Im Gespräch: Büchereien werden immer mehr zu einem Ort der Begegnung, 1. Teil

Mit dem Ende des Jahres 2010 wird der beliebte Leiter des Bibliotheksreferats der Diözese Innsbruck, Josef Kofler, in den wohlverdienten Ruhestand treten. Grund genug, um in einem Interview mit Lesen in Tirol einen interessanten Einblick in die Entwicklung des Öffentlichen Bibliothekswesens in Tirol während der letzten drei Jahrzehnte zu gewähren.

Josef Kofler gehört sicherlich zu den prägendsten Gestalten des Öffentlichen Büchereiwesens in Tirol seit den 80-iger Jahren und sein Ausscheiden aus dem Bibliotheksreferat der Diözese Innsbruck werden viele Bibliothekarinnen und Bibliothekaren mit Wehmut zur Kenntnis nehmen. Lesen in Tirol hat Josef Kofler besucht und ihn um einen Rückblick und Ausblick auf die Entwicklung des Büchereiwesens in Tirol gebeten.

 

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Interview Teil 1 

 

Lesen in Tirol: Wie hat sich das Öffentliche Büchereiwesen in den Anfängen Ihrer Tätigkeit dargestellt?

Josef Kofler: Als man 1982 das Diözesane Bibliotheksreferat neu installiert hat, wurde ich von Bischof Reinhold Stecher berufen, diese Stelle zu übernehmen. Wenn ich nun zurückblicke, möchte ich ganz ohne Wertung sagen, dass die Entwicklung des Bibliothekswesens damals noch in den Kinderschuhen gesteckt hat, auch wenn bereits Pfarrbüchereien oder AK-Bibliotheken vorhanden waren.

Wenn ich über die Anfänge des Öffentlichen Büchereiwesens in Tirol spreche, muss ich zunächst vor allem zwei Namen nennen. Einer davon ist Prof. Luis Oberwalder, der von 1971 bis 1988 die Förderungsstelle des Bundes für Erwachsenenbildung für Tirol geleitet hat und heuer im Juni verstorben ist. Prof. Oberwalder hat sich in dieser Zeit ganz besonders stark für das Büchereiwesen eingesetzt und sich bei der Neugründung und Reorganisation von mehr als 100 Öffentlichen Büchereien engagiert beteiligt.


Die Anfände des Öffentlichen Büchereiwesens in Tirol wurden vor allem von zwei Persönlichkeiten geprägt: Prof. Luis Oberwalder und Prälat Walter Linser. Foto: Markt-Huter

Als zweite Person möchte ich Prälat Walter Linser nennen, - damals noch Pfarrer von Wattens - dem es ein großes persönliches Anliegen war, dass die Büchereien als Aufgabe der Kirche und der Pfarren gesehen werden. Er hat das Ziel verfolgt, dass die Pfarren Bildungsaufgaben übernehmen und Pfarrbibliotheken entweder ausgebaut oder neu gegründet werden. In diese Situation bin ich also 1982 als neu beauftragter Leiter des Diözesanen Bibliotheksreferats quasi hinein geplatzt.

Zurzeit von Bischof Rusch herrschte vor allem die Devise: Pfarrbibliotheken müssen Pfarrbibliotheken bleiben, das heißt: der Träger soll die Pfarre sein. Für uns hingegen war im Grunde von Anfang an klar, dass der Bildungsauftrag sowohl die Pfarre als auch die Gemeinde betrifft und daher beide Träger ihre Kräfte bündeln sollten. Wenn wir uns die Bibliothekslandschaft in Tirol heute betrachten, können wir sagen, dass ca. 90% der Einrichtungen in kooperativer Trägerschaft von Pfarre und Gemeinde liegen. Hier steht vor allem das Miteinander im Vordergrund.

