Öffentliche Bibliotheken: Die Stadtbücherei Schwaz - Teil 2

Es ist gut fünf Jahre her, dass die Stadtbücherei Schwaz in die neuen Räumlichkeiten im Stadtzentrum in der Franz-Josef-Straße 26 übersiedelt ist. Seit dieser Zeit erlebt die Bücherei einen nie gekannten Aufschwung.

Jährlich können an die 300 neue Mitglieder gewonnen werden. Der Medienbestand konnte in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt werden und die Medienausleihe hat sich während dieser Zeit sogar verzwanzigfacht. Wenn es um die Anzahl der BesucherIinnen geht, braucht die Stadtbücherei den Vergleich mit dem Öffentlichen Schwimmbad nicht zu scheuen.

 

Öffnungszeiten:

 Dienstag:    10:00 - 13:00 Uhr und 15:00 - 19:00 Uhr
 Mittwoch:    15:00 - 19:00 Uhr
 Donnerstag:    10:00 - 13:00 Uhr und 15:00 - 19:00 Uhr
 Freitag:    15:00 - 19:00 Uhr
 Samstag:    10:00 - 13:00 Uhr

 

Das Angebot der Stadtbücherei umfasst derzeit 30.000 Medien aus den Bereichen Kinderbücher, Belletristik, Sachbücher, Zeitschriften, Hörbücher und DVD-Filme sowie einen offenen Internetzugang.

 

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Lesen in Tirol hat die Leiterin der Stadtbücherei Schwaz, Renate Prünster, interviewt und sie über die Stadtbücherei Schwaz im speziellen aber auch zu Themen wie "Öffentliche Bücherei" und "Lesen" befragt.

 

Die Stadtbücherei Schwaz - Interview Teil 2



Mitglieder und Medien

 

Lesen in Tirol: Was lässt sich über die Entwicklung der Mitglieder und die Zusammensetzung der Medien sagen?

Renate Prünster: Wir haben derzeit ca. 30.000 Medien und 3.300 Mitglieder, wobei ein Viertel der Mitglieder aus der Umgebung der Stadt Schwaz, aus dem Raum zwischen Hall und Wörgl kommen. In Schwaz selbst sind also beinahe 20% der Bevölkerung Mitglied der Stadtbücherei, was uns doch recht beachtlich erscheint. Ich glaube mit gutem Gewissen sagen zu können, dass die Stadtbücherei aus der Stadt Schwaz heute nicht mehr wegzudenken ist. Ich habe auch das Gefühl, dass unsere Einrichtung sehr geschätzt wird.


Die ca. 30.000 Medien der Stadtbücherei Schwaz umfassen Belletristik, Sachbücher, Kinder- und Jugendbücher ebenso wie Zeitschriften, Hörbücher und DVDs. Foto: Markt-Huter

 

Sehr viele von unseren Benutzern haben selbst Bücher, Hörbücher und andere Medien gekauft, wissen also recht gut, wie viel das alles kostet und schätzen daher unser Angebot sehr. Gerade wenn man sich eine lesende? Familie z. B. mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern vorstellt, sind die Bücher für einen Normalverdiener? selbst nur mehr ganz schwer leistbar. Es kann ja nicht im Interesse der Gesellschaft liegen, dass Kinder, die gerne lesen, aus finanziellen Gründen keine Möglichkeit dazu haben. Das Lesen allen zu ermöglichen, ist eben auch eine Aufgabe der Bücherei.

Im Gegensatz zur alten Bücherei, wo nur Bücher zu finden waren, haben wir bereits bei der Eröffnung der Stadtbücherei neue Medien angeboten. Die alte Stadtbücherei umfasste ca. 14.000 Bücher von denen von uns bei der Übersiedlung etwa 4.000 Bücher aussortiert worden sind. Zusätzlich zu den knapp 10.000 verbliebenen Büchern aus dem Altbestand ist es uns ermöglicht worden, einen großen Neubestand anzukaufen.

Da es in der alten Bücherei nur wenige Medien für den Kinder- und Jugendbereich gegeben hat, haben wir zu Beginn unseren Schwerpunkt beim Medienkauf vor allem auf diesen Bereich gelegt. Außerdem ist unser Bestand um 30 Zeitschriftenabonnements, Hörbücher und DVDs erweitert worden.

Vor 3 Jahren haben wir noch DVDs dazugenommen. Inhaltlich umfasst unser Repertoire Literaturverfilmungen, Sachfilme und Kinderfilme. Dieses Medium ist derzeit vom Umsatz her - d. h. vom Verhältnis des Bestands zu den Entlehnungen ? das Medium, wo die Nachfrage am meisten wächst. Beim Ankauf der DVDs versuchen wir vor allem das Segment qualitätsvolle Filme? abzudecken, also Klassiker und Literaturverfilmungen, die in den üblichen Videotheken oft gar nicht erhältlich sind.


