Richard Harland, Worldshaker

Buch-Cover

Der römische Politiker und Philosoph Lucius Annaeus Seneca vertrat die Ansicht: "Nicht die ans Licht gekommenen Wahrheiten fördern Revolutionen, sondern Wahrheiten, die unterdrückt wurden."

Die Themen Wahrheit, soziale Gerechtigkeit und Revolution stehen auch im Mittelpunkt des Fantasyromans Worldshaker des englischen Autors Richard Harland, in dem wir eine Welt aus Stahl und Dampf, überzogen mit der Patina des 19. Jahrhunderts betreten.

Der Worldshaker ist das riesige Weltschiff des britischen Empires das die Weltmeere und Kontinente durchkreuzt und mit den Weltschiffen anderer Großmächte im Wettstreit steht. Es ist die schwimmende und fahrende Kommandozentrale, auf der sich die Elite des britischen Reiches, seine Regierenden Kommandanten und die Herrscherin Queen Victoria II. versammeln. Ohne Rücksicht auf andere Menschen überquert das riesige Schiff ganze Landstriche und zieht eine Spur der Verwüstung mitten durch bewohnte Städte.

Auf dem Worldshaker selbst herrscht im oberen Bereich des Ozeanriesen innerhalb der Elite eine strenge, unerbittliche und hierarchisch gegliederte Klassengesellschaft. In den unteren Decks leben die sogenannten Dreckigen, vollkommen vom Leben der Herrschenden abgeschlossen, unter schrecklichen sozialen und gesundheitlichen Verhältnissen. Sie werden wie Tiere gehalten und müssen unter widrigsten Verhältnissen härteste Arbeiten verrichten. Nur selten werden die meist jugendlichen "Dreckigen" älter als vierzig Jahre.

Vor diesem Hintergrund trifft der 16-jährige Col Porpentine, Enkel des Oberbefehlshabers und Mitglied der einflussreichsten Familie auf dem Worldhaker auf die 14-jährige Riff, eine Anführerin der Dreckigen aus den Unterdecks. Sie betritt auf der Flucht vor den Sicherheitsbeamten seine Kabine und anstatt sie auszuliefern, versteckt er sie instinktiv unter seinem Bett vor dem drohenden Eingriff in der Korrekturkammer, wo "Dreckige" zu willenlosen Dienstboten der Oberschicht umfunktioniert werden.

Die Begegnung mit Riff bringt Cols ganzes bisheriges Leben durcheinander und er beginnt Dinge zu erfahren, die er in seinem sorglosen Leben nicht für möglich gehalten hätte. Anstatt einer dummen Wilden, die weder denken noch sprechen kann, begegnet er in Riff einem jungen Mädchen mit scharfem Verstand und Urteilsvermögen, das ihm nicht mehr aus den Sinn kommt.

Als Col von seinem Großvater Sir Mormus Porpentine zu seinem künftigen Nachfolger als Oberbefehlshaber des Worldshakers bestimmt wird, beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen. Als Col versucht Riff ein Buch über den Versorgungsschacht zukommen zu lassen, ertappen ihn seine Schulkollegen und Konkurrenten auf frischer Tat. Bei einem anschließenden Handgemenge stürzt Col selbst in den Versorgungsschacht und findet sich im Unterdeck inmitten der "Dreckigen" wieder. Riff rettet ihn vor der Verfolgung durch ihre Freunde, im Gegenzug verspricht er ihr einen Weg in die Oberdecks zu eröffnen.

Nachdem Cole wieder aus den Unterdecks zurückkehrt, wird er als Verräter verdächtigt und in den Machtkampf zwischen den Elitefamilien um die Vorherrschaft auf dem Worldshaker verstrickt. Seine Autorität als Enkel des Oberbefehlshabers beginnt zunehmend zu schwinden und er sieht sich einem immer stärker werdenden Druck seiner Mitschüler ausgesetzt.

In dieser Situation kommt ihm Riff zu Hilfe, die ihn in ihren Kampftechniken unterweist. Im Gegenzug bringt er ihr Lesen und Schreiben bei und erfährt die Wahrheit über die grausame Herrschaft der Oberschicht. Aber während Cole sich auf den drohenden Kampf mit seinen Schulkollegen aus den konkurrierenden Elitefamilien vorbereitet, plant Riff die Revolution der "Dreckigen" aus den Unterdecks.

Richard Harland ist mit seinem utopischen Gesellschaftsroman ein grandioser Jugendroman geglückt, der sich von der ersten bis zur letzten Seite spannend liest. Der überaus detaillierten Beschreibung des Aufbaus des Weltenschiffs auf technischer Seite, entspricht die ebenso präzis durchdachte gesellschaftliche Struktur der Oberschicht und ihrer Unterdrückungs- und Herrschaftsmechanismen.

Worldshaker ist aber auch ein Entwicklungsroman, in dem sich der junge Held von einem verwöhnten, sorglosen Leben verabschiedet und die Augen für die Realität zu öffnen beginnt, die Unterdrückung und Verbrechen, die ganz speziell von seiner eigenen Familie ausgehen, erkennt und sich zu einer bewussten Persönlichkeit entwickelt, die sich für die Menschlichkeit und Gerechtigkeit und gegen die Unmenschlichkeit im Namen einer dumpfen Familienloyalität entscheidet.

Auch wenn die Beschreibung der sogenannten "Dreckigen" aus den Unterdecks im Vergleich mit der Gesellschaft der Oberdecks ein wenig farblos erscheint und auch bei so mancher Gewaltszene am Ende des Buches weniger detaillierte Grausamkeiten mehr gewesen wären, kann allen jugendlich Leserinnen und Lesern Richard Harlands "Worldshaker" als spannende Lektüre auf hohem Niveau weiterempfohlen werden.

Richard Harland, Worldshaker. Übers. Werner Leonhard, ab 13 Jahren
Berlin: Verlag Jacoby & Stuart 2010, 391 Seiten, 17,50 EUR, ISBN 978-3-941087-07-7

 

Weiterführende Links:
Verlag Jacoby & Stuart: Richard Harland, Worldshaker
Wikipedia: Richard Harland

 

Andreas Markt-Huter, 27-09-2010

Bibliographie

AutorIn

Richard Harland

Buchtitel

Worldshaker

Originaltitel

Worldshaker

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Verlag Jacoby & Stuart

Übersetzung

Werner Leonhard

Seitenzahl

391

Preis in EUR

17,50

ISBN

978-3-941087-07-7

Kurzbiographie AutorIn

Richard Harland wurde in Huddersfield in England geboren. Bereits in seiner Kindheit verkaufte er mit seinem Cousin Abenteuergeschichten auf dem Schulhof. Er studierte in Australien wo auch blieb und zunächst als Musiker und später als Dozent an der Wollongong Universität arbeitete. Heute lebt er als freier Schriftsteller in New South Wales.