Wie kommt eine Stadtschreiberin zu ihren Geschichten?

Selma Mahlknecht besuchte die VS Kitzbühel. Die 1979 in Meran geborene Autorin ist die zweite Stadtschreiberin von Kitzbühel. Sie studierte Dramaturgie und Drehbuch an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien und wurde schon mehrfach mit Preisen für ihre Werke ausgezeichnet. Heuer gewann sie den Ötztaler Literaturpreis.

Die Kinder und Lehrerinnen der Volksschule Kitzbühel freuten sich erneut auf eine interessante Autorenbegegnung. Selma Mahlknecht zeigte den dritten Klassen kurze Filme über ihren zweimonatigen Aufenthalt in Kitzühel und beantwortete einfühlsam und geduldig unzählige Fragen. Einigen Schülern/innen der vierten Klassen zeigte sie unterhaltsam in der Schulbibliothek, wie man mit Methoden aus der Theaterpädagogik Schauplätze, Personen und Handlungsabläufe für spannende Geschichten erfinden kann.

In der Übung: Das Interview schlüpfte Selma Mahlknecht in verschiedene Rollen. Im Anschluss durften ihr die Schüler/innen zehn Fragen stellen. Durch die Antworten lernte man die Fantasieperson auf unterhaltsame Weise kennen.


Selma Mahlknecht gab ein Interview für Lesen in Tirol.

Lesen in Tirol: Liebe Selma, du bist erst in den letzten Tagen deines Aufenthaltes in Kitzbühel nach anfänglichem Zögern zu uns in die Volksschule gekommen. Warum?

Selma Mahlknecht: Das hat drei Gründe: Erstens bin erst spät gefragt worden. Zweitens hatte ich als Autorin kaum Erfahrung mit dieser Altersgruppe und war deswegen verunsichert. Und drittens habe ich als Kind selbst schlechte Erfahrungen in der Volksschule gemacht. Ich wurde viel gehänselt, weil ich anders war als die anderen Kinder, heute würde man wohl sagen, ich wurde gemobbt, weswegen ich noch schlechte Erinnerungen an diese Zeit habe. Aber obwohl ich am Anfang ein bisschen Angst davor hatte, in die Volksschule zu kommen, bin ich jetzt sehr froh, dass ich das gemacht habe. Die Begegnung mit den Kindern und Lehrerinnen war sehr nett, und ich habe mich richtig wohlgefühlt. Ich hoffe, das war umgekehrt auch so.

Lesen in Tirol: An welcher Geschichte arbeitest du gerade?

Selma Mahlknecht: Hauptsächlich habe ich während meiner Zeit in Kitzbühel an meinem neuen Buch garbeitet, das Anfang 2009 erscheinen wird, daneben habe ich aber auch kleine Gedichte und Geschichten geschrieben und mich auf die Weihnachtslesung vorbereitet.

Lesen in Tirol: Die erwähnte Weihnachtslesung Pfeffernuss und Engelshaar findet am 20. Dezember 2008 um 19:30 im Café Praxmaier in Kitzbühel statt. Welchen Bezug hast du zu Weihnachten?

Selma Mahlknecht: Weihnachten ist ein ganz besonderes Fest für mich. Eigentlich mag ich den Winter nicht so gern, weil ich es lieber warm habe. Aber die Weihnachtszeit hilft, dass man innerlich ganz warm wird, weil man die Gelegenheit hat, darüber nachzudenken, von wie vielen lieben Menschen man umgeben ist. Das Schenken ist für mich ein Symbol dafür, dass man etwas von der Liebe zurückgibt, die man das ganze Jahr bekommt.

Lesen in Tirol: Welches deiner veröffentlichten Werke ist deine persönliche Lieblingsgeschichte und warum?

Selma Mahlknecht: Momentan ist meine Lieblingsgeschichte diejenige, die noch nicht veröffentlicht wurde, die aber demnächst erscheinen wird. Sie heißt: Es ist nichts geschehen. Ich habe jetzt noch einmal intensiv daran gearbeitet, und ich denke, es ist ein spannendes Buch geworden, bei dem man sich nicht langweilt - und für mich ist es beim Schreiben wichtig, dass ich mich nicht selbst langweile! 

Lesen in Tirol: Du bist erst seit einem halben Jahr glücklich verheiratet. Wo lebst du mit deinem Mann? 

Selma Mahlknecht: Wir leben gemeinsam in der Stadt Chur in der Schweiz.

Lesen in Tirol: Was magst du überhaupt nicht?

Selma Mahlknecht: Ich mag es nicht, wenn Leute hinter dem Rücken anderer schlecht über sie sprechen, obwohl sie sie gar nicht kennen. So haben sie keine Gelegenheit sich zu verteidigen und vielleicht zu zeigen, dass sie ganz anders sind. Ich mag es auch nicht, wenn sich manche Leute wichtig machen und immer in den Mittelpunkt drängen wollen.

Lesen in Tirol: Du hast am Friedhof viele Engel fotografiert. Was bedeuten dir Engel?

Selma Mahlknecht: Für die diesjährige Weihnachtslesung habe ich das Motto Pfeffernusss und Engelshaar gewählt. Das war eine gute Gelegenheit, mich mit Engeln zu beschäftigen. Ich habe viel über ihre Geschichte gelernt. Engel sagen viel über die Sehnsüchte der Menschen aus, über ihre besten, aber auch über ihre dunkelsten Seiten. Für mich stehen sie für das Unfassbare, das uns umgibt, vor allem aber auch für das Verborgene in uns selbst.

Lesen in Tirol: Was sind deine nächsten Projekte?

Selma Mahlknecht: Ich schreibe mittlerweile an einer neuen Geschichte, aber im Jahr 2009 werde ich auch ein Theaterprojekt machen, bei dem es um das Thema Heimat geht (2009 ist ja ein großes Jubiläum für uns Tiroler). Und dann... lasse ich alles andere auf mich zukommen.

Lesen in Tirol: Was war dein schönstes Erlebnis als Stadtschreiberin in Kitzbühel?

Selma Mahlknecht: Es gab sehr viel schöne Erlebnisse. Auch mein Besuch in der Volksschule gehört dazu. Diese schönen Erlebnisse haben alle eines gemeinsam: Sie sind durch die Herzlichkeit netter Menschen zustande gekommen.

Lesen in Tirol: Was möchtest du uns noch sagen?

Selma Mahlknecht: Da viele Lehrerinnen und Lehrer dieses Interview lesen, möchte ich die Gelegenheit nutzen und sie bitten, weiterhin mit viel Engagement die Kreativität der Schüler zu beflügeln, auch wenn es oft eine frustrierende und undankbare Aufgabe ist. Lehrer haben oft keinen leichten Stand, und ich finde es schade, dass die viele gute Arbeit, die sie leisten, so selten gewürdigt wird. Ich selbst hatte immer Lehrerinnen und Lehrer, die mich sehr gefördert und auch gefordert haben. Davon profitiere ich bis heute.

Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die kommende Zeit.


Selma Mahlknecht mit den Volksschüler/innen


Weiterführende Links:
Selma Mahlknecht (Wikipedia)
Kitz-TV: 2008/Selma Mahlknecht als Stadtschreiberin 2008


Quelle oder Autor/-in: Dina Überall

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