100 Jahre „Republik Österreich“ im Spiegel der zeitgenössischen Presse, Teil 3

Ausrufung der RepublikAm 12. November 2018 jährt sich die Ausrufung der Republik Österreich, genauer gesagt „Deutschösterreich“ zum 100. Mal. Im November 1918 bricht mit dem Ende des 1. Weltkrieges die Monarchie auseinander. Der Habsburger Kaiser Karl I. erklärt unter dem Druck der Verhältnisse seinen Rücktritt, während die einzelnen Teilstaaten der k.u.k. Monarchie sich unabhängig erklären und eigenständige Staaten mit republikanischer Verfassung bilden.

Am Ende des Krieges herrschen in Österreich Lebensmittelknappheit, Produktionsengpässe und Angst der Bevölkerung vor plündernden, heimkehrenden Truppen. In Tirol herrscht nach der Kapitulation Unsicherheit über die Zukunft der Einheit des Landes, nachdem italienische Truppen bis an den Brenner heranrücken. Aber auch die Ausrufung der Republik verläuft alles andere als reibungslos und auch in Österreich herrscht Zweifel an der unabhängigen Überlebensfähigkeit des verbliebenen Reststaates. Als Republik „Deutschösterreich“ beschließt der provisorische Staatsrat, den Anschluss Österreichs an die neue Deutsche Republik zu beantragen.

Die Österreichische Nationalbibliothek stellt mit ihrer Sammlung „ANNO“ eine große Anzahl historischer österreichischer Zeitungen und Zeitschriften zwischen 1568 bis 1947 online zur freien Verfügung.

Ausgewählte Zeitungsausschnitte sollen einen Einblick in die Stimmungen und Verhältnisse während dieser Umbruchszeit vor 100 Jahren gewähren. In manchen Artikeln lasse sich bereits die ersten Ansätze für die späteren Auseinandersetzungen und Spannungen zwischen den Parteien und gesellschaftlichen Gruppierungen in der 1. Republik erkennen, die zu ihrem Niedergang führen werden.

 

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Die Zeitungen der 1. Republik und des Ständestaates verwendeten die damals gängige Frakturschrift, bei der es sich um eine Druckschrift handelt, die im deutschen Sprachraum vom 16. Jahrhundert bis ca. 1940 in unterschiedlichen Varianten verwendet wurde. Entwickelt hat sich die Schrift aus der seit dem 12. Jahrhundert verwendeten gotischen Buchschrift.

Mit ein wenig Übung lässt sich die ungewohnte Schrift relativ rasch lesen und die Dokumente erwecken die Stimmung, das Denken und die Sprache der damaligen Zeit wieder zum Leben. Das im Bild vorgestellte Alphabet in Frakturschrift soll beim Einstieg in das Lesen historischer Dokumente behilflich sein.


Viele Buchstaben der Fraktura-Schrift sind den lateinischen Buchstaben sehr ähnlich. Beachten sollte man den kleinen Unterschied zwischen dem kleinen f und dem langen s (rechts neben dem kleinen s). Beim f ist der Querstrich ein wenig links und vor allem rechts, beim langen s hingegen nur links.

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Ausrufung der Republik: Tageszeitungen vom 14. und 15. November 1918

 


Illustrierte Kronenzeitung, 14. November 1918
Die Verkündigung der Republik
Quelle: ANNO Illustrierte Kronenzeitung vom 14. Nov. 1918, S.1

 

In der Zeitschrift „Arbeiterwille distanziert sich die Sozialdemokratische Partei von den Zwischenfällen während der feierlichen Verkündigung der Republik. Die Partei habe ein großes Aufgebot an Ordnern gestellt, um Störungen zu vermeiden. Es wird angenommen, dass „kleine, kommunistische, beziehungsweise sozialrevolutionäre Gruppen waren, die mit der großen Masse der organisierten Arbeiterschaft nicht gemein haben“. Diese hätten es auf die Störung der Feier abgesehen, „um eine Verwirrung und Panik hervorzurufen“

.Arbeiterwille, 14. November 1918
Der Zwischenfall beim Parlament
Quelle: ANNO Arbeiterwille vom 14. Nov. 1918, S. 1

 

In der „Linzer Tagespost“ werden kritische Blicke von Anhänger der alten Monarchie auf die neue Republik angesprochen. „Es ist für viele ein Trost, nicht kaiserlicher sein zu müssen als der Kaiser; und so werden sich durch den Verzicht des Kaisers viele befreit fühlen aus einem hemmenden Gewissenszwang. Weiteren Kreisen des Bürgertums ferner, denen das Wort »Republik« noch wie ein Ausruf zu unerhörtem Umsturz in die Ohren klang, mag die Tatsache, daß die Namen Hauser und Dinghofer neben dem Seitz unter dem Beschlusse des Staatsrates stehen, das Gruseln vertreiben und zum Bewußtsein bringen, daß deutsches Bürgertum und republikanische Staatsverfassung sich sehr gut vertragen ...“

Linzer Tagespost, 14. November 1918
Republik Deutsch-Österreich
Quelle: ANNO Linzer Tagespost vom 14. Nov. 1918, S. 1

 

Der Tiroler Nationalrat erklärt, dass er den Beschluss der deutschösterreichischen Nationalversammlung begrüße, der den deutschösterreichischen Staat zur Republik erklärt. Es wird aber auch darauf hingewiesen, dass es auf Grund des Selbstbestimmungsrechts Sache des Tiroler Nationalrates sein wird, die zukünftige Stellung Tirols sowohl innerhalb des deutschösterreichischen als auch innerhalb der deutschen Republik selbst festzulegen und die „schwer verdiente politische Freiheit zu wahren“.
Neues Wiener Tagblatt, 14. November 1918
Die Zukunft Deutschtirols
Quelle: ANNO Neues Wiener Tagblatt vom 14. Nov. 1918, S. 3

 

Im Linzer Volksblatt werden schon früh kritische Stimmen wach, da von Seiten der Sozialdemokratie die demokratische Republik nur als Übergangsstadium zur sozialen Republik, bzw. sozialistischen Republik betrachtet werde, deren Ziel die Herrschaft des Proletariats sei. Dies sei in Österreich noch nicht möglich, „weil das Proletariat, d. i. die sozialistisch gesinnte Masse, nicht die Mehrheit der Bevölkerung ausmache.“
Linzer Volksblatt, 15. November 1918
Die neuen Strömungen
Quelle: ANNO Linzer Volksblatt vom 15. Nov. 1918, S. 1

 

Dass nicht alle das allgemeine Wahlrecht auch für Frauen begrüßen, zeigt ein Beitrag der Zeitung „Der Bauernbündler“, die sich sich offen gegen das Wahlrecht der Frauen ausspricht. „Wir sind keine Freunde des Frauenwahlrechtes. Uns erscheint der der Frau zugewiesene Wirkungskreis als Hausfrau, Mutter, Erzieherin oder Engel der Barmherzigkeit so weit und so groß und so wichtig, dass wir die Frau anderswo nicht gerne sehen.
Der Bauernbündler, 1. Dezember 1918
Das Wahlrecht der Frauen
Quelle: ANNO Der Bauernbündler vom 1. Dez. 1918, S. 2

 

 

 

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Andreas Markt-Huter, 05-11-2018
Titelbild: Anno - Sport und Salon, 17. Nov. 1918, S.8

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