Literaturgeschichte in der Unterstufe – ein Stiefkind im Deutschunterricht?

Wo kommt Literatur her, wie hat sie sich entwickelt, was haben Menschen in vergangenen Zeiten gelesen? Ein Versuch, anhand eines Streifzuges durch die Geschichte der Literatur und unter Aufzählung von Werken, Literaturgeschichte als Bestandteil unseres Unterrichts vermehrt in Erinnerung zu rufen. 

Im Folgenden möchte ich Beispiele, ich möchte sie als Klassiker bezeichnen, ausgehend von den antiken Werken der Griechen bis hin zur Literatur des 20. Jahrhunderts, aus den verschiedenen Epochen der Literatur anführen, welche auch im Deutschunterricht mit Schülern behandelt werden können, denn das Kennen von Literatur gehört meiner Meinung nach zur Allgemeinbildung. Besonders in der Unterstufe, wo auch Schüler noch erreicht werden können, die später wahrscheinlich nur mehr selten mit Literatur konfrontiert werden, weil sie keine höhere Schule anstreben, sollte dieses Wissen seinen Platz finden. Oder vor allem deswegen!

Alle angeführten Literaturbeispiele können problemlos im Unterricht ihren Platz finden und von den Schülern verstanden werden.

Griechische Epen

Beginnen möchte ich mit den Werken der Griechen. Die Ilias, welche die zehnjährige Belagerung Trojas zum Inhalt hat, und die Odyssee mit den abenteuerlichen Irrfahrten des Odysseus nach Beendigung des trojanischen Krieges.

Diese Epen entstanden ca. 800 vor Christi Geburt und stammen vermutlich aus der Feder von Homer, dem blinden Sänger.

Ritterliche Dichtung

Die mittelalterliche Dichtung, mit ihrem Höhepunkt um 1200, entstand für das Rittertum und handelt vom Rittertum. Seit der germanischen Völkerwanderung (um 375 bis ca. 600) gab es immer wieder Heldenlieder, die mündlich weiter gegeben und somit vielfach auch umfangreicher wurden.

Ein in der Schule gut einsetzbares Beispiel ritterlicher Dichtung ist das Nibelungenlied, vermutlich von einem österreichischen Dichter um 1200 verfasst. In diesem Heldenepos vermischen sich Sagenhaftes mit historisch Nachvollziehbarem zu einem interessanten Stoff.

Nicht vergessen sollte man auf die mittelalterliche Form des Minnesangs, als Beispiel seien die Lieder von Walther von der Vogelweide angeführt.

Die bürgerliche Literatur

Mit dem Rittertum verfiel im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts auch die ritterliche Dichtung. Das Bürgertum wurde zum Träger der Kultur und Literatur, und vor allem nach Erfindung des Buchdrucks (um 1450) wurden Bücher wesentlich billiger hergestellt. Die Literatur dieser Zeit, nicht mehr in Versen, sondern in Prosa geschrieben, konnte effektiver verbreitet werden.   

Noch heute bekannt sind die Volksbücher Till Eulenspiegel und  Die Schildbürger. Aufmerksame Zuhörer finden immer noch die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen.

Die Barockliteratur

Das Barock ist das Zeitalter der absoluten Fürstenmacht, prunkvoller Kirchen, Paläste und Kirchen, aber auch langer Kriege, fürchterlicher Seuchen und bitterer, wirtschaftlicher Not bei Bauern und kleinen Leuten.

Der bedeutendste Roman aus dieser Zeit stammt von Hans Jakob Christophel von Grimmelshausen und heißt Der abenteuerliche Simpliccisimus.  Die Hauptfigur seines Romans ist Simplicius Simplicissimus (der Einfältige), ein simpler Bauernbursche, der sich geschickt und gerissen durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges schlägt. Schließlich kehrt es der unheilvollen Welt den Rücken und findet als Einsiedler zu Gott.

Grimmelshausen, selbst hatte ein abenteuerliches Leben u.a. als Soldat im Krieg und vermischte Erlebnisse, Erdichtetes und Gelesenes in seinem Schelmenroman.

Aufklärung, Sturm und Drang

Durch Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse wollten die Aufklärer den Menschen aus seiner Unmündigkeit herausführen. Mit dem Verstand hat der Mensch die Fähigkeit, gesellschaftliche, wirtschaftliche und auch religiöse Probleme zu lösen. Der Schriftsteller Gotthold Ephraim Lessing forderte z.B. Toleranz gegenüber allen Religionen in seinem Schauspiel Nathan der Weise. Der Jude Nathan macht mit einem Gleichnis dem Sultan klar, dass alle Religionen wahr und göttlichen Ursprungs sind. Alle bewirken, dass man ein besserer Mensch wird.

Um den einundzwanzigjährigen Goethe versammelten sich 1770 in Straßburg einige junge Dichter, die sich zum Ziel setzten, im Leben des Menschen auch dem Gefühl, der Leidenschaft und der Fantasie zum Durchbruch zu verhelfen. Goethe und Schiller zählen zu den größten dichterischen Begabungen des Sturm und Drangs.

Schon damals wurde Goethe zum gefeierten Dichter und erregte großes Aufsehen mit seinem in Briefform verfassten Roman Die Leiden des jungen Werther.

Die deutsche Klassik

Das große Vorbild des weiteren Denkens und Schaffens von Goethe und Schiller war die

griechische und römische Antike. Diese Epoche der Literatur ist als die deutsche Klassik bekannt. Aus den vielen Werken möchte ich bekannte Balladen anführen, die im Unterricht den Schülern bekannt gemacht werden sollten: Schillers Der Taucher und Goethes Zauberlehrling.

Das österreichische Biedermeier

Mit Biedermeierzeit bezeichnet man die Jahre von 1815 bis 1848, also die Zeit nach dem Wiener Kongress.

Mit Franz Grillparzer waren es vor allem Ferdinand Raimund und Johann Nestroy, die es zu erwähnen gilt. Raimund, Schauspieler, Regisseur und Theaterdirektor schrieb neben acht Dramen die viel gespielten Stücke Der Bauer als Millionär und Der Verschwender. Er wollte auf unterhaltsame Weise dem Publikum Lehren erteilen: Der plötzlich reich gewordene Bauer Wurzel verliert all seinen Reichtum, weil er seiner Tochter einen wohlhabenden Mann aufzwingen will. Der Verschwender Flottwell verprasst sein Geld mit falschen Freunden und wird zum Bettler. Damit wurde dem kleinen Mann auf heitere Art bewusst gemacht, dass Reichtum allein nicht glücklich macht.

Nestroy legt mit seinen Stücken die Schwächen und Mängel der Menschen bloß und gibt sie der Lächerlichkeit preis.  Der böse Geist Lumpazivagabundus,  Einen Jux will er sich machen  und Der Talisman sind Stücke, die heute noch viel gespielt werden. Der Talisman mit seiner Ausgrenzung von Menschen, in diesem Fall von Rothaarigen, beinhaltet eine Thematik, die auch heute noch aktuell ist, nur betrifft es jetzt andere Personengruppen, Religionen, Ausländer usw.

Der Realismus

Mitte des vorigen Jahrhunderts setzte in Europa eine geistige Bewegung ein, welche die Wirklichkeit nachgestalten wollte. Diese Bewegung bezeichnen wir als Realismus, in der eine Fülle von Romanen, Erzählungen und Novellen entstand.

Der Schimmelreiter von Theodor Storm stammt aus dem nördlichen Teil des deutschen Sprachraumes. Es ist die Geschichte von Hauke Haiens, der sich mit Fleiß und Begabung zum Deichgrafen emporarbeitet. Er kämpft nicht nur gegen Neid und Besserwisser, sondern auch gegen die Gewalten der Natur und des Meeres, denen seine Frau sein Kind zum Opfer fallen, bevor er sich schließlich mit seinem Schimmel ins Meer stürzt.

Aus der Steiermark kennen wir den Heimatdichter Peter Rosegger, den Bergbauernbub, der eng mit seiner Heimat verbunden ist und über sie und die Menschen erzählt, die dort leben.  

Waldheimat, Als ich noch ein Waldbauernbub war und Als das Christkind lächeln musste sind Beispiele, von denen das eine oder andere den Schülern näher gebracht werden soll.

Die deutschsprachige Literatur im 20. Jahrhundert

Der Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie, die Zwischenkriegszeit und die Zeit des Zweiten Weltkrieges, waren die prägenden historischen Ereignisse.

 Jedermann  von Hugo von Hofmannsthal, Ödon von Horvath mit seinen  Geschichten aus dem Wienwald sollen an dieser Stelle angeführt werden.

Für die Schule geeignet erscheint mir jedoch Mutter Courage und ihre Kinder vom Augsburger Bertold Brecht. Seine Themen sind der von anderen unterdrückte und erniedrigte Mensch, die soziale Ungerechtigkeit und der Krieg, wie eben in Mutter Courage und ihre Kinder. Eine Händlerin im Dreißigjährigen Krieg, genannt Mutter Courage, nützt den langen und grausamen Krieg  dazu aus, zu verdienen. Allerdings verliert sie in diesem Krieg auch ihre drei Kinder. Brecht klagt in seinem viel gespielten Theaterstück den Krieg an.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde in Österreich und Deutschland nur Literatur genehmigt wurde, die dem Nationalsozialismus positiv gegenüber stand. Anders  in der Schweiz, wo es keinen Umbruch und keine Umwälzungen gab. Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt sind jene beiden Dramatiker, deren Werke im Unterricht durchaus Verwendung finden können.  Vor allem Der Besuch der alten Dame von Dürrenmatt ist ein fesselndes Theaterstück, in dem er diejenigen angreift, die für Geld zu allem bereit sind, auch zur Tötung eines Mitbürgers.

Gegen das Fortsetzen der Literatur aus der Zeit der Ersten Republik wandte sich in Österreich die Wiener Gruppe. So machte sie die Sprache selbst zum Thema H. C. Artmann etwa verwendete den Wiener Vorstadtdialekt (med an a schwoazzn dintn). Er löst damit eine Dialektwelle aus.

Wenn ich eingangs erwähnt habe, dass ich Werke aus den verschiedenen Epochen der Literatur anführen werde, welche im Deutschunterricht mit Schülern behandelt werden können, so stelle ich an dieser Stelle die Forderung, dass jeder Schüler einen Überblick über die Entwicklung der Literatur haben sollte, und mit den bedeutendsten Schriftstellern im deutschen Sprachraum und deren Werken konfrontiert werden muss. Es soll vermieden werden, dass Literatur im Unterricht als Stiefkind  behandelt wird. 

Quellen:

KILLINGER Robert: Arbeitsbuch Deutsch 4, Verlag Hölder-Pichler-Tempsky, Wien-Graz 1983, 2. Auflage

FRENZEL E. und H.A: Daten deutscher Dichtung, Chronologischer Abriß der deutschen Literaturgeschichte, Band 1, Deutscher Taschenbuch Verlag, 20. Auflage November 1982

FRENZEL E. und H.A: Daten deutscher Dichtung, Chronologischer Abriß der deutschen Literaturgeschichte, Band 2, Deutscher Taschenbuch Verlag, 21. Auflage November 1984



Quelle oder Autor/-in: Erich Lederer (RE)

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