Groteske um Bundesbuchbeschaffung: Buchpreisbindung in Gefahr

Die Bundesbeschaffungsgesellschaft des Finanzministeriums lässt prüfen, ob das Buchpreisbindungsgesetz, das wenige Monate zuvor einstimmig im Nationalrat beschlossen wurde, verfassungskonform ist.

Es war ein großer Aufschrei als der Libro Konzern vor ein paar Jahren den Versuch unternommen hatte, das Buchpreisbindungsgesetz durch die EU-Kommission als wettbewerbswidriges Gesetz aufheben zu lassen. Gefragt wurde: Ist das Buchpreisbindungsgesetz verfassungs- und EU-konform? Der Versuch scheiterte und das Buchpreisbindungsgesetz, das einen fest geregelten Buchpreis für ganz Österreich vorschreibt, wurde im August 2004 einstimmig im Nationalrat auf unbestimmte Zeit verlängert.


Lesen in Tirol berichtete am 7. Juli 2004 über die Hintergründe der Auseinandersetzung um die Buchpreisbindung.

 

Ziel des Gesetzes ist es, in Österreich eine literarische Vielfalt aufrecht zu erhalten, indem kleine Verlage und Buchhandlungen durch fixierte Buchpreise vor dem Preisdruck großer Handels- und Verlagsgesellschaften geschützt werden. Rüdiger Wischenbart formulierte das ausbalancierte System des Buchhandels folgendermaßen:

Buchhandlungen sind Nahversorger und als solche Garanten kultureller Vielfalt. Damit diese auch Käufer finden, dürfen die speziellen, lokale Interessen ?bedienenden? Titel jedoch nicht viel teurer sein als die gängige Massenware. Sonst findet sich in öffentlichen wie privaten Bücherregalen bald nur mehr Harry Potter. Dieses System ist filigran. Deshalb haben sich eine Reihe von Mechanismen ausgebildet, um es auszubalancieren: Für Bücher fällt nur die halbe Umsatzsteuer an. Die Verlagsförderung unterstützt spezialisierte Titel, die auf ein österreichisches - also kleines - Publikum zielen.
Rüder Wischenbart, Der Standard, 16.11.2004

Das allgemein anerkannte System der Buchpreisbindung, das vom Staat per Gesetz vorgeschrieben und vor drei Monaten bestätigt worden ist, wird nun durch den Staat selbst in Frage gestellt. Genauer gesagt durch die Bundesbeschaffungsgesellschaft, kurz BBG genannt. Diese Gesellschaft wurde von der Regierung vor zwei Jahren ins Leben gerufen, um dem Bund durch den zentralen Einkauf von Waren Geld einzusparen. (1)

Da zu diesen Waren auch die "Ware Buch" zählt, machte die BBG folgerichtig eine Ausschreibung für alle Bücher und Zeitschriften die für den Bund angekauft werden sollen. Den Zuschlag für die Lieferung von Büchern und Zeitschriften im Ausmaß von 6 Millionen Euro erhielt Österreichs größte Buchhandelsfirma Morawa, mit ihrem Angebot von 16% Rabbat auf das Gesamtumsatzvolumen.


Das Gesetz über die unbefristete Verlängerung der Buchpreisbindung wurde im August 2004 im Parlament behandelt und einstimmig von allen Abgeordneten beschlossen.

 

Laut Gesetz zur Buchpreisbindung ist für den Buchhandel aber lediglich ein Rabbat von 5% zulässig. Da dieser nach oben hin begrenzte Rabbat nicht für Zeitschriften gilt, gelang es Morawa diese Begrenzung durch einen entsprechend erhöhten Rabbat auf die Zeitungen so ausgleichen, dass im Durchschitt 16% Rabbat für das "Gesamtpaket Bücher und Zeitschriften" erzielt worden sind.

Bereits im Mai 2004 forderten Abgeordnete in einem Entschließungsantrag den Nationalrat auf, dass Bücher weiterhin nicht durch die BBG eingekauft werden sollen:
Eine Ausnahme der Beschaffung von Fachbüchern aus der zentralen Ankaufspolitik des Bundes stellt daher die einzige Alternative zum sukzessiven Zusammenbruch der österreichischen Buchhandelsstruktur dar.
Entschließungsantrag, 392/A (E) XXII. GP

Auch ein Bericht des parlamentarischen Kulturausschusse setzte sich im Juli ausdrücklich mit dem Thema auseinander. (2)
Der Hauptverband des österreichischen Buchhandels reagierte auf das Angebot Morawas schließlich mit einer Klage gegen sein eigenes Mitglied, wegen des Verdachts, gegen die Buchpreisbindung verstoßen zu haben.


Die Bundesbeschaffungsgesellschaft tritt der Klage des Hauptverbands des Buchhandels auf Seiten von Morawa
gegenüber und lässt dabei die Verfassungskonformität der gesetzlichen Buchpreisbindung überprüfen.

 

Am 11. November berief der Präsident des Hauptverbandes Alexander Potyka eine Pressekonferenz ein, in der er seinen Standpunkt erläutert:

In der Zwischenzeit bekommen viele Buchhandlungen die Folgen des Auftrages an Morawa & Co bereits zu spüren. "Viele Kolleginnen und Kollegen haben davon berichtet, dass Morawa & Co direkt die Fortsetzungen und Abos bei ihnen storniert, teilweise unter Nichteinhaltung der zwischen den Buchhandlungen und Bundesdienststellen vereinbarten Kündigungsfristen", sagte Erwin Riedesser. [?] Dieser Gesamtrabbat widerspricht nach Auffassung des Hauptverbands eindeutig dem seit 2000 geltenden Buchpreisbindungsgesetz, das nur einen Rabbat von 5% auf Bücher erlaubt. Der Hauptverband hat deshalb gegen Morawa & Co eine Klage, gestützt auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, eingebracht. Dieser Klage hat sich die BBG auf Seiten von Morawa angeschlossen. Im Zuge des Verfahrens hat die BBG nun die Buchpreisbindung in Frage gestellt.
Presseinformation des Buchhandels, 11.11.2004

Besonders skurill erscheint die Angelegenheit aber durch die Beteiligung der BBG am Verfahren. Die BBG,  die übrigens eine 100% Tochter des Finanzministeriums ist, will nun folgende Frage klären lassen: Ist das Buchpreisbindungsgesetz verfassungs- und EU-konform?

Die etwas merkwürdige und eigenartige Konsequenz könnte sein: Was Libro vom Bund vor knapp drei Monaten endgültig verwehrt worden ist, strengt der Bund (welcher Bund?) nun selbst durch ein Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof an: die Aufhebung der Buchpreisbindung!

 

Weiterführende Links:
Preisbindung für Bücher bleibt aufrecht! Lesen in Tirol (7.7.04)
BBG attackiert Buchpreisbindung (Standard, 15.11.04)
Zinggl: Zentrale Bücherbeschaffung unterläuft Buchpreisbindung (APA 11.11.04)
Cornelia Niedermeier: Feiern vor dem Abgrund (Standard, 15.11.04)
Ludwig Laher: Infight im Kulturstaat (Standard, 15.11.04)

 

Andreas Markt-Huter, 18-11-2004

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