Im Brennpunkt: Das Institut für Volkskultur und Kulturentwicklung, Teil 1

Seit 1992 macht es sich das Institut für Volkskultur und Kulturentwicklung zur Aufgabe, die Volkskultur des Alpenraums im gesellschaftlichen Bewusstsein verstärkt zu verankern. Dies geschieht durch  zahlreiche Veröffentlichungen, Veranstaltungen und eine Bibliothek, die neben Büchern und Zeitschriften auch zahlreiche Video- und Tonaufzeichnungen zur Volkskultur umfasst.

 

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Das Institut für Volkskultur und Kulturentwicklung verfolgt in seiner Selbstdarstellung das Ziel:

Volks- und Basiskultur zum Gegenstand allgemeinen Wissens und zum Thema öffentlicher Auseinandersetzung zu machen. Es befasst sich nicht allein mit traditioneller Volkskultur, sondern auch mit Alltagskultur, Alternativkultur, Arbeiterkultur, Basiskultur, Minderheitenkultur usw., im Sinne gegenwärtiger Volkskunde und im Interesse der Betroffenen.
Institut für Volkskultur und Kulturentwicklung

Mit dem Protokoll Bevölkerung und Kultur zur Alpenkonvention hat das Institut für Volkskultur und Kulturentwicklung ein Grundsatzpapier verfasst, das sich mit Fragen der Volkskultur im Alpenraum in der Gegenwart auseinander setzt. In dem Papier aus dem Jahr 2000 heißt es u.a.:

Die aktuellen Gefahren für die Alpen liegen in der Kolonialisierung durch vermeidbaren Transit [...] und durch Massentourismus [...] Folgen sind u.a. Störung bzw. Zerstörung tradierter Lebensräume und kultureller Ausverkauf. Eine verfehlte Struktur- bzw. Regionalpolitik hat in einigen Teilen der Alpen, speziell in den Westalpen, zu einer dramatischen Entvölkerung gesamter Talschaften geführt.


Das Innsbrucker Institut für Volkskultur und Kulturentwicklung bietet in seiner großen Bibliothek Literatur zu den verschiedensten Bereichen vergangener und gegenwärtiger Volkskultur im Alpenraum. Foto: Markt-Huter

 

[...] Gelebte Alltags- und Festkultur im Sinne alpiner Traditionen ist für viele Alpenbewohner selbstverständlicher Teil ihres Lebens. Darüber hinaus werden vor dem Hintergrund von Globalisierung, Freizeit und Mobilität kleine Raum, Regionen immer wichtiger. Darin liegt einer der Anreize der Alpen für Städter und Touristen. Material für Unterscheidbarkeit und damit für Identitäten liefert vor allem die Volkskultur.

Sie wird zum Reservoir für die Muster des Lokalen. So ist mit Volkskultur die Idee der tiefen und dauerhaften Begründung durch den Bezug aufs Historische und Lokale verknüpft. Die Wahrnehmung lokaler Kultur ist also für Städter, Touristen und Landbevölkerung sehr unterschiedlich. Das fruchtbare Zusammenwirken verschiedenster Sichtweisen und Ansprüche an den Kulturraum Alpen muss als Chance gesehen und genützt werden.
Protokoll Bevölkerung und Kultur zur Alpenkonvention, S. 3/4

 

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Lesen in Tirol hat das Institut für Volkskultur und Kulturentwicklung im Gasthaus Bierstindl besucht und Mag. Mag. Eva Silbernagl und Mag. Monika Ramoser-Schallegger zu den Aufgaben, Zielen und Angeboten des Instituts interviewt.

 

Das Institut für Volkskultur und Kulturentwicklung, Teil 1


Lesen in Tirol:  Würden Sie das Institut für Volkskultur und Kulturentwicklung bitte kurz vorstellen? Wann wurde es gegründet und was sind seine Ziele?

Eva Silbernagl: Das Institut für Volkskultur und Kulturentwicklung wurde 1992 gegründet. In diesem Jahr wurde das Kulturgasthaus Bierstindl vom Verein Kulturgasthaus Bierstindl? mit finanzieller Unterstützung durch Bund, Land Tirol und Stadt Innsbruck gekauft mit dem Ziel, verschiedenen Kulturvereinen Räumlichkeiten zu bieten.


Die Leiterin des Instituts für Volkskultur Mag. Eva Silbernagl (links) und Mag. Monika Ramoser-Schallegger (rechts) und Josef Öfner stehen Besucherinnen und Besuchern behilflich zur Seite. Foto: Markt-Huter

 

Die ursprüngliche Idee für die Errichtung unseres Instituts war, eine Einrichtung aufzubauen mit dem Schwerpunkt Volkskultur in Westösterreich?. Wir sind kein Volkskundeinstitut, sondern verfolgen die Intention, Volkskultur abseits von akademischem Wissen zu vermitteln. Durch die verschiedenen Kulturvereine, die sich im Haus befinden, entstehen Synergieeffekte, die auch unserem Institut schon häufig zu Gute gekommen sind. Gerade die Symbiose zwischen traditionellen und progressiven Kulturvereinen hat sich im Laufe der Zeit als sehr fruchtbar und positiv erwiesen.