Eine spezielle Ecke für Kinder- Und Jugendmedien lädt auch die jüngeren Büchereibesucher zum Schmöckern und Lesen ein. Foto: Markt-Huter

 

Bei uns finden sie natürlich auch die Verfilmungen von Herr der Ringe? und Harry Potter?, einerseits weil sie derzeit besonders gefragt sind andererseits aber auch, weil es Literaturverfilmungen sind. Wir wollen keine Konkurrenz zu den Videotheken darstellen, weshalb sich auch das Angebot bei uns und in den Videotheken wahrscheinlich zu 90 % unterscheiden wird.

Lesen in Tirol: Welcher Stellenwert kommt Hörbüchern und Großdruckbüchern in der Stadtbücherei zu?

Renate Prünster: Die Mütter haben zwar die Kinderkassetten gekannt, die schon eine lange Tradition besitzen, aber Hörbücher für Erwachsene sind für viele Schwazer zu Beginn etwas völlig Neues gewesen. Mittlerweile haben die Entlehnungen bei den Hörbüchern für Erwachsene außerordentlich stark zugenommen. Einige Benutzer(innen) leihen nur Hörbücher aus und keine Bücher. Es sind eben nicht nur Bücher, die den Horizont erweitern, auch Hörbücher eignen sich besonders gut dafür.

Ein Roman ist als Hörbuch im Durchschnitt noch erheblich teurer als das Buch, sodass hier auch die relativ große finanzielle Belastung eine Rolle spielt, ein Hörbuch in der Bücherei auszuleihen. Bei den Hörbüchern habe ich in Gesprächen bei der Ausleihe drei Publikumsgruppen feststellen können. Zunächst die traditionelle Zielgruppe für Hörbücher, also jene die sehr schlecht sehen können oder sogar blind sind, dann die bügelnden Frauen? also Leute, die neben ihrer Hausarbeit zum Hörbuch greifen und die Auto fahrenden Männer?.

Ein besonders schönes Beispiel für Kundinnen von Hörbüchern bei uns sind junge Frauen, die in einer Fabrik einer monotonen Tätigkeit nachgehen und denen vom Arbeitgeber erlaubt worden ist, Radio oder CDs anzuhören. Diese Frauen nehmen stapelweise Hörbücher mit zur Arbeit und sind ganz besonders glücklich darüber, dass sie ein solches Angebot in unserer Bücherei vorfinden.


In der neuen Stadtbücherei Schwaz wurde den neuen Medien - wie z.B. Hörbüchern - bereits von Anfang an ein wichtiger Stellenwert beigemessen, wodurch neue Besucherschichten für die Angebote der Bücherei interessiert werden konnten. Foto: Markt-Huter

 

Das einzige Problem, das durch die neuen Medien entsteht, ist die finanzielle Belastung. So sollten wir z. B. ein Buch von Henning Mankell im Normaldruck, im Großdruck, als Hörbuch und vielleicht noch als Verfilmung anbieten können. Also ein und derselbe Inhalt mal vier ist natürlich ein wenig viel, und wir wägen oft sehr lange ab, welche Anschaffungen wir tätigen sollen. Auf der anderen Seite handelt es sich immer um verschieden Interessengruppen, denen man gerecht werden sollte, da sie ihren Zugang zu einem literarischen Stoff über verschiedene Medien finden.

Zu unserem Bestand an Großdruckbücher kann ich sagen, dass er zwar nicht überwältigend groß ist, aber die vorhandenen Bücher vor allem von älteren BesucherInnen sehr viel und sehr gerne gelesen werden.

Als letztes Medienangebot der Stadtbücherei möchte ich noch das Internet nennen. Die Benützung unserer Internetarbeitsplätze ist in den letzten fünf Jahren auf ein Fünftel zurückgegangen, sodass wir derzeit mit einem Internetplatz das Auslangen finden. Eine Bücherei ganz ohne Internet-Platz würde mir nicht gefallen, aber das Internet hat sich bei uns eigentlich zu etwas eher Nebensächlichem entwickelt, weil immer mehr BesucherInnen selbst einen Internetzugang zu Hause haben.

Veranstaltungen und Angebote

Lesen in Tirol: Wie schaut es im Bereich der Veranstaltungen in der Stadtbücherei Schwaz aus? Welche Angebote gibt es speziell für junge BesucherInnen?

Renate Prünster: Bereits seit vier Jahren finden in unseren Räumen jeden Montagnachmittag Englischkurse für Volksschulkinder statt. Gehalten wird der Kurs - außerhalb der offiziellen Öffnungszeit - von einer gebürtigen Kanadierin.

