Im Gespräch: Büchereien werden immer mehr zu einem Ort der Begegnung, Teil 2

Mit dem Ende des Jahres 2010 wird der beliebte Leiter des Bibliotheksreferats der Diözese Innsbruck, Josef Kofler, in den wohlverdienten Ruhestand treten. Grund genug, um in einem Interview mit Lesen in Tirol einen interessanten Einblick in die Entwicklung des Öffentlichen Bibliothekswesens in Tirol während der letzten drei Jahrzehnte zu gewähren.

Josef Kofler gehört sicherlich zu den prägendsten Gestalten des Öffentlichen Büchereiwesens in Tirol seit den 80-iger Jahren und sein Ausscheiden aus dem Bibliotheksreferat der Diözese Innsbruck werden viele Bibliothekarinnen und Bibliothekaren mit Wehmut zur Kenntnis nehmen. Lesen in Tirol hat Josef Kofler besucht und ihn um einen Rückblick und Ausblick auf die Entwicklung des Büchereiwesens in Tirol gebeten.

 

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Interview Teil 2

 

Lesen in Tirol: Wie sehen Sie die Aufgaben des Öffentlichen Büchereiwesens heute?

Josef Kofler: Das Büchereiwesen spielt sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft eine wichtige Rolle, ich möchte hier nur den immer größer werdenden Analphabetismus erwähnen. Die Aufgabe der Bücherei, für die Bevölkerung frei zugänglich und kostenlos Literatur zur Verfügung zu stellen und seinen außerschulischen Bildungsauftrag wahrzunehmen, wird auch in Zukunft seine Bedeutung nicht verlieren. Die wichtige Rolle der Büchereien für die Bildung, Information, Unterhaltung, aber auch für die Integration, Kommunikation und Begegnung von Menschen bleibt unbestritten.

Nicht zu vergessen ist, dass Büchereien ganzjährig geöffnet sind und in den Ferien auch unseren Gästen zur Verfügung stehen. Daneben arbeiten Büchereien immer intensiver mit dem Kindergarten und den Schulen im Ort zusammen, wodurch schon Kleinkinder mit der Bücherei vertraut gemacht werden. Gerade gute Bilderbücher sind meist nicht billig, womit das Büchereiangebot vor allem jüngeren Familien auch finanziell zu Gute kommt. Damit erfüllen Büchereien eine wichtige pädagogische und soziale Aufgabe, indem sie Kleinkinder zum Buch und Eltern oder Großeltern in die Bücherei als Ort der Begegnung führen.

Altbischof Reinhold Stecher hat auf einer unserer Tagungen einmal gesagt: Büchereien sind wie geistige Biotope und hat damit auf die wichtigen Schätze hingewiesen, die es in einer Bücherei zu finden gibt, die nicht verloren gehen dürfen.

Lesen in Tirol: Was sehen Sie als die drängendste Herausforderung für das Öffentliche Bibliothekswesen in der Gegenwart?

Josef Kofler: Was sich derzeit zu einem Problem für das Öffentliche Büchereiwesen entwickeln könnte, sind die neuen Zielstandards des Bundes für das Öffentliche Büchereiwesen, die von einer Fachgruppe ausgearbeitet worden sind. Diese Standards sehen je nach Größe eines Ortes für eine Öffentliche Bibliothek eine bestimmte Mindestanzahl an Medien, eine bestimmte Dauer der Öffnungszeiten, u.a. vor, damit diese überhaupt Fördermittel des Bundes in Anspruch nehmen kann.


Altbischof Reinhold Stecher die Büchereien einmal als geistige Biotope bezeichnet und damit auf die wichtigen Schätze hingewiesen, die sie bergen. Foto: Markt-Huter

Diese Zielstandards haben meines Erachtens zwei Aspekte. Auf der einen Seite helfen Sie den BüchereileiterInnen bei ihrer Argumentation gegenüber den Trägern, vor allem dann wenn es um die finanzielle Ausstattung der Bibliotheken geht. Hier zeigen die Zielstandards auf, in welche Richtung sich eine Bücherei entwickeln sollte, damit von einer guten Bücherei gesprochen werden kann.

Die andere Seite ist, dass Förderungsansuchen Öffentlicher Büchereien beim Ministerium negativ beantwortet werden, wenn sie die definierten Standards nicht erfüllen können. Das Problem liegt nun darin, dass gerade jene Bibliotheken, die das Förderungsgeld des Bundes für die Erreichung dieser Standards am meisten benötigen würden, keines erhalten werden.

Ich war vor kurzem bei einer Büchereiteamsitzung einer kleineren Stadt, an der auch Bürgermeister und Pfarrer teilgenommen haben, um den jährlichen Budgetrahmen für die Bücherei zu erstellen. Es wurde errechnet, dass ein Verzehnfachen des derzeitigen Büchereibudgets vorgenommen werden müsste, um die geforderten Zielstandards des Bundes zu erreichen. Das wurde von den Trägern natürlich als vollkommen unmöglich ausgeschlossen.

Auf der anderen Seite wurde vom Bürgermeister zugesagt, die Problematik offen im Gemeinderat zu diskutieren und auch klarzulegen, in welche Richtung sich die Büchereifinanzen in den nächsten Jahren bewegen müssten, damit in Zukunft die Förderung des Bundes in Anspruch genommen werden kann.

Ich sehe das Problem dahingehend, dass von Seiten des Bundes die Zielstandards nicht als ein Ziel betrachtet werden, welche es in den nächsten Jahren zu erreichen gilt, sondern bereits als Förderungsgrundlage festgelegt sind. Wir beruhigen unsere kleinen Büchereien dahingehend, dass sowohl Land als auch die Diözese die Zielstandards grundsätzlich begrüßen, die Förderungen aber nicht deshalb gestrichen werden, weil eine Bücherei diese Ziele noch nicht erreichen kann.

Auch wenn es niemand explizit ausspricht, lässt sich mit der Umsetzung der Zielstandards der Versuch eine Zentralisierung des Büchereiwesens in Richtung Stützpunktbibliotheken erkennen.

Lesen in Tirol: In welche Richtung wird sich das Öffentliche Büchereiwesen in Zukunft entwickeln?

Josef Kofler: Wir befinden uns augenblicklich in einer sicherlich schwierigen Situation, wenn wir uns die Staatsfinanzen vor Augen halten. Wir sehen wie einerseits tagtäglich auf allen Ebenen um mehr Geld gekämpft wird, während auf der anderen Seite nur mehr vom Sparen die Rede. Nachdem es bis heute kein Büchereigesetz gibt, bleibt zu befürchten, dass so manche kleine Bücherei dem Sparstift zum Opfer fallen könnte.


Die neuen Zielstandards des Bundes für das Öffentliche Büchereiwesen bergen sowohl Chancen als auch Gefahren. Ein Zusammenschließen der verschiedenen Kultureinrichtungen in einem Ort kann für die Zukunft sehr hilfreich sein. Foto: Markt-Huter

Gelingt es hingegen den verschiedenen Kultureinrichtungen in einem Ort sich eng zusammen zu schließen, mache ich mir um den Fortbestand auch kleinerer Büchereien wenig Sorgen. Wichtig ist es aber, die einzelnen Kräfte zu bündeln. Ich denke, dass auch in Zukunft ohne die vorwiegend ehrenamtlichen MitarbeiterInnen im Büchereiweisen vieles nicht möglich sein wird. Ich hoffe, dass dieses große Engagement und die großartige Arbeit der Bibliothekarinnen und Bibliothekare sowohl von den Trägern als auch vom Land Tirol auch über die regelmäßigen Ehrungen hinaus gesehen werden.

Gut arbeitende und positionierte Büchereien haben sich meines Erachtens bei den Trägern im Ort einen so hohen Stellenwert verdient, dass kein Ort eine solchen Einrichtung ohne weiteres wieder schließen kann. Es darf auch nicht vergessen werden, dass von den Trägern in letzten 20 bis 30 Jahren doch erhebliche Summen in den Ausbau der Öffentlichen Büchereien investiert worden sind.

Wichtig für die Zukunft der Öffentlichen Büchereien ist es, vermehrt durch Aktionen, Projekte, Veranstaltungen und ein gutes Medienangebot in der Ortsbevölkerung präsent zu sein. Wenn das gelingt, können die Büchereien mit Selbstbewusstsein auftreten und müssen bei Budgetwünschen nicht mehr als schüchterne Bittsteller an die Träger herantreten. Dazu gehört aber auch aktiv aufzutreten und Beispielsweise Budgetwünsche rechtzeitig im Vorfeld auch mit den verschiedenen Gemeinderäten abzusprechen.

Lesen in Tirol: Was sind die bleibenden Erinnerungen während Ihrer Zeit als Bibliotheksreferent?

Josef Kofler: Es sind vor allem zwei Dinge die mir von meiner Arbeit als wichtig erscheinen. Zunächst, dass die Zusammenarbeit mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Öffentlichen Bibliotheken gut gepasst hat. Es war ein gutes Miteinander, das mir auch in meiner Arbeit immer wieder einen Auftrieb gegeben hat. Ein Beispiel dafür ist ein selbstgemachtes Buch, das ich ohne speziellen Anlass ganz überraschend im Jahr 2006 bei einer Büchereitagung als Geschenk bekommen habe, was mich natürlich sehr gefreut hat.

Aber auch die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen von der Universitätsbibliothek, der Interessensvereinigung der BibliothekarInnen Tirols und der Kulturabteilung des Landes und der Stadt Innsbruck war von Verständnis und einem großen Miteinander geprägt, was nicht selbstverständlich ist. Durch die enge und harmonische Zusammenarbeit war es z.B. möglich, Doppelgleisigkeiten in der Weiterbildung zu vermeiden


Auf dem Büchereitag 2006 erhielt Josef Kofler von den Bibliothekarinnen und Bibliothekaren Tirols ein selbstgemachtes Buch als Zeichen der Wertschätzung überreicht, das der beliebte Leiter des Bibliotheksreferats ganz besonders in Ehren hält. Foto: Markt-Huter

Lesen in Tirol: Wie sieht Ihre persönliche Zukunft nach dem Bibliotheksleben aus?

Josef Kofler: Ich plane auf alle Fälle kein gestresster Pensionist zu werden und mich vielleicht sofort um eine Mitarbeit in einer Öffentlichen Bibliothek zu bewerben. Das soll aber nicht ausschließen, dass ich später in der Gemeinde oder Pfarre bei der einen oder anderen Sache gerne bereit bin mitzuhelfen.

Lesen in Tirol: Wie halten Sie es selbst mit dem Lesen?

Josef Kofler: Ich lese gerne Kriminalromane, besonders interessant finde ich auch Literatur zu sozialen Themenbereichen, in denen sich Menschen für die Ärmsten und Schwächsten einsetzen. Am liebsten schaue ich mir aber mit meinen Enkeln Bilderbücher und Kinderbücher an.

Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Interview!

 

>> Im Gespräch Josef Kofler: Büchereien werden immer mehr zu einem Ort der Begegnung, Teil 1

 

 

Andreas Markt-Huter, 19-11-2010

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