Unser Institut für Volkskultur und Kulturentwicklung besitzt eine Bibliothek und ein Archiv mit dem Themenschwerpunkt volkskulturelles Wissen?. Die Bibliothek wurde gleichzeitig mit dem Institut 1992 eingerichtet und bestand zu Beginn aus ca. 600 Büchern. Das Institut vereint mittlerweile die Bibliotheksbestände dreier Institutionen: zunächst unser eigener Buchbestand, der ständig ausgebaut wird, dann die Bestände des Dialektinstituts und des Vereins Pro Vita Alpina?, die wir hier bei uns verwalten, sowie Bücher aus dem aufgelassenen Pöllinger Speicher/ in Niederösterreich. Dazu kommt noch die privaten Sammlung der Gründer des Instituts, des Ehepaars Gerlinde und Hans Haid, die vor allem aus Medien zu den Themen Volkskunde, Brauchtum, Tourismus und Alpen besteht.

Mittlerweile kann unsere Institutsbibliothek ca. 7.200 Bücher und ca. 2.200 Tonträger anbieten, sowie ungefähr 100 regelmäßig erscheinende Zeitschriften. Wir sind aber angewiesen, unseren Buchbestand mit Hilfe von Privatsammlungen und Schenkungen zu erweitern, weil uns für den Einkauf von Büchern aus budgetären Gründen nur geringe Mittel zur Verfügung stehen. Zeitschriften, die uns wichtig erscheinen, haben wir abonniert; durch gute Kontakte mit verschiedenen Einrichtungen gelingt es uns aber auch, regelmäßig Zeitschriften im Tausch zu erwerben.

 
Das Institut für Volkskultur kann auf eine große Auswahl an Tonträger und Videos aus dem Bereich der Volkskultur verweisen, die auch für Schulen von besonderem Interessen sein können. Foto: Markt-Huter

 

Ergänzend dazu würde ich noch hinzufügen, dass unsere Bibliothek wahrscheinlich Zeitschriften bietet, die in anderen Bibliotheken nicht vorhanden sind. Unser Institut hat außerdem alpenweite Kontakte zu Minderheiten im Alpenraum, wie etwa im Aostatal,
Savoyen, dem ladinischen Sprachraum und anderen Regionen.

Lesen in Tirol: Es bestehen also auch enge Kontakte zu den anderen Regionen des Alpenraums?

Eva Silbernagl:Ja, diese Kontakte werden vor allem von Dr. Hans Haid gepflegt, wodurch unser Institut wiederum stark profitiert. Wir kommen dadurch zu Materialien aus dem Alpenraum, zwischen Wien und Nizza, die ansonsten nicht erhältlich sind.

Lesen in Tirol: Wer sich also über den Alpenraum informieren möchte, ist im Institut für Volkskultur an der richtigen Adresse?

Eva Silbernagl: Ja, Besucher die zu uns kommen, finden eine Fülle an Materialien, Literatur u.a. zu diesem Themenbereich. Unsere Bibliothek ist vollständig digital erfasst, das heißt unser gesamter Bestand an Büchern, Zeitschriften und Tonträgern ist über Computer abrufbar. Der Buchbestand kann Online über die Internet-Site: bibliotheken.at
recherchiert werden.

Besucherinnen und Besucher mit speziellen Fragen betreuen wir auch persönlich und wir sind  gerne bei der Recherche behilflich. Manche wissen bereits ganz genau, nach welchen Büchern sie suchen wollen, andere wieder suchen Literatur zu bestimmten Themen.

Unsere Bibliothek ist öffentlich zugänglich, d.h. allen stehen unsere Angebote zur Verfügung, ob Studenten, Schülern oder interessierten Laien. Neben den offiziellen Öffnungszeiten besteht aber auch die Möglichkeit, telefonisch einen individuellen Termin zu vereinbaren.

Monika Ramoser-Schallegger: Da es sich bei unserer Bibliothek um eine Präsenzbibliothek handelt, ist es nicht möglich, sich Medien auszuleihen und mit zu nehmen. Als Alternative stellen wir Leseplätze in der Bibliothek zur Verfügung und bieten die Möglichkeit, Kopien direkt bei uns im Haus zu machen. Die Recherche in unserem Bestand ist, wie bereits erwähnt, von zu Hause aus über Internet möglich. Den entsprechenden Link dazu findet man auf unserer Homepage.


Die Institutsbibliothek besteht derzeit aus ca. 7.200 Bücher  sowie aus 100 regelmäßig erscheinende Zeitschriften. Viele davon gehen auf Privatsammlungen und Schenkungen zurück. Foto: Markt-Huter

 

Wie viele Bibliotheken leiden wir unter einem akuten Platzproblem, sodass wir einen Teil unseres Bestandes auslagern haben müssen. Es ist daher durchaus möglich, dass BesucherInnen auf bestimmte Medien ein wenig warten müssen, weil diese erst aus unserem Depot herbeigeschafft werden müssen, was wir aber gerne tun. Es erweist sich meist als sehr sinnvoll, vorher in unserem Institut nachzufragen, ob ein bestimmtes Buch oder Bücher zu einem bestimmten Thema Vorort zur Verfügung stehen.

Eva Silbernagl: Da im Bierstindl keine räumlichen Erweiterungsmöglichkeiten bestehen, mussten wir für die Aufbewahrung unseres wachsenden Zeitschriften- und Bücherbestands neue Lösungen suchen. So haben wir im Haus selbst eine Bürogemeinschaft mit der Tiroler Kulturinitiative, mit der wir einen Raum teilen und dadurch einen zusätzlichen Unterbringungsplatz für unsere Bücher und Zeitschriften erhalten.
 

 

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Andreas Markt-Huter, 21-08-2006

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