Der Grund für den Kurs war, dass ich zu Beginn meiner Tätigkeit Kinder und Senioren als spezielles Zielpublikum ausgewählt und daher bewusst versucht habe, beide Gruppen besonders anzusprechen. Aus dem Anliegen etwas für Kinder zu machen, ist der Englischkurs entstanden, der verschiedene Vorteile eröffnet: einerseits ergibt sich eine doppelte Nutzung der öffentlichen Räumlichkeiten und andererseits werden die Kinder von uns dadurch auch großteils als Leser(innen) gewonnen.


In der Stadtbücherei Schwaz finden seit Jahren auch Englischkurse für Kinder statt, die zu einem Großteil auch als Mitglieder für die Stadtbücherei gewonnen werden können.
Foto: Markt-Huter

 

Die Kinder lernen dabei die Räumlichkeiten kennen und werden mit ihnen vertraut. An den 3 Kursen nehmen jeweils 10 Kinder teil. Durchschnittlich 90 % dieser Kinder können auch als Mitglieder für die Stadtbücherei gewonnen werden, ein Nebeneffekt, der mir sehr gut gefällt.

Lesen in Tirol: Wurden für diese Veranstaltungen spezielle englischsprachige Literaturen angekauft?

Renate Prünster: Ja, wir haben ganz zu Beginn für die neue Stadtbücherei einen Grundstock an englischsprachiger Literatur speziell für Kinder angeschafft, der jährlich ergänzt und sehr gut angenommen wird.


Öffentliche Bibliothek, Schule und Schulbibliothek


Lesen in Tirol: Die Stadtbücherei Schwaz befindet sich im selben Haus mit der Hans-Sachs-Volksschule und dem Sonderpädagogischen Zentrum. Gibt es eine Zusammenarbeit mit den beiden Schulen oder mit den anderen Schule in Schwaz?

Renate Prünster: Derzeit gibt es eine Regelung, dass die Stadtbücherei am Montag, Mittwoch und Freitag Vormittag von den Schulen im Haus benutzt werden kann. Außerdem finden mehrmals im Jahr Führungen für Schulklassen aus den anderen Schwazer Schulen statt. Da es in Schwaz in jeder Schule eine Schulbibliothek gibt, ist die Benutzung der Stadtbücherei für Unterrichtszwecke nicht mehr so notwendig, denke ich.

Lesen in Tirol: Was kann eine Bücherei heute noch leisten, was spricht heute noch für eine Bücherei?

Renate Prünster: Für eine Bücherei spricht auf alle Fälle, dass sie nicht nur eine Bildungsstätte, sondern auch eine soziale Einrichtung ist. Es gefällt mir sehr gut, wenn uns z. B. Männer oder Frauen besuchen und es einfach genießen, dass sie an einem Ort sind, wo sie Kontakte schließen und Gespräche führen können, wenn ihnen danach ist. Ein Ort, wo sie nichts konsumieren müssen, wo sie auch mehrere Stunden sitzen können, wenn sie wollen und keine Kellnerin sie nach einer Bestellung fragt.

Lesen in Tirol: Hat Sie als Deutschlehrerin und Büchereileiterin das Ergebnis der Pisa-Studie im Bereich Lesen überrascht?

Renate Prünster: Das schlechte Abschneiden der SchülerInnen bei der Pisa-Studie im Bereich Lesen hat mich eigentlich nicht wirklich überrascht. Ich habe die Entwicklung des Deutschunterrichts sehr genau beobachtet. In den letzten 30 Jahren wurde die Anzahl der Deutschstunden an den Hauptschulen von 21 auf 17 Stunden also um 20% gekürzt.


In Schwaz befinden sich Bücherei und Volksschule im selben Haus. Neben Führungen für Schulklassen stehen die Räumlichkeiten der Stadtbücherei den Klassen auch unter der Wocher zur Verfügung.
Foto: Markt-Huter

 

Anders ausgedrückt, wurde für jedes Schuljahr eine Deutschstunde gestrichen. Wie soll bei einem um 20 % geringeren Angebot das gleiche Ergebnis oder sogar ein Fortschritt erzielt werden können? Gerade diese eine fehlende Stunde konnte früher für alle Klassen sehr gut für das Lesen verwendet werden.

Lesen in Tirol: Wie schauen die Pläne für die Stadtbücherei für die nächsten Jahre aus?

Renate Prünster: Mein Ziel für die nächsten Jahre ist es, die Akzeptanz der Bücherei in der Bevölkerung halten zu können.

Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Interview.

 

>> Öffentliche Bibliotheken: Die Stadtbücherei Schwaz - Teil 1

 

Weiterführende Links:

 

Andreas Markt-Huter, 24-07-2006

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