Lehrberuf: Archiv-, Bibliotheks- und InformationsassistentIn, Teil 1

Er gehört zu den jüngsten Lehrberufen. Die Lehrzeit dauert drei Jahre und Lehrstellen gibt es vor allem im Öffentlichen Bereich: an Universitätsbibliotheken, Hochschulbibliotheken und an manchen Öffentlichen Büchereien. Die Rede ist vom Lehrberuf Archiv-, Bibliotheks- und InformationsassistentIn der seit dem Jahr 2005 in Österreich als Ausbildung angeboten wird.

Die sehr vielschichtige Lehre zählt zum Bereich der kaufmännischen Büroberufe, weshalb ein Teil der Ausbildung auch kaufmännische Inhalte vermittelt, wie z.B. Verwaltung, Organisation, Betriebliches Rechnungswesen, Kommunikation und EDV sowie Beschaffung und Angebot von Arbeitsmitteln, Material, Waren und Dienstleistungen.

Über das Berufsbild zum Lehrberuf Archiv-, Bibliotheks- und InformationsassistentIn heißt es in der entsprechenden Verordnung im dazugehörigen Bundesgesetzblatt:

§ 2. Durch die Berufsausbildung im Lehrbetrieb und in der Berufsschule soll der ausgebildete Lehrling befähigt werden, die nachfolgenden Tätigkeiten  fachgerecht,  selbstständig und eigenverantwortlich auszuführen:

  1. Medien, Informationen und Daten beschaffen und erwerben,
  2. Medien, Informationen und Daten formal erfassen,
  3. in Datenbanken und -netzen recherchieren,
  4. Bestand ordnen, archivieren und Register erstellen,
  5. technische Medienbearbeitung, Bestandspflege und Revision
      durchführen,
  6. Entlehnvorgänge abwickeln,
  7. Erstinformation für Benutzer geben,
  8. administrative Arbeiten mit Hilfe der betrieblichen  Informations- und 
      Kommunikationssysteme durchführen,
  9. an der betrieblichen Buchführung und Kostenrechnung mitwirken,
10. Statistiken, Dateien und Karteien anlegen, warten und auswerten.
Bundesgesetzblatt Jahrgang 2004, 1.12.2004, Teil II, 451. Verordnung


Seit 2005 hat die Anzahl der Lehrlinge im Lehrberuf Archiv-, Bibliotheks- und InformationsassistentIn zwar zugenommen, sie ist aber aufgrund der geringen Anzahl an Ausbildungsstellen österreichweit relativ gering geblieben. Quelle: AMS

 

Für die Lehrlingsausbildung ab dem Jahr 2009 gibt es einen neuen Entwurf zum Lehrplan für Berufsschulen, mit welchem der Schulversuchslehrplan für den Lehrberuf Archiv-, Bibliotheks- und InformationsassistentIn mit einer  Dauer von 440 Unterrichtsstunden in drei Jahren ins Regelschulwesen überführt werden soll. Der Unterricht in der Berufsschule erfolgt für alle Bundesländer in Wien.

Die Anzahl der Lehrlinge in diesem Lehrberuf ist von Beginn an relativ klein geblieben, was mit den beschränkten Ausbildungsmöglichkeiten im Öffentlichen Bereich zusammenhängt. Im Jahr 2005 begannen 14 Jugendliche den neuen Lehrberuf. 2006 wurden 38, 2007 50 und im Jahr 2008 insgesamt 41 Lehrlinge österreichweit gezählt.

Für den Lehrberuf haben sich bisher durchschnittlich doppelt so viele Frauen als Männer entschieden. In Tirol gibt es bisher zwei Absolventinnen im Lehrberuf Archiv-, Bibliotheks- und InformationsassistentIn, die an den derzeit einzigen Ausbildungsplätzen für diesen Lehrberuf in Tirol ausgebildet worden sind: die Universitätsbibliothek Innsbruck und die Bibliothek der Pädagogischen Hochschule Tirol.