Dasselbe gilt für Büchereiveranstaltungen, wo ich mich immer schon darum bemüht habe, dass die örtlichen Büchereien mit den anderen Bildungseinrichtungen im Ort Kooperationen eingehen. Auch hier ist es wichtig und sinnvoll, die einzelnen Kräfte zu bündeln.

Lesen in Tirol: Was waren Ihre Aufgaben als Leiter des Diözesanen Bibliotheksreferats?

Josef Kofler: Für uns gab es den Auftrag zu schauen, ob es Pfarren oder Gemeinden gibt, in denen noch keine Bücherei vorhanden ist, um dann für Neugründungen mit dem jeweiligen Pfarrer und Bürgermeister Gespräche aufzunehmen. In vergleichbarer Weiser haben wir uns aber auch um die Reaktivierung alter Bibliotheken bemüht. Dabei haben wir uns immer mit unseren Kollegen von der früheren Förderungsstelle des Bundes für Erwachsenenbildung oder jetzt mit der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol abgesprochen, um nicht doppelgleisig aktiv zu werden.

Nachdem die Öffentlichen Bibliotheken von ehrenamtlichen MitarbeiterInnen getragen werden, spielte die Begleitung ihrer Arbeit in der Bibliothek eine sehr wichtige Rolle. In diesem Sinn waren mir die jährlich angebotenen Bildungstage für die BibliotheksmitarbeiterInnen immer ein großes Anliegen. Wir bieten unseren Bibliothekarinnen und Bibliothekaren jährlich ein Tagung im Frühjahr und eine im Herbst an. Dabei ist die Tagung im Frühjahr mehr als Arbeitstagung für BüchereileiterInnen ausgelegt, , während zur großen Jahrestagung im Herbst immer alle BüchereimitarbeiterInnen eingeladen werden.


Für uns war von Anfang an klar, dass sowohl die Pfarre als auch die Gemeinde ihre Kräfte bündeln sollten.
Foto: Markt-Huter

Unsere Stelle ist natürlich auch im Bereich der Ausbildungslehrgänge involviert, wenn es um die Einführung in die regionale Bibliothekspraxis geht. Daneben setzen wir uns mit den Alltagsfragen und -sorgen der Bibliothekare auseinander, organisieren beispielsweise Bibliotheksstammtische mit, u.a.

Lesen in Tirol: Welche Möglichkeiten hat der Leiter des Diözesanen Bibliotheksreferats auf die Entwicklung des Bibliothekswesens?

Josef Kofler: Ich denke es uns doch gelungen das Öffentlichen Bibliothekswesens auf zwei Schienen zu stellen, den Ausleihbereich und den Bereich der Veranstaltungen, Aktivitäten und Projekte Veranstaltungsbereich. Wir versuchen aber auch Projekte in den Büchereien zu initiieren. So haben wir bei unserer letzten Bibliothekstagung das Projekt Lebensspuren - Begegnung der Kulturen des österreichischen Bibliothekswerkes den Bibliotheken vorgestellt.

Ich halte es für eine gute und wichtige Entwicklung im Bibliothekswesen, dass wir uns auf diese Weise mitten im gesellschaftlichen Leben wiederfinden und beteiligen. Die Bücherei hat in dieser Hinsicht sicherlich ihren Horizont erweitert.

In Bezug auf den Medienbestand habe ich immer versucht darauf hinzuwirken, dass das Büchereiteam die Medienanschaffung autonom durchführen kann und von keiner Seite eine Zensur ausgeübt wird. Heute wird von den BüchereimitarbeiterInnen eigenverantwortlich das eingekauft, was die Leute im Ort brauchen, was ihnen zur Lebensbegleitung, zur Bildung und Weiterbildung nützlich und dienlich ist.

Lesen in Tirol: Wie funktionieren die Kooperation und die Aufgabenteilung zwischen dem Land und der Diözese als wichtige Stützen des Öffentlichen Büchereiwesens?

Josef Kofler: Sowohl das Land als auch die Diözese haben einen eigenen Budgetposten für das Öffentliche Büchereiwesen, das beim Land natürlich viel größer ist.

