Richard Wall, Connemara

Buch-Cover

Für unvergleichliche Dinge muss man einen unvergleichlichen Erzählstil schaffen. - Seit Jahrzehnten reist Richard Wall in den Westen Irlands und hat dabei performativ in Connemara ein Stück Literatur gefunden.

Connemara liegt in der Grafschaft Galway und die Aussprache des Namens ist eine genaue Wiedergabe von Land, Meer und Wind am Atlantik. Performativ nennt sich jener Vorgang, wo durch das Aussprechen oder Aufschreiben ein Stück Wirklichkeit geschaffen wird.

Als bildender Künstler ist Richard Wall mit dem Formen von Wirklichkeit vertraut, so sieht er einmal Wellen und denkt an die Arbeitsweise Corbusiers, wie sich durch kräftiges Gipsen daraus Skulpturen schaffen lassen. An Wittgenstein geschult, der in dieser Gegend der Erkenntnis reichlich Gedanken ausgebrütet hat, entwickelt Richard Wall durch Sehen, Sprechen, Lernen, Zuhören und Reisen mit allen Gelenken einen Kultur-Zustand, der dem Leser auf Anhieb einleuchtet.

Neben scharfen Sprachfetzen der Gegend, der Vorstellung von standfesten Einheimischen und Skizzen zu verschiedenen Witterungseskapaden sind es vor allem die historischen Einsprengsel, die das Land zu etwas Handfestem machen. So gibt es aus der Cromwell-Zeit ein Zitat über jene Gegend, wonach sie zu baumlos sei, um jemanden aufzuhängen, zu wasserlos, um jemanden zu ersäufen, und zu felsig, um jemanden zu begraben.

Aber auch die Geschichte, wie die Kartoffel zufällig nach Irland kam, um dann durch die Fäulnis eine Hungerkatastrophe auszulösen, lässt das ständig ausgequetschte und ausgepeitschte Land aus der Hüfte heraus sympathisch werden. Am Beispiel der aufgelassenen Insel Finis beschreibt der Autor, wie der Zerfall einer Kultur sich in seltsamen Fragmenten und Auflösungsskulpturen zeigen kann.

Und manchmal hat es den Anschein, als hätten erst die kapitalistischen EU-Jahre dem Wesen von Connemara den Garaus gemacht. Waren beispielsweise früher die Häuser am Meer ausgerichtet, sind sie es heute nach der Straße hin, wo die SUVs der Spontan-Reichen herzlos durch die eigene Geschichte brausen.

Längst sind auch die ursprünglichen Baumeister der Landschaft, nämlich Eiszeit, Regen und Wind vom Ramsch industriell gefertigter Kitsch-Produkte abgelöst. Und dann kommt noch der Abfall, Wittgensteins Satz lautet längst: Die Welt ist alles was der Abfall ist!

Als Leser ist man hingerissen von diesem Landstrich am Ende der EU-Welt, man ist bekifft von der Sprache, die der Autor in kleinen Portionen in die Zeilen tröpfeln lässt, man liegt im Kreis der Winde, umgeben von alten Mythen und vom Leben verschmitzten Typen. Richard Wall hat einen neuen Erzählstil entwickelt, skulpturistisch, performativ, connemarisch!

Richard Wall, Connemara. Im Kreis der Winde, Fotos
Wels: Mitter Verlag 2011, 267 Seiten, 24,20 €, ISBN 978-3-9502828-6-3

 

Weiterführender Link:
Mitter-Verlag: Richard Wall, Connemara

 

Helmuth Schönauer, 08-06-2011

Bibliographie

AutorIn

Richard Wall

Buchtitel

Connemara. Im Kreis der Winde

Erscheinungsort

Wels

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Mitter Verlag

Illustration

Richard Wall

Seitenzahl

267

Preis in EUR

24,20

ISBN

978-3-9502828-6-3

Kurzbiographie AutorIn

Richard Wall, geb. 1953 in Engerwitzdorf, lebt in Katsdorf.

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