Lesen in Tirol hat die Bibliothek der Pädagogischen Hochschule Tirol besucht und Jacqueline Bonvicin, Lehrling an der Pädagogischen Hochschule Tirol, und Dr. Arnd Meusurger, den Leiter der Bibliothek an der PH-Tirol zum Lehrberuf Archiv-, Bibliotheks- und InformationsassistentIn befragt.

* * * * *

Jacquelin Bonvicin hat ihre Lehrausbildung an der Bibliothek der Pädagogischen Hochschule Tirol absolviert und im im Juni als zweiter Lehrling in Tirol die Ausbildung zur Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistentin abgeschlossen.


In Tirol gibt es derzeit nur zwei Ausbildungsstellen für eine Ausbildung zum Bibliothekar. Jacqueline Bonvicin ist erst der zweite Lehrling, der in diesem neuen Lehrberuf abschließen wird. Foto: Markt-Huter

 

Lesen in Tirol: Was hat Sie bewogen, sich für diesen relativ neuen Lehrberuf zu entscheiden?

Jacqueline Bonvicin: Dass ich diesen Lehrberuf begonnen habe war eigentlich Zufall. Nachdem ich die Schule abgebrochen habe, bekam ich durch das Arbeitsmarkt Service eine Lehrstellenausschreibung zugesandt. Dabei bin ich auf die Möglichkeit einer Lehrausbildung zur Archiv- Bibliotheks- und Informationsassistentin gestoßen. Ich habe mir damals spontan gedacht, dass dieser Beruf eigentlich sehr gut zu mir passen würde, vor allem weil ich gerne lese.

Lesen in Tirol: Hatten Sie bereits vorher Erfahrungen mit Bibliotheken gemacht?

Jacqueline Bonvicin: In Imst gibt es eine recht kleine Bibliothek, in die ich manchmal gegangen bin, ansonsten war die Arbeit in einer Bibliothek aber neu für mich.

Lesen in Tirol: Wie schaut das Aufgabenfeld eines Bibliothekars aus?

Jacqueline Bonvicin: Neben dem Katalogisieren der Bücher müssen auch die für den Benutzer reservierten Bücher bereitgestellt werden. Daneben gilt aber auch sich darüber am Laufenden zu halten, welche Themen gerade gefragt ist, welche Literatur von StudtentInnen und Lehrenden benötigt wird. Wir haben die Möglichkeit, die Suchanfrage von Katalogsbenutzern nachzuvollziehen und sehen sofort, wenn eine Suche nicht fündig geworden ist. So können wir selbst überprüfen, welche Bücher zu einem gewünschten Thema in unserer Bibliothek vorhanden sind und entsprechend reagieren.

Lesen in Tirol: Was waren nun Ihre ersten Arbeiten zu Beginn ihrer Lehre an der Bibliothek der PH-Tirol?

Jacqueline Bonvicin: Die ersten Tätigkeiten in der Bibliothek bestanden darin, mich um die Medienbestellungen für den Lesesaal zu kümmern. Ich musste bestellte Medien im Archiv suchen, holen und abschließend dann wieder zurückzubringen. Später wurde ich in der Ausleihe eingesetzt und habe bereits begonnen, selbst Bücher zu katalogisieren. Am Anfang war immer eine Aufsicht dabei, die meine Arbeit kontrolliert und mich unterstützt hat. Doch schon bald war ich in der Lage, meine Arbeit immer selbständiger durch zu führen. Ich habe sehr bald bemerkt, wie sehr mich diese Arbeit interessiert und begeistert.


Im Lehrberuf Archiv-, Bibliotheks- und InformationsassistentIn dreht sich alles um Bücher und darum, möglichst rasch das richtige Buch auffinden zu können. Foto: Markt-Huter

 

Lesen in Tirol: Wie sieht ihr täglicher Arbeitsablauf in der Bibliothek aus?

