht. Als sich aber von draußen die Schritte der Wachmannschaften nähern, erlaubt er Jascha so lange zu bleiben, bis sich die Lage wieder beruhigt hat.
Jascha überwindet die Enttäuschung. Er wartet. Er ist nicht viel schlimmer dran als in den vergangenen vier Jahren. Er ist allein auf sich gestellt, seit er sechs wurde, und das ist schon alles. Das ist in gewisser Weise sogar besser als die Hoffnung, jemand würde sich um ihn kümmern. (15)
Jaschas Eltern Max und Fanny Rosen wurden von den Nazis hingerichtet, als Jascha vier Jahre alt war. Danach lebte er bei Tante Sophie und Onkel Simon. Als sie sich auf den Weg machen, um nach Amerika auszuwandern, nehmen sie nur Jaschas Bruder Hermann mit und lassen ihn zurück, weil er noch zu klein ist.
Alles was Jascha weiß, wie z.B. Lesen und Schreiben, hat ihm sein Bruder Hermann beigebracht, der ihm versprach, zurück zu kommen, um auch ihn nach Amerika zu holen. Er gab ihm noch Ratschläge mit auf den Weg und hat ihn gewarnt, dass noch niemand zurückgekommen sein soll, den die Nazis einmal abgeholt haben. Jascha hatte schon öfter den Versuch unternommen zu fliehen, aber niemand hatte ihm bisher die Tür geöffnet um ihn im Haus zu verstecken. Alle hatten Angst davor, selbst in Schwierigkeiten zu kommen, nicht einmal die angeblich beste Freundin seiner Mutter in der Oberstufe.
Auch der Einarmige hat ein hartes Schicksal hinter sich. Er hat seinen Arm im 1. Weltkrieg verloren, zwei Söhne sind in Russland gefallen und seine Frau redet seit dieser Zeit kein Wort mehr. Im Laufe der Zeit kommen sich der Einarmige und Jascha immer näher und aus einem vorübergehenden Unterschlupf im Kirchturm wird schließlich ein dreijähriges Versteck vor den Schergen der Nazis.
Der Einarmige ist ein rauer Gesell, der sehr unter dem Verlust seines Armes und seiner beiden Kinder im Krieg leidet und seine Wut darüber auch Jascha immer wieder spüren lässt. Vor allem aber ist der Einarmige darauf bedacht, Jascha so gut wie möglich sowohl im Turm als auch im Dach zu verstecken, da die Polizei die Suche nach dem Jungen lange Zeit nicht aufgegeben hat.
Hin und her gerissen zwischen Fliegeralarm, der ständig drohenden Gefahr entdeckt zu werden, persönlichen Gesprächen mit dem Einarmigen und Erinnerungen an seine Familie vergehen die Jahre und Jascha gewöhnt sich immer mehr an die derbe Art des Einarmigen, für den Jascha allmählich zum Ersatz für seine verstorbenen Söhne wird. Ausgerechnet die alliierten Truppen bringen Jascha in den letzten Kriegsmonaten in Lebensgefahr.
Irma Krauß erzählt die berührende Geschichte eines jüdischen Jungen, der während der Zeit der Naziherrschaft in Deutschland verfolgt wird und nur dank der Zivilcourage des einarmigen Türmers einer Kleinstadt überlebt. Es ist die Geschichte von einfachen Menschen, die aufgrund ihres Schicksals und ganz ungewollt zu Opfern oder zu Helden werden. Kraus gelingt es dabei, die Schrecken der Zeit der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und die Judenverfolgung im 3. Reich auch für jüngere Leserinnen und Leser verständlich aufzubereiten und emotional näher zu bringen. Die Worterklärungen und die Zeittafel am Ende des Buches geben einen Überblick über die wichtigsten Begriffe und Ereignisse für diesen Zeitraum.
Ein überaus gelungenes und bewegendes Buch, das gerade jungen Menschen einen empfehlenswerten Einstieg zu einem schwierigen Thema bietet.
Irma Krauß, Ein Versteck im Himmel. Ab 10 Jahren
München: Cbj-Verlag 2011, 160 Seiten, 6,20 EUR, ISBN 978-3-570-22237-9
Weiterführende Links:
Cbj-Verlag: Irma Krauß, Ein Versteck im Himmel
Wikipedia: Irma Krauß
Andreas Markt-Huter, 09-09-2011