Lesen in Tirol: Wie hat sich die Büchereilandschaft in Tirol während Ihrer Tätigkeit entwickelt, was hat sich verändert, ist besser oder schlechter geworden?

Josef Kofler: Früher war die Bücherei als Thekenbücherei eine Ausleihstätte, wo man sich Bücher weder selbst herausnehmen noch darin schmökern konnte. Die Bücherei wurde als Ort der Ruhe und Stille betrachtet. Mittlerweile hat sich die Bücherei doch zu einem Ort der Kommunikation und der Begegnung entwickelt, in dem sich das Leben abspielt und Veranstaltungen durchgeführt werden.


Die Öffentliche Bücherei hat sich zu einem Ort der Kommunikation und der Begegnung entwickelt.
Foto: Markt-Huter

Aber auch von der Vielfalt des Medienangebots hat sich in diesen knapp 30 Jahren unglaubliches getan. Gab es in den Büchereien früher ausschließlich Bücher, so finden sich heute auch Spiele und AV-Medien, wie Hörbücher und DVDs. Es ist seit den 80-iger Jahren eine große Aufbruchsbewegung entstanden, wodurch das Image der Büchereien meines Erachtens stark gestiegen ist.

Was aber bis heute immer noch fehlt, ist ein Büchereigesetz wie es in Südtirol schon seit langer Zeit existiert. Das heißt in Tirol muss das Büchereiwesen sehr viel Kraft in die Motivation der Träger investieren. Bürgermeister und Pfarrer müssen in zahlreichen Gesprächen immer wieder oft neu überzeugt werden, dass Bildung und die Öffentlichen Bibliotheken für den Einzelnen von großer Bedeutung sind.

Eine rechtliche Grundlage hätte wiederum unterschiedliche Konsequenzen z.B. in Bezug auf die finanzielle Ausstattung oder die Öffnungszeiten von Öffentlichen Bibliotheken. Kein Problem besteht, wenn die Träger der Bibliotheken von sich aus die Überzeugung umsetzen, dass Büchereien eine große Bedeutung zu kommt. Ein Büchereigesetz würde natürlich die Gemeinden zu bestimmten Vorgaben für Öffentliche Büchereien verpflichten.

Lesen in Tirol: Wohin würde sich das Bibliothekswesens mit einem Büchereigesetz entwickeln?

Josef Kofler: Wahrscheinlich würde die Entwicklung hin zu größeren Bibliotheken in größeren Zentren führen, wobei die Kleinstruktur der Tiroler Bibliothekslandschaft vermutlich auf der Strecke bliebe. Eine solche Entwicklung würde ich mir wiederum nicht wünschen, weil ich nach wie vor davon der Überzeugung bin, dass in jeder Gemeindepfarre eine Bibliothek bestehen sollte. Eine Bücherei sollte sich im Ort und nicht zehn Kilometer weit entfernt befinden.

Außerdem ist eine Bibliothek ein Ort der Begegnung und der Kommunikation, eine Aufgabe, die sich nur vor Ort erfüllen lässt. Ich möchte nur auf die aktuellen Entwicklungen in unseren Gemeinden hinweisen, wo Postämter und Geschäfte schließen und damit Räume verschwinden, wo sich Menschen bisher begegnen konnten. Gerade in dieser Hinsicht spielen Öffentlichen Bibliotheken in Zukunft eine noch wichtigere Bedeutung. Aus Rückmeldungen unserer Büchereimitarbeiterinnen wissen wir z.B., dass neben der Aufgabe des Medienverleihs, vor allem die Möglichkeit in den Büchereien Gespräche zu führen, ganz besonders geschätzt wird.

 

>> Im Gespräch Josef Kofler: Büchereien werden immer mehr zu einem Ort der Begegnung, Teil 2

 

 

Andreas Markt-Huter, 19-11-2010

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