Jacqueline Bonvicin: Am Morgen gleich zu Arbeitsbeginn sind meist die Medienbestellungen vom Vortag zu suchen oder müssen liegen gebliebene Bücher zurück in die Regale eingeordnet werden. Danach schaue ich, ob neue Bücher vorhanden sind, die noch katalogisiert werden müssen. Ich nehme diese Bücher in den Katalog auf und erstelle ein Inhaltsverzeichnis, das selbst wieder katalogisiert wird. Ziel ist es, den Benutzer des Katalogs durch das Inhaltsverzeichnis rasch über den Inhalt eines Buches zu informieren.

Am Nachmittag löse ich meist meine Kollegin in der Ausleihe ab und kümmere mich direkt um die BibliotheksbenutzerInnen, für die ich entweder die gewünschten Medien direkt suche oder ihnen dabei helfe sie zu finden.

Viele StudentInnen erhalten zu Studienbeginn zwar eine Einführung in die Benutzung der Bibliothek. Häufig nehmen sie das Medienangebot unserer Bibliothek nur selten in Anspruch. Wenn sie dann nach längerer Zeit erstmals ein Buch brauchen, ist von der Einführung meist nicht viel in Erinnerung geblieben und sie finden sich in der Bibliothek mitunter doch recht schwer zurecht. Eine kleine Hilfe ist dann doch immer wieder sehr willkommen.

Lesen in Tirol: Wo erfolgt die Lehrausbildung und was lässt sich über den Unterricht und seine Inhalte sagen?

Jacqueline Bonvicin: Meine Lehrlingsausbildung findet in Wien statt. Daneben gibt auch noch eine Berufsschule in Graz. Die Schulausbildung erstreckt sich jeweils über drei mal drei Monate, die zu unterschiedlichsten Zeiten angeboten werden. Es gibt für die einzelnen Jahrgänge, die immer getrennt unterrichtet werden, keine fixen Zeiten, an denen die jeweils drei Blöcke abgehalten werden. Österreichweit sind wir in unserem Jahrgang derzeit 14 Lehrlinge, von denen zwei aus Tirol kommen.


Das Katalogisieren von Büchern und das Verfassen von Inhaltsangaben gehören zu den wichtigen Aufgaben, mit denen Bücher und andere Medien für die BenutzerInnen einer Bibliothek zugänglich gemacht werden können. Foto: Markt-Huter

 

Lesen in Tirol: Vermittelt der Unterricht an der Berufsschule das notwendige Rüstzeug und Hintergrundwissen, das am Arbeitsplatz in der Bibliothek benötigt wird?

Jacqueline Bonvicin: Auf alle Fälle. Es wird wirklich alles ganz genau erklärt, z.B. wie die Buchbestellung in einer Bibliothek genau funktioniert, worauf dabei zu achten ist und was dabei zu tun ist. Wir lernen aber auch welche verschiedenen Medien es gibt, über Bücher, Zeitschriften, CDs u.a., erhalten also eine gediegene Einführung in die gegenwärtige Medienwelt.

Lesen in Tirol: Wie haben sich die Aufgaben in der Bibliothek für Sie während der Ausbildungszeit verändert?

Jacqueline Bonvicin: Geändert hat sich vor allem, dass ich meine Aufgaben im Vergleich zu früher selbständiger durchführe, dass meine Arbeit auch weniger kontrolliert werden muss. Ansonsten hat sich von den Tätigkeiten selbst nicht allzu viel verändert, vor allem weil ich von Anfang an rasch in die Bibliothek integriert worden bin. Ich habe sehr schnell viele Aufgaben übertragen bekommen.

Lesen in Tirol: Was sind die wichtigsten Eigenschaften und Interessen die man für diesen Lehrberuf haben sollte?

Jacqueline Bonvicin: Man sollte vor allem gut mit Menschen umgehen können, weil die Beratung der BenutzerInnen einen wichtigen Bestandteil der Tätigkeit darstellt. Eine gewisse Freundlichkeit sollte daher bereits vorhanden sein. Wichtig sind sicherlich auch gute Deutschkenntnisse, weil ein Bibliothekar sehr viel zu suchen und zu katalogisieren hat. Tippfehler und fehlende Rechtschreibkenntnisse sind dabei eher problematisch.

