Öffentliche Bibliotheken: Die AK-Bücherei Innsbruck, Teil 1

Seit mittlerweile 87 Jahren gibt es in Innsbruck die Bücherei der Arbeiterkammer Tirol. Seit 76 Jahren ist sie als Leihbücherei eingerichtet und bietet einem großen Interessentenkreis die Möglichkeit, sich mit Literatur zu versorgen und weiter zu bilden. Heute bestehen neben der AK-Bücherei in Innsbruck noch die Zweigstellen in Jenbach, Kufstein, Kundl und Wörgl.

Die in der AK-Bücherei zur Auswahl stehenden Medienarten reichen von Büchern, Zeitschriften, Hörbüchern, DVDs bis hin zu CD-Roms. Dabei sticht besonders der hohe Anteil an Sachbüchern am Gesamtmedienbestand hervor. Von den mehr als 54.500 Medien sind etwa 21.700 Sachbücher, 20.800 Bücher aus dem Bereich Belletristik, 7.500 Kinder- und Jugendbücher sowie 4.500 AV-Medien, zu denen Hörbücher, DVDs und CD-Roms gezählt werden.

Seit kurzem hat die AK-Bücherei Innsbruck als Service ein neues System der Selbstverbuchung von Entlehnungen eingerichtet. Mit Hilfe eines Scanners, der den Barcode im Buch erfasst, können Bibliotheksbesucher ihre Entlehnungen selbst durchführen. Abschließend lässt sich durch das Scannen des Leserausweises die Ausleihe bestätigen und ein Beleg ausdrucken. Durch die Selbstverbuchung soll dem Büchereiteam noch mehr Zeit für beratende Tätigkeiten zur Verfügung stehen.


Das neue Selbstverbuchungssystems ermöglicht den Mitarbeiterinnen der AK-Bücherei noch mehr Zeit für die Beratung ihrer Leserinnen und Leser aufzubringen. Foto: Markt-Huter

 

Lesen in Tirol hat die Leiterin der AK-Bücherei Mag. Rita Ostermann, die gleichzeitig auch Schriftführerin der Interessensvereinigung der Bibliothekare Tirols ist, über die Entwicklung der AK-Bücherei in Tirol, über ihre Schwerpunkte und Ziele befragt.

 

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Die AK-Bücherei Innsbruck, Teil 1

 

Lesen in Tirol: Wie hat sich die Öffentliche Bücherei der Arbeiterkammer von ihren Anfängen bis heute entwickelt?

Rita Ostermann: Nachdem am 26. Februar 1920 das Gesetz über die Errichtung von Kammern für Arbeiter und Angestellte von der konstituierenden Nationalversammlung beschlossen worden war, nahm am 1. Mai 1921 auch in Tirol die Arbeiterkammer ihre Tätigkeit auf. Zu diesem Zwecke wurden Räumlichkeiten in der Hofburg in Innsbruck angemietet.

Die Kammer hatte auch auf dem Gebiet des Bildungswesens umfangreiche Aufgaben zu bewältigen, wozu der erste Bericht der Kammer ausführt:  Bei uns in Tirol ist Bildungs- und Aufklärungsarbeit notwendiger als anderswo. Es wurden Schulungs- und Nachhilfekurse, Theater- und Konzertveranstaltungen angeboten aber auch eine intensive Vortragstätigkeit geleistet. Daneben wurde dem Bibliothekswesen besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

In die Zeit von 1921 bis 1926 fiel die Errichtung von 25 Bibliotheken in allen größeren Orten des Landes. Deren Buchbestände setzten sich mit Ausnahme der Innsbrucker Büchereien hauptsächlich aus Belletristik zusammen. Im Jahr 1929 war die Zahl der Kammerbüchereien in Tirol mittlerweile auf 37 Zweigstellen angewachsen.

In Innsbruck konnte die Arbeiterkammer schon bei ihrer Gründung auf eine kleine Handbücherei wissenschaftlicher Werke zurückgreifen, die aber nur Funktionären vorbehalten blieb. Um den Zugang zu dieser Bücherei einem größeren Kreis von Interessenten zu ermöglichen, beschloss man 1930 einen Leihbüchereibetrieb einzurichten.


Mag. Rita Ostermann leitet seit nunmehr vier Jahren die Bücherei und Mediathek der Arbeiterkammer Innsbruck und kann auf eine sehr erfreuliche Entwicklung bei den Besucherzahlen und Entlehnungen verweisen. Foto: Markt-Huter

 

Der Buchbestand umfasste anfangs rund 1.000 hauptsächlich sozialwissenschaftliche Standardwerke. Außerdem wurden 23 in- und ausländische Zeitschriften angeboten. Geöffnet war die Ausleihe für die Leserinnen und Leser von Montag bis Freitag zwischen 14 und 17 Uhr. Im Jahr 1930 übersiedelte die Tiroler Arbeiterkammer in die Maximilianstraße 7, wo sie sich auch heute noch befindet. Für den Büchereibetrieb standen dadurch größere Räumlichkeiten zur Verfügung.

Lesen in Tirol: Welche Ideen und Ziele wurden mit der Einrichtung der AK-Büchereien verfolgt?

Rita Ostermann: Als Hauptziel der Büchereien wurde in der Festschrift zur Eröffnung des neuen Arbeiterkammergebäudes in Innsbruck die Bildung des Lesers begriffen. 1933 zählte man bereits 600 Leser, der Buchbestand belief sich auf 2.000 Bände. Nach der Besetzung Österreichs im Jahre 1938 wurden die Arbeiterkammern aber vollständig aufgelöst. Für das Schicksal der Büchereien kann jenes der Bücherei in Jenbach als repräsentativ gelten: sie wurde beschlagnahmt und ein Großteil der Bücher wurde verbrannt oder verschleppt.

Nach 1945 begann die Wiedererrichtung der Arbeiterkammern und bis Jahresende 1947 gelang es 20 Arbeiterbüchereien wieder einzurichten. Die Innsbrucker AK-Bücherei wurde als Thekenbücherei geführt und wies 1951 über 1.000 Leser und rund 23.000 Entlehnungen auf. 1960 wurde die Anzahl der Außenbüchereien auf 10 reduziert.

1965 erfuhr die AK-Bücherei in Innsbruck eine Vergrößerung und eine große Veränderung: der Freihandbetrieb wurde eingeführt. Es wurden keine Lesegebühren mehr eingehoben. Der Nulltarif brachte eine starke Steigerung der Leser- und Entlehnzahlen. Leider wurde zu diesem Zeitpunkt die Kinder- und Jugendabteilung wegen Platzmangels aufgelöst. 1978 wurde diese wieder eingeführt und 1987 durch einen eigenen Bibliotheksraum erweitert. Das Bestreben der Freihandbücherei geht seither dahin, dem interessierten Leser ein möglichst großes Spektrum an hochwertiger und leichter Belletristik, Sachliteratur sowie Kinder- und Jugendliteratur anzubieten, gleichzeitig wurde das Angebot um Literaturhörbücher erweitert.

Ende 1992 hielt auch in der AK-Bücherei in Innsbruck das Zeitalter der EDV ihren Einzug: Das Büchereiprogramm LITTERA wurde angekauft, alle Mediendaten elektronisch erfasst und auch der Verleih mit Hilfe der EDV durchgeführt. Von 2001 bis 2003 wurde das AK-Gebäude umgebaut, sodass während dieser Zeit die Bibliothek ins Nebengebäude verlagert werden musste.


Große Erfolge brachte der Einzug der neuen Medien in die Bücherei. Zunächst wurde das Angebot auf Literaturhörbücher erweitert, mittlerweile stehen den Besucherinnen und Besuchern auch drei Internetplätze zur Verfügung. Foto: Markt-Huter

 

Die gute Einsicht von der Straße aus brachte der Bücherei einen großen Aufschwung: Verleih- und Leserzahlen stiegen gewaltig. Am 22. September 2003 kehrte die AK-Bücherei wieder in das Hauptgebäude in der Maximilianstraße 7 zurück. Die Öffnungszeiten wurden auf 35 Stunden pro Woche erweitert und der Medienbestand auf ca. 40.000 Medien ausgebaut. Die Zahl der Entlehnungen ist in den vergangenen vier Jahren um 150 % von 90.000 im Jahr 2003 auf 230.000 im Jahr 2007 gestiegen. Die Zahl der Außenstellen hingegen wurde auf die AK-Büchereien in Kufstein, Wörgl, Kundl und Jenbach reduziert.

Lesen in Tirol: Wie haben sich die Ziele und Schwerpunkte der Bücherei verändert?

Rita Ostermann: Das Hauptziel Bildung wurde beibehalten. Das heißt: Bildung für alle, unabhängig von Geschlecht, ethnischer Herkunft, Alter, Beruf. Das bedeutet auch, dass wir unsere Medien kostenlos zur Verfügung stellen, sodass gerade soziale Randgruppen die Möglichkeit haben, Bildung zu konsumieren.

Lesen in Tirol: Die AK-Bücherei ist nun im Hauptgebäude der AK untergebracht. Welche Rolle spielen Lage, Räumlichkeiten und Öffnungszeiten für den Erfolg einer Öffentlichen Bücherei?

Rita Ostermann: Seit September 2003 ist die Bücherei im Untergeschoß des Hauptgebäudes in der Maximilianstraße untergebracht. Die gute Lage in der Innenstadt ist sicher von großem Vorteil. Durch die großen Glasflächen ist die Bücherei von außen gut sichtbar und bringt viele Neugierige in die Räume. Die langen Öffnungszeiten und die zusätzliche Rückgabemöglichkeit am Morgen und am späten Nachmittag tun das Übrige: unsere Besucherzahlen sprechen für sich.

Lesen in Tirol: Welche Medien hat die AK-Bücherei und wie hat sich das Medienangebot der Bücherei verändert?

Rita Ostermann: Die Bücherei bietet Printmedien und AV-Medien zum Verleih an. Das heißt: Wir bieten unseren Leserinnen und Lesern die gängige Belletristik und alle Bestseller an, d.h. Lesefutter für alle Altersgruppen. Ein Hauptaugenmerk liegt vor allem auf moderner deutschsprachiger Literatur. Daneben kann man aber auch fremdsprachige Literatur und eine große Auswahl an Kinder- und Jugendliteratur sowie Comics im Angebot finden. Zurzeit können unsere Leser aus 76 verschiedenen Zeitschriften auswählen.

Bei den neuen Medien gibt es ein riesiges Angebot an deutsch- und fremdsprachigen Hörbüchern, an CD-ROMs, DVDs und Sprachkursen. Unseren Besucherinnen und Besuchern stehen außerdem drei Internetplätze zur Verfügung, die kostenlos ½ Stunde pro Tag benützt werden können.

Lesen in Tirol: Welche Medien sind von den BesucherInnen derzeit am meisten gefragt und wie hat sich das Medieninteresse allgemein entwickelt?

Rita Ostermann: Im letzten Jahr gab es Zuwächse in allen Sparten. Besonders groß war die Nachfrage nach Sachliteratur mit einer Steigerung um 12% und nach Hörbüchern mit einer Steigerung um 25%. Ganz allgemein lässt sich sagen: Es gibt viele Besucher, die sich bei uns ausschließlich DVDs holen, während andere nur nach Büchern oder Hörbüchern greifen.


Während sich manche Besucher ausschließlich für den Bereich der Literatur interessieren, locken neue Medien wie DVDs ganz neue Besucherschichten in die Bücherei. Foto: Markt-Huter

 

Lesen in Tirol: Lässt sich durch das Angebot neuer Medien eine Veränderung am Interesse an Büchern oder im Leseverhalten erkennen?

Rita Ostermann: Das Angebot der neuen Medien wird keinen eingefleischten Leser von seinem Buch weglocken. Wir führen sehr viele aktuelle Neuerscheinungen in Print- und AV-Form. Ein richtiger Leser nimmt niemals das Hörbuch anstelle des gedruckten Werkes in die Hand. Aber es gibt sehr viele Leute, die infolge einer Sehschwäche auf die Hörbücher angewiesen sind und die sich dann besonders freuen, wenn sie auch bei aktuellen Büchern mitreden können. Diese Leser hört man dann auch oft sagen, dass sie das Hörbuch gelesen haben.

Daneben gibt es viele Menschen, die die Zeit des Pendelns zum Hören von Hörbüchern nutzen. Sie wählen aber nicht nur Romane in Hörbuchform, sondern wählen auch aus dem großen Angebot an Sach-Hörbüchern aus und bilden sich sozusagen im Zuhören weiter.

 

 

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Weiterführende Links:

 

Andreas Markt-Huter, 07-03-2008

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