Tiroler Volksleben zur beginnenden Winterzeit

Martini steht vor der Tür und bietet wieder die Gelegenheit an altes Tiroler Brauchtum zu erinnern und Geschichten vorzustellen, die vor mehr als 100 Jahren in Tirol erzählt worden sind. Aufgezeichnet wurden sie vom österreichischen Kulturhistoriker Ludwig von Hörmann.

Im Jahr 1909 erschien sein Buch "Tiroler Volksleben. Ein Beitrag zur deutschen Volks- und Sittenkunde". Ludwig von Hörmann, hatte mehr als 50 Jahre damit verbracht Sitten, Bräuche und Lebensgewohnheiten in Tirol festzuhalten.

Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts begann sich das traditionelle Brauchtum in den einzelnen Tiroler Tälern mit großer Geschwindigkeit zu verändern. Hörmann erkannte die unwiederbringlichen Veränderungen im Brauchtum und dokumentierte unter anderem das Alltagsleben der Gebirgsbauern wie es sich im Wechsel der Jahreszeiten gestaltete, ihre Arbeit, Erholung u.a. und gelangte dabei bis in die entlegensten Tiroler Täler.

Das mehr als 500 Seiten umfassende Buch behandelt das bäuerliche Fest- und Arbeitsjahr, das Familienleben und einzelne Gestalten und Bilder aus dem Dorfleben. Im Internet steht Ihnen unter sagen.at das gesamte Buch frei zum Lesen zur Verfügung.

Die berühmte Martinigans geht angeblich auf den Heiligen Martin zurück. Dieser habe sich laut einer Legende, als man ihn zum Bischof von Tours erheben wollte, in einem Gänsestall versteckt, um der hohen Verantwortung zu entgehen. Das Schnattern der Gänse habe sein Versteck aber verraten, weshalb bis auf den heutigen Tag als Strafe dafür die Gänse am Martinitag verspeist werden.

Auch in Tirol spielten zu Martin Gänse und Gänsebraten eine besonders wichtigen Rolle. Im Inntal und im Südtiroler Etschtal wurde zu Martin das sogenannte "Gansschießen" durchgeführt. Es stellte das letzte Schießen vor der Winterzeit dar, weshalb es dabei besonders fröhlich zugegangen sein soll. Dem Siegerschützen hat eine "wohlgemästete Gans" gewunken.


Die Martinigans stand bereits vor mehr als 100 Jahren in Tirol hoch in Ehren.
Foto: Armin Kindl - TIBS-Bilderdatenbank
 

Weit verbreitete Bräuche sind auch der traditionelle Martini-Umzug, das Martini-Singen und in manchen Regionen die Martinsfeuer. Der St. Martinstag galt auch als wichtiger Stichtag für das kommende Wetter im Winter. Ein Sprichwort besagte:

St. Martinstag trüb
Macht den Winter lind und lieb,
Ist er aber hell mit Sonnenschein,
So wird auch streng der Winter sein.

Über eine interessante Erscheinung in Tirol berichtet Hörmann sehr ausführlich, nämlich die Gestalt des sogenannten "Alber" oder "St. Martinsvogel" der im Gebirge haust und die Menschen um den St. Martinstag heimsucht:

Der Alber, der in einigen Gegenden auch St. Martinsvogel heißt, ist nach der Beschreibung, die mir ein alter Ötztaler Bauer, der das Teufelsvieh selbst gesehen haben wollte, davon machte, ein höllischer, fuiriger Drach, der hoch oben im Gebirge haust, in schauerlichen Schluchten und Spalten, wo kein Mensch hinaufgelangen kann. Jedes Jahr um Martini fliegt er übers Tal in ein anderes Loch. Dabei macht er einen großen Bogen und streift den Wiesengrund mit seinem feurigen Schweif. Auf dieser Stelle wird das Gras so arg verbrannt, daß mehrere Jahre nichts mehr wachst. Nach sieben Jahren aber gedeiht es fetter und üppiger als früher.
Ludwig von Hörmann, Tiroler Volksleben

 

Mehr über den Alber und wie sich die Tiroler vor ihm schützten, finden Sie in den weiterführenden Links.

 

Weiterführende Links:

sagen.at: Ludwig von Hörmann
Sagen.at: Hörmann, An der Schwelle des Winters
Sagen.at: 11. November Martini
Wikipedia: Martinstag

 

Andreas Markt-Huter, 09-11-2007
aktualisiert: 07-11-2017

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