Ich bin mir nicht sicher, ob ein direktes Interesse an Büchern für den Beruf unbedingt Voraussetzung ist. Ich denke mir aber, dass es sicherlich ein Vorteil ist, wenn man gerne liest, aber auch wenn man bereits bestimmte Computerkenntnisse mitbringt. Vor allem, weil die Katalogisierungen und die Mediensuche für die BenutzerInnen nur mehr am Computer erfolgt.

Lesen in Tirol: Haben sich Ihre anfänglichen Erwartungen und Vorstellungen über den Lehrberuf des Bibliothekars bestätigt?

Jacqueline Bonvicin: Im Allgemeinen stellt man sich den Bibliothekar als einen Menschen vor, der die ganze Zeit nur liest und eigentlich eine sehr leichte Arbeit verrichten muss. Ich selbst hatte am Anfang ähnliche Erwartungen, mir ansonsten aber keine konkreten Vorstellungen über die Arbeit in einer Bibliothek gemacht. Dass die Tätigkeit eines Bibliothekars letzten Endes doch sehr vielseitig und umfangreich ist, hat mich - offen gesagt - doch überrascht, aber auf eine positive Weise.


Dass die Tätigkeit eines Bibliothekars letzten Endes doch sehr vielseitig und umfangreich ist, hat mich - offen gesagt - doch überrascht, aber auf eine positive Weise. Foto: Markt-Huter

 

Lesen in Tirol: Wie schauen Ihre Berufsaussichten nach der Ausbildung in diesem Lehrberuf aus?

Jacqueline Bonvicin: Es wurde mir bereits bei der Anstellung mitgeteilt, dass die Aussichten, nach der abgeschlossenen Lehre an der Bibliothek der PH-Innsbruck weiter beschäftigt zu bleiben, sehr schlecht seien. Ich werde mich daher in der nächsten Zeit um einen neuen Arbeitsplatz umschauen müssen. Mithilfe des Bibliotheksverbunds lässt sich feststellen wo freie Arbeitsstellen in diesem Bereich vorhanden sind. Ich selbst beabsichtige nach Wien zu gehen, wo die Anzahl der Bibliotheken und der Beschäftigungsmöglichkeiten bedeutend größer sind, als bei uns in Tirol.

Obwohl unser Lehrberuf, bei dem es sich um eine gezielte Facharbeiterausbildung handelt, noch ziemlich neu ist, gibt es bereits aus anderen Bereichen gezielte Nachfragen. Schon bei der Ausbildung sind wir darauf hingewiesen worden, dass die allgemeinen Berufsaussichten relativ gut sind.

Lesen in Tirol: Welche Tiroler Bibliotheken bilden Lehrlinge für den Lehrberuf des Bibliothekars aus?

Jacqueline Bonvicin: Derzeit gibt es meines Wissens lediglich an der Universitätsbibliothek Innsbruck und an der Bibliothek der Pädagogischen Hochschule Bibliothekarslehrlinge. Ich bin in Tirol neben einer Kollegin an der Universitätsbibliothek in Innsbruck erst die zweite, welche eine Lehre zur Archiv- Bibliotheks- und Informationsassistentin abschließen wird. Ob auch größere öffentliche Büchereien wie die Stadtbücherei oder die Arbeiterkammer-Bibliothek Lehrstellen anbieten, weiß ich nicht.

Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Interview und viel Glück für die Zukunft!


* * * * *

 

Nähere Informationen zum Lehrberuf Archiv-, Bibliotheks- und InformationsassistentIn, zu den Aufgaben und Tätigkeiten, den Lehrplan an der Berufsschule, zu den Berufsaussichten sowie über offene Lehrstellen bieten Ihnen die weiterführenden Links.

 

 

Weiterführende Links:

 

Andreas Markt-Huter, 08-07-2009

Redaktionsbereiche