Gail Giles, Der erste Tod der Cass McBride
"Wo war ich? Ich war in irgendetwas Kleinem und Dunklem und Feuchten gefangen und ... Ich sog Luft ein und schrie. Ich schrie, bis meine Blutgefäße im Gesicht und Nacken zu platzen schienen." (18)
Gail Giles Thriller ist kein Roman für sensible Naturen mit einer Vorliebe für Liebesgeschichten. Minutiös rollt sie einen Entführungsfall vor unseren Augen auf und zieht uns magisch mitten hinein in einen wahren Alptraum. Wir werden gleichzeitig Komplize des Täters, des Opfers und des ermittelnden Polizeibeamten und lernen deren Gedankenwelt, Psyche und Geschichte hautnah kennen.
Mit einer geschickten Erzähltechnik erleben wir Denken und Handeln sowohl von Cass McBride, dem Entführungsopfer, als auch von Kyle Kirby, dem Entführer, aus der Ich-Perspektive des Erzählers. Daneben begleiten die Leserinnen und Leser den ermittelnden Detective Ben Gray aus der Distanz des Zuschauers.
Die unterschiedlichen Perspektiven der Erzählung spielen zudem in verschiedenen Zeitebenen, wobei Cass McBrides Geschichte die Zeit ihrer Gefangennahme und Auseinandersetzung mit ihren Entführer Kyle Kirby schildert. Detective Gray erleben wir bei seinen 48-stündigen Ermittlungen, zur Befreiung von Cass McBride und Kyle Kirby erzählt die Einvernahme durch die beiden Beamten Ben Gray und Scott Michaels nach seiner Festnahme.
Die siebzehnjährige Cass McBride wird vom zwanzigjährigen Studenten Kyle Kirby entführt, der sie für den Selbstmord seinen Bruders David verantwortlich macht. Nachdem es David nicht gelungen war, die "Highschool-Diva" Cass auf ein Date einzuladen und er einen Zettel gefunden hatte auf dem sie ihn herabwürdigt, erhängt sich David an einem Baum. Kyle dringt in das Schlafzimmer des Mädchens ein, betäubt und entführt sie.
Als Cass aus ihrem Schlaft erwacht, findet sie sich plötzlich eingesperrt in einem Sarg wieder, der bereits mit Erde bedeckt wurde. Nur ein Luftschlauch und ein Walkie-Talkie-Gerät verbinden sie noch mit der Außenwelt. Als sie erfährt wer sie entführt hat und warum beginnt ein Wettlauf mit der Zeit und ein psychologischer Kampf zwischen Opfer und Täter, bei dem sich immer mehr Gemeinsamkeiten zwischen den beiden erkennen lassen.
Währenddessen wird die Abwesenheit des Mädchens bemerkt und die beiden Detectives Ben Gray und Scott Michaels beginnen ihre Ermittlungen in einem Entführungsfall. Als erfahren Polizeibeamte wissen sie, dass die meisten Opfer nur innerhalb der ersten 48-Stunden gerettet werden können.
Gail Giles liefert mit Der erste Tod der Cass McBride einen atemberaubenden Thriller, der die Leserinnen und Leser von der ersten bis zur letzten Minute in Atem hält. Wir dringen dabei in die Psyche von Opfer und Täter, sind bei den Ermittlungsarbeiten von Polizisten hautnah mit dabei und werden in die sozialen Strukturen einer Highschool eingeweiht. Wir erleben aber auch die Verletzbarkeit der menschlichen Psyche, wie Hass, Demütigung, Ablehnung aber auch das Streben nach oberflächlichem Erfolg Menschen prägen und formen und letztlich eine Katastrophe auslösen.
Ein fulminanter Thriller für Jugendliche auf hohem Niveau der auch Erwachsene in seinen Bann ziehen wird. Ein Leseerlebnis der besonderen Art.
Gail Giles, Der erste Tod der Cass McBride. Übers. v. Eva Plorin, ab 15 Jahren
Stuttgart: Thienemann-Verlag 2011, 240 Seiten, 14,30 EUR, ISBN: 978-3-522-20126-1
Gail Giles, die ehemalige High-School-Lehrerin, hat bereits mehrere preisgekrönte Jugendromane zu brisanten, stets unter die Haut gehenden Themen veröffentlicht. In den USA gilt sie als die "Queen of Thrillers for Young Adults" (Publisher´s Weekly).
Weiterführende Links:
Thienemann-Verlag: Gail Giles, Der erste Tod der Cass McBride
Wikipedia: Gail Giles (engl.)