Michelle Lovric, Melodie der Meerjungfrauen

Venedig, die alte Stadt im Meer, bildet die historische Kulisse für eine gruselige Geschichte, die am Ende des 19. Jahrhunderts spielt. Schreckliche Vorzeichen kündigen den drohenden Untergang der Stadt an, die von ihrer finsteren Vergangenheit eingeholt wird.

Michelle Lovric lässt die Geschichte wie einen Gruselfilm beginnen: Dichter Nebel liegt über der Stadt Venedig. Eine Familie will ihre Tochter in San Donata taufen lassen und obwohl sich der Gondoliere lange weigert, die Familie mit seiner Gondel über zu setzen, machen sie sich schließlich auf den Weg. Es kommt zum großen Unglück, bei dem alle, bis auf das Baby, ums Leben kommen. Schnitt - Elf Jahre später.

Teodora, ist ein Mädchen von elf Jahren, sie lebt in Neapel und hält sich selbst nicht für besonders attraktiv. Nur eines liebt sie: Bücher. Und es ist auch ein Buch über Venedig, das im Mädchen schon vor Jahren eine unerklärlich tiefe Sehnsucht nach der Stadt in der Lagune geweckt hat. Sie nützt ihre Chance und begleitet ihre Adoptiveltern nach Venedig, die als Wissenschaftler, die zu einer Notstandskonferenz nach Venedig eingeladen worden sind, "die zur Rettung der Stadt einberufen wurde", denn: "Seit ein paar Monaten war Venedig von einer Welle seltsamer, finsterer Ereignisse überschwemmt worden." (19)

Die Leserinnen und Leser erleben nun die schicksalhaften Tage zwischen dem 1. - 18. Juni 1899 hautnah mit, die Teodora, die kurz Teo genannt wird, mit ihrer eigenen Vergangenheit und der Vergangenheit der Stadt konfrontieren und die sie untrennbar mit dem Schicksal der Venedigs verbinden. Und auch hier spielt wieder ein Buch eine maßgebliche Rolle. In einer Buchhandlung mit steinernen Meerjungfrauen über der Eingangstür fällt Teo ein Buch auf den Kopf. Ein Buch ohne Titel auf dem Einband nur mit der Abbildung einer jungen Frau.

Von nun an überschlagen sich die merkwürdigen Ereignisse. Die junge Frau auf dem Umschlag zwinkert ihr zu und auf der ersten Seite erblickt sie ihren eigenen Namen in einer altertümlichen Handschrift. Flugblätter warnen die Venezianer vor einem drohenden Unheil, Skulpturen beginnen sich zu bewegen. Sie beobachtet einen Mann ohne Kopf und eine riesige weiße Fledermaus, die etwas aus einem offenen Grab zerrt. Die Meerjungfrauen in der Lagune der Stadt haben Teo schon erwartet. Sie soll ihnen helfen, Venedig vor der Vernichtung durch das Böse zu retten.

Michelle Lovric erzählt eine packende Geschichte, in der die Stadt Venedig eine Hauptrolle spielt. Gemeinsam mit der Heldin bewegen sich die Leserinnen und Leser sowohl durch die engen Gasse und Kanäle als auch durch die dunkle Geschichte der Stadt auf dem Meer. Eine melancholische Gespenstergeschichte, in der die Heldin gemeinsam mit Meerjungfrauen den  dunklen und bösen Mächten gegenüber steht. Dabei baut Lovric den Spannungsbogen gezielt langsam auf, um die Leser nach und nach mit den Geheimnissen hinter der schönen Kulisse der Stadt zu konfrontieren.

Ein spannendes Lesevergnügen für alle, die eine gruselige Schauergeschichte in einem historischen Ambiente und einer außergewöhnlichen Stadt zu schätzen wissen.

Michelle Lovric, Melodie der Meerjungfrauen. Übers. Barbara Abedi, ab 14 Jahren
Bindlach: Loewe-Verlag 2010, 512 Seiten, 19,50 EUR, ISBN 978-3-7855-6870-5

Weiterführende Links:
Loewe-Verlag: Michelle Lovric, Melodie der Meerjungfrauen
Homepage: Michelle Lovric (engl.)

Andreas Markt-Huter, 24-02-2010