Leser, Helfer, Mitarbeiter...

Erfahrungen mit der Motivation in einem Bibliotheksteam

Wenn man von der Vorgabe ausgeht, dass es sich ja bei der Zentralen Schulbibliothek um eine unter Mitarbeit von SchülerInnen geführte handeln soll, so stellt sich gleich einmal die Frage, wie diese im Gesetzestext (bewusst?) sehr allgemein gehaltene Formulierung in der Realität umgesetzt werden soll. Immerhin werden an einer Stelle ja auch die Anregungen der die Bibliothek mitverwaltenden SchülerInnen genannt - hier wird also deutlich, dass es sich dabei um mehr als Hilfskräfte handeln soll, die man gelegentlich zu Arbeiten heranzieht.

Wie aber kann man Schülerinnen und Schüler zu so intensiver Mitarbeit, ja Mitverwaltung und Mitgestaltung motivieren? In 25 Jahren als Büchereileiter habe ich immer wieder erlebt, dass die AIDA-Formel aus der Werbebranche auch hier Anwendung finden kann:

A wie Attention (= Aufmerksamkeit)

Neue SchülerInnen in einer Schule sollen nicht nur darauf aufmerksam werden, dass es in dem Gebäude eine Bücherei gibt, sondern sie sollen auch möglichst angenehme Erfahrungen mit dem Büchereiteam machen. Somit sorgen die Mädchen und Burschen, die in der Bibliothek mitarbeiten, automatisch für Interessenten, indem sie speziell jungen und neuen LeserInnen gegenüber freundlich, hilfsbereit und aufgeschlossen sind. So werden nicht nur positive Akzente für die Bücherei selber gesetzt, die neuen BibliotheksbenützerInnen bemerken, dass es da Möglichkeiten zur Betätigung gibt, die sie unter Umständen interessieren könnten.

I wie Interest (= Interesse)

Da es sich bei unserer Schule um ein ORG handelt, eine nur vierjährige Schulform also, möchte ich nach ein paar Wochen der Eingewöhnung recht schnell die Interessenten für die Bibliothekseinschulung gewinnen. Deshalb hole ich Anfang Oktober die Anfangsklassen in den Leseraum und rede ganz informell mit den neuen SchülerInnen über die bisher gemachten Erfahrungen mit der Bibliothek. Bei dieser Gelegenheit kündige ich den Einschulungskurs an und erhebe erste Interessen. Natürlich wollen die Mädchen und Buben da meist gleich wissen, welche Pflichten die Teilnahme im Büchereiteam mit sich bringt.

Hier ist es wichtig von Anfang an mit offenen Karten zu spielen und die anstehenden Arbeiten zu nennen, also Mithilfe in der Ausleihe (Große Pause), Einbinden von Büchern und Erfassen im Computer, Betreuung von Regalen, Beratung von LeserInnen, ... Natürlich halte ich auch nicht mit angenehmen Aspekten hinterm Berg, also etwa mit allfälligen Ausflügen oder Einladungen, z.B. zum Pizza-Essen.

 
Mädchen und Burschen, die in der Bibliothek mitarbeiten, sorgen automatisch für
Interessenten, indem sie speziell jungen und neuen LeserInnen gegenüber freundlich,
hilfsbereit und aufgeschlossen sind. Foto: Wolfgang Hut

D wie Desire (= Wunsch)

Dass auf diese Weise in etlichen SchülerInnen der Wunsch geweckt wird auch tatsächlich im Büchereiteam mitzuarbeiten, ist klar. Jetzt ist es aber wichtig die herauszufiltern, die auch wirklich brauchbar sind und Durchhaltevermögen zeigen. Vor allem aber sollen es ja nicht nur Leseratten sein, die gern mit Büchern arbeiten wollen; sie müssen so viel soziale Kompetenz haben, dass sie sich ins bestehende Team einfügen und für die Kunden der Bücherei, also die jüngeren wie älteren SchülerInnen, aber auch die Lehrkräfte der Schule sinnvolle und geeignete AnsprechpartnerInnen sind.

Weil aber eine Unverbindliche Übung Schulbibliothek bzw. Einführung in die Schulbibliothek gesetzlich (noch?) nicht vorgesehen ist, bin ich vor vielen Jahren dazu übergegangen einen mehrwöchigen Kurs anzubieten, der in einer Doppelstunde während der Öffnungszeit der Bücherei am Nachmittag stattfindet. Auf diese Weise kann ich die neuen MitarbeiterInnen entsprechend gründlich einschulen und trotzdem gleichzeitig der Anwesenheitspflicht in den Räumen der Bücherei nachkommen. Der Kurs ist auf diese Weise auch nicht steril abgeschottet, die Neuen erleben vom ersten Tag an hautnah den Büchereibetrieb mit, wenn in dieser Zeit etwa SchülerInnen Bücher bzw. Zeitschriften ausleihen oder um Rat fragen.

A wie Action (= Aktivität)

Der Kurs und seine Elemente haben sich im Lauf der Zeit organisch entwickelt. Die Vorgabe war klar: die TeilnehmerInnen sollten am Schluss, nach etwa 12 Doppelstunden, im Team mit den älteren SchülerInnen mitarbeiten und in der Praxis schnell in die Realität des Büchereialltags hineinfinden können. Dass man im schulischen Umfeld, das ja täglich aus Unterrichtseinheiten, Prüfungen, Tests und Schularbeiten besteht, hier vor allem durch alternative Methoden punkten kann, liegt auf der Hand.

Viele dieser Kurseinheiten bestehen somit aus recht kurzweiligen Elementen, in denen die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten spielerisch und mit viel Spaß erlernt werden können. Statt also eine Seite mit Regeln über die Anordnung der Bücher in den Regalen auszuteilen habe ich das betreffende Blatt zur Hälfte mit falschen und geradezu grotesken Regeln gefüllt, die immer wieder von tatsächlich angewandten Regeln unterbrochen werden. Flott noch einen Kobold oder Pumuckl an den Kopf des Blattes gezeichnet, der die Schuld für das Chaos trägt - und schon ist ein Arbeitsblatt für Einzel- oder Gruppenarbeit entstanden, bei dem es viel zu lachen gibt. In der abschließenden Auswertungsrunde werden dann zwar ebenfalls die tatsächlichen Regeln herausgefiltert, doch der Weg dazu war lustig und motivierend.

Quizspiele (für die Systematik oder die bibliografischen Angaben), Pantomimen (etwa für den Ausleihvorgang) oder Schnitzeljagden (quer durch alle Regale, damit die SchülerInnen ihre Bücherei kennen lernen) sind weitere Möglichkeiten, diesen Kurs so zu gestalten, dass er sich wohltuend vom Schulalltag unterscheidet und gleichzeitig trotzdem Wissen vermittelt. Die Fähigkeiten, etwa Bücher einzubinden oder ein Regal sinnvoll und gewissenhaft zu betreuen, können im gleichen Maße spielerisch und aufgelockert vermittelt werden.


Das Einbinden von Büchern gehört genauso zum Alltag in der Bücherei wie das Erfassen
der Bücher im Computer, die Betreuung von Regalen oder die Beratung von LeserInnen.
Foto: Wolfgang Huter

Diese Methoden der Einschulung bringen aber nicht nur für die zukünftigen MitarbeiterInnen den Vorteil einer genussvollen und heiteren Zeit. Als Bibliotheksleiter kann ich in diesen Doppelstunden das soziale Verhalten der Neuen ebenso beobachten wie die Zunahme an Fertigkeiten und Kenntnissen. Damit wird ein Abschlusstest, wie ich ihn früher durchführte, hinfällig, weil sich die geeigneten SchülerInnen von selber als solche ausweisen. Immer wieder nehmen auch Mitglieder des bereits bestehenden Teams gern an diesen Kurseinheiten teil, ältere SchülerInnen helfen sogar mit Vorliebe beim Erstellen von Quizfragen oder denken besonders knifflige Schnitzeljagden aus. Fazit: die Neuen und die Alten lernen sich bereits früh kennen, was zu einem harmonischen Übergang ins Team führt.

Dass auch immer wieder ehemalige MitarbeiterInnen nach ihrer Matura zu Besuch kommen oder bei einer Exkursion in eine Bücherei oder Druckerei, einem Ausflug oder einem Pizza-Essen teilnehmen, trägt nicht nur zur Kontinuität des Büchereibetriebes bei. Es verstärkt auch in den jungen Mitarbeitern das Selbstwertgefühl, denn in einem Team mitzuwirken, dessen frühere Mitglieder noch nach der Reifeprüfung den Kontakt aufrechterhalten, das muss schon etwas Besonderes sein! Und so schließt sich der Kreis der AIDA-Formel wieder hin zur Motivation für neue MitarbeiterInnen.

Für mich als Büchereileiter bringt das freilich manches an zusätzlicher Arbeit mit sich, doch die Belohnung folgt auf dem Fuß: nicht finanziell, freilich (Warum eigentlich nicht?), aber dadurch, dass ich SchülerInnen im Team habe, die nicht nur auf Anordnung hin Arbeiten ausführen, sondern kreative und eigenverantwortliche MitarbeiterInnen darstellen, auf die man sich - speziell in den 7. und 8. Klassen - wirklich voll verlassen kann: fast 100 Mädchen und Burschen haben mir das in den letzten 25 Jahren eindrucksvoll bewiesen!

Wolfgang Hut, 11-05-2009

OStR Mag. Wolfgang Hut ist Büchereileiter am Privaten ORG St. Karl in Volders, Tirol

bearbeitet: Andreas Markt-Huter, 12-05-2009


Weiterführende Links:
BM:UKK - Die Multimedial Schulbibliothek
Homepage: PORG St. Karl